Alljährlich, pünktlich Mitte November, verfalle ich in einen langanhaltenden Rausch. Dann höre ich Weihnachtslieder in Dauerschleife, dekoriere jede verfügbare Fläche mit Glitzerhirschen und Sternen, die Treppengeländer werden mit Tannengirlanden umwunden. Nur der Plätzchenduft, der zieht erst seit einigen Jahren durch unser Haus.
Ich hatte nämlich gleich mehrere traumatische Erfahrungen in dieser Angelegenheit. Die erste ereignete sich in meiner Kindheit: Ich war neun. Und hatte gebacken. Das erste Mal. Ich kam auch wirklich gut zurecht. Nur was eine Prise ist, wusste ich nicht. Zwei Prisen Salz sollte ich zugeben. Ein Teelöffel könnte das nicht sein, dachte ich in meiner neunjährigen Logik, denn Teelöffel war mit TL abgekürzt. Also, schlussfolgerte ich, müsste es sich um einen Esslöffel handeln. Ich gab zwei Esslöffel Salz in den Teig – und wie schön die Plätzchen aussahen! Sie glitzerten so herrlich!
Die Eltern probierten die Plätzchen und lächelten tapfer
Stolz präsentierte ich sie meinen Eltern. Die aßen jeder ein Plätzchen und lächelten tapfer und zuckersüß. Ich probierte auch – und erstarrte buchstäblich zur Salzsäule. Es hat viele Jahre gedauert, bis ich mich wieder ans Plätzchenbacken wagte. Als ich Mama wurde, fand ich, das müsse eine gute Mutter tun und rührte hektisch zwischen Schreiben, Kinderbespaßen und Einkaufen einen Teig zusammen. Die Plätzen gelangen einfach nie! Entweder waren sie zu weich oder zu hart. Man empfahl mir, zu harte Plätzchen in eine Kiste mit Apfelschnitzen zu legen. Machte ich. An Weihnachten waren die Apfelschnitze samt Plätzchen verschimmelt. Wieder nichts.
Doch inzwischen klappt es mit dem Backen. Und zwar wie im Bilderbuch: Die Kinder und ich versammeln uns in der Küche, hören Weihnachtslieder und fabrizieren ganze Berge von Plätzchen. Das beste aber ist: Sie schmecken! Und sind weder verschimmelt noch zu hell oder zu dunkel.
Plätzchenbacken hat etwas mit Entschleunigung zu tun
Was sich verändert hat? Ganz einfach: Vor einigen Jahren widmete mich dem Thema Plätzchenbacken sozusagen beruflich. Nein, ich mutierte nicht zur Konditorin. Aber ich besuchte in der Weihnachtszeit jeden Tag eine plätzchenbackende Frau. Schrieb über sie. Über Rezept, Tradition, Stimmung. Ich spürte der Faszination des Backens nach. Und begriff in diesen weihnachtlichen Küchen: Plätzchen backen hat etwas mit Entschleunigung zu tun. Das kann man nicht zwischendrin mal eben so erledigen. Darauf muss man sich einlassen. Teig kneten. Mit Liebe und Geduld.
Plätzchen backen zwingt einen, ruhig zu werden in dieser hektischsten Zeit des Jahres, die ja eigentlich die stillste sein sollte. Insofern: Besinnliches Backen, guten Appetit und frohe Weihnachten!
Text: Eva-Maria Bast
Eva-Maria Bast ist Verlegerin, Journalistin und Autorin (u. a. "Würzburger Geheimnisse").
In der Kolumne „Würzburger Adventskalender“ erzählen Menschen aus Würzburg Anekdoten rund um Advent und Weihnachtsfest.