Obwohl der Advent als Zeit der Ruhe und Vorbereitungen gilt, endete er bei mir eigentlich immer im typischen Weihnachtstrubel. In Kindertagen mit großen Augen und viel Vorfreude, im Erwachsenenalter zwischen Weihnachtsfeiern und Jahresendspurt auf der Arbeit. Letztes Jahr war es durch Corona zum ersten Mal anders, ruhiger.
In dieser Zeit habe ich gemerkt, dass es mir extrem gut geht und mich gefragt, was ich eigentlich für die Menschen tue, denen es gerade nicht so gut geht. Ich habe mir vorgenommen, den Advent zu nutzen, um neue Perspektiven auf meine Umgebung zu finden. Oft braucht es nicht viel Zeit dafür. Es reicht der interessierte Blick auf die Mitmenschen. Zuerst sehe ich meist nur die Fassade. Aber dahinter gibt es immer mehr.
Es ist wie bei einem Adventskalender. Hinter jeder Türe verbirgt sich etwas Schönes. Das Aufmachen solcher Türen im Alltag fällt nicht so leicht, das Entdeckte ist aber immer bereichernder als ein Bild oder eine Schokolade. Gemeinsam mit Freunden habe ich mir die Frage gestellt: Welche Türen hat Würzburg, die ich nicht kenne? Hinter welche Türe lohnt es sich zu blicken? Und dann haben wir gesehen, dass es schon ganz viele Menschen gibt, die Türen offenhalten. Wir müssen einfach nur hinschauen.
Viele dieser Menschen sind in Vereinen und Gruppen organisiert, die sich für Mitmenschen einsetzen und etwas bewegen wollen. Wir kannten bis dahin kaum einen von ihnen. Was wir dann entdeckten, hat uns in seiner Vielfalt und Menge dann überrascht. Nach einigen Überlegungen und Diskussionen hat sich eine Gruppe von einem Dutzend junger Erwachsender gebildet. Die Idee für ein Kalenderprojekt war schnell geboren, das uns im Advent den Weg zu den Türen dieser Vereine weisen kann.
Von unserer Idee überzeugt, haben Würzburger Vereine ihre Türen geöffnet und uns eingeladen, ihre Geschichten zu hören. Und diese waren beeindruckend. Was bewegt die Mitarbeiterin der Kulturtafel? Was geht den Klinikclowns zu Herzen? Vor welchen Herausforderungen steht der Verein "Willkommen mit Musik"?
Es ist nicht schwer, jeden Morgen eine Tür des Adventskalenders zur öffnen. Doch wenn ich rausgehe, stocke ich oft vor den Türen des Lebens, die sich vor mit auftun. Wir hatten Glück, dass uns viele Würzburger Initiativen den Weg schon bereitet haben. Interesse und Neugierde zeigen, für andere da sein und helfen, das schafft neue Einblicke. Wenn ich die Kraft für den ersten Schritt aufgebracht habe, bekomme ich so viel zurück, was mich bereichert und trägt.
Dieses Jahr will ich die Zeit des Advents ganz bewusst dafür nutzen: Alte und neue Türen in Würzburg entdecken, anklopfen – und auch die eigene nicht verschlossen halten.
Text: Philipp Merz
Philipp Merz ist Vorsitzender des Würzburger Vereins Blickrichtung e.V., der die Arbeit ehrenamtlicher Organisationen fördert.
In der Kolumne "Würzburger Adventskalender" schreiben Menschen aus der Region Würzburg Anekdoten und Gedanken rund um Advent und Weihnachtsfest.