Ich möge etwas Persönliches zum Thema Weihnachten schreiben, bittet die Main-Post. Also, ganz ehrlich: Ich finde Weihnachten schwierig. Ich bin weder der Grinch noch Ebenezer Scrooge, ich gönne jedem seine Weihnachtsfreude. Aber der Funke springt nicht über, ich komme nicht wirklich in Festtagsstimmung. Mir sind die Läden zu voll, der Christkindlmarkt zu kommerziell und "Laaaast Christmas, I gave you my heaaart" zu nervig.
Mich irritiert, wie eine säkulare Gesellschaft, die zu 50 Prozent keiner christlichen Religion (mehr) angehört, dem Einzelhandel zur Feier der Geburt Jesu dieses Jahr rund 120 Milliarden Euro Umsatz bescheren wird. Die Adventszeit, die den Christenmenschen auf diese große Freude einstimmen soll, wünscht man sich stimmungsvoll und heimelig. In Wirklichkeit empfinden viele Menschen sie als stressig, weil sie neben ihrem Alltag noch Büro-, Vereins- und KiTa-Weihnachtsfeiern sowie ellenlange To-do-Listen für Geschenkeinkauf und Festmahlvorbereitungen abarbeiten müssen.
Diese Anstrengungen sollen dann am 24. durch einen rundum beglückenden Heiligen Abend belohnt werden. Aber unser Idealbild, verortet irgendwo zwischen dem Coca-Cola-Weihnachtsmann und Bullerbü, lässt sich natürlich nicht realisieren – kein Schnee, keine um den Tannenbaum tanzende Großfamilie, die Kinder wünschen sich keine selbstgebastelten Strohsterne, sondern den halben Legokatalog.
Wer (wie ich) das Glück hat, den Heiligen Abend mit einem Teil der Familie inklusive junger Kinder begehen zu dürfen, genießt trotzdem die Gesellschaft der Erwachsenen und freut sich an der Begeisterung der Kinder über den Lichterbaum und die Geschenke – und ignoriert den Zweifel, ob nicht auch dieses Jahr wieder viel zu viele Päckchen unter dem Baum liegen. Und ob es bei Weihnachten nicht eigentlich um mehr geht als um Präsente und Raclette-oder-Fondue? Mahnt die Geschichte vom Stall zu Bethlehem nicht das Denken an Fremde an, das Anbieten von Hilfe an weniger Privilegierte?
Tatsächlich ist die Bereitschaft, an wohltätige Institutionen (auch an die Tafel Würzburg) zu spenden, zur Weihnachtszeit besonders hoch. Wir erhalten Geldspenden von Privatleuten und Unternehmen und sind für jeden Euro dankbar. Aber so essenziell diese Geldspenden auch für unsere Tafel sind – mein Herz bringen sie nicht zum Hüpfen, sie sind quasi das neue Bügeleisen unterm Tannenbaum. Anders jedoch die festlich verpackten und verzierten Pakete, die beispielweise von den Johannitern oder der Aktion "Liebe im Karton" für die Tafelkunden gesammelt oder auch von Einzelnen bei uns in der Zellerau vorbeigebracht werden. Neben Grundnahrungsmitteln und Hygieneartikeln enthalten sie liebevoll ausgesuchte Kleinigkeiten, hochwertige Spielsachen und zu Herzen gehende Weihnachtsgrüße von Fremden an Fremde. Würzburger Mitbürger investieren nicht nur Geld, sondern auch Zeit, Kreativität und Überlegung, um Unbekannten zum Fest eine Freude zu machen. Und da ist es: mein persönliches Weihnachtswunder.
Foto: Momentschmiede Würzburg
Susanne Kolbert ist seit Mai 2023 Vorsitzende der Tafel Würzburg.
In der Kolumne "Würzburger Adventskalender" schreiben Menschen aus der Region Würzburg Anekdoten und Gedanken rund um Advent und Weihnachtsfest.