zurück
WÜRZBURG
"Würzburg liest" lehnt Sprachbewahrerpreis ab
Mitglieder der Initiative 'Würzburg liest ein Buch' bei der Vorstellung des 'Lese-Buchs': In diesem April drehte sich alles um Jakob Wassermanns 'Der Aufruhr um den Junker Ernst'.
Foto: Thomas Obermeier | Mitglieder der Initiative "Würzburg liest ein Buch" bei der Vorstellung des "Lese-Buchs": In diesem April drehte sich alles um Jakob Wassermanns "Der Aufruhr um den Junker Ernst".
Karl-Georg Rötter
Karl-Georg Rötter
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:08 Uhr
„Nicht angenehm und auch nicht wünschenswert“.
Ulrike Schäfer, Vorstandsmitglied von „Würzburg liest“, zum Preis

Zum zweiten Mal nach 2014 hat in diesem Jahr die Aktion „Würzburg liest ein Buch“ stattgefunden. Nach der Aktionswoche im April kam die mainfränkische Regionalgruppe des „Vereins Deutsche Sprache“ (VDS) auf den Veranstalter, den Verein „Würzburg liest ein Buch“ mit seiner Vorsitzenden Elisabeth Stein-Salomon zu: Die Gruppe „Sprachkultur Mainfranken“ wolle „Würzburg liest“ in diesem Jahr mit ihrem Sprachbewahrerpreis auszeichnen. Erstmals sollte ein Verein und nicht ein Einzelner als „Wahrer der deutschen Sprache“ geehrt werden. Nach kurzer Bedenkzeit lehnten die Veranstalter der Leseaktion die Annahme des Preises ab.

Gelesen wurde in diesem April Jakob Wassermanns „Der Aufruhr um den Junker Ernst“ – jetzt sorgte die Lese-Aktion selbst für etwas Aufruhr. Buchhändlerin Elisabeth Stein-Salomon sagt, für sie und ihre Vorstandskollegen sei dies gar nicht weiter erwähnenswert gewesen. Der Vorsitzende der VDS-Regionalgruppe, Bernhard Sturn, machte den Vorgang jedoch öffentlich. In einem offenen Brief teilte er mit, dass „Würzburger liest“ den Sprachbewahrerpreis 2016 „verweigert“ habe.

In den vergangenen Jahren hatten die Auszeichnung unter anderem die Autorinnen Pauline Füg und Cornelia Boese erhalten – und angenommen. Für die Gruppe „Sprachkultur Mainfranken“ bedeute die Entscheidung von „Würzburg liest“ einen „absoluten Tiefschlag“, so Sturn.

Bei „Würzburg liest“ sieht man den Vorgang indes gelassener. Vorstandsmitglied Daniel Osthoff sagt, man habe sich den Internetauftritt des „Vereins Deutsche Sprache“ genauer angeschaut und festgestellt, dass der VDS in vielen Bereichen polemisch agiere.

Beispielsweise wenn es in der „Bremerhavener Erklärung“ heiße, dass die „in Hunderten von Jahren entwickelte deutsche Sprache in Gefahr gerät, zusehends zum Objekt ideologisch motivierter Manipulationen zu werden“. Wie während der Diktaturen im 20. Jahrhundert würden „auch heute Versuche unternommen, unsere Sprache zur Durchsetzung gesellschaftspolitischer Ziele zu verändern, diesmal im Sinne einer behaupteten ,Politischen Korrektheit', der ,Geschlechtergerechtigkeit' oder des ,Gender Mainstreaming'“.

Auch die Vergabe des negativ konnotierten „Sprachpanscherpreises“ durch den VDS stieß bei „Würzburg liest“ auf Missfallen. Für die Schriftstellerin Ulrike Schäfer, Vorstandsmitglied von „Würzburg liest“, macht eine derartige „Anklage-Rhetorik“ eine Verbindung mit dem VDS „nicht angenehm und auch nicht wünschenswert“. Und Antiquar Osthoff ergänzt, dass den Verein die „aggressive Sprache“ des VDS störe: „Uns geht es vordringlich um Literatur, die deutsche Sprache ist dabei nur eine von mehreren Facetten“. Deshalb seien viele Vorstandsmitglieder auf Distanz zu dem Preis gegangen. Schließlich habe man die Annahme mit einer Zweidrittelmehrheit abgelehnt.

„Ist es unredlich, sich um die Pflege und den Erhalt der deutschen Sprache zu kümmern? Ist es verwerflich, Aktionen für die deutsche Sprache auszuzeichnen“, fragt Sturn in seinem Brief, den er, wie er sagt, aus „anfänglicher Enttäuschung“ geschrieben habe. Dem VDS gehe es „allein um dieses Anliegen, Ideologien haben bei uns keinen Platz“. Er wolle die Angelegenheit nun auf sich beruhen lassen. „Die manchmal provokante Art des Hauptvereins“, so Sturn, „ist in der heutigen informationsüberfluteten Zeit sicher manchmal nötig, um wahrgenommen zu werden“.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Karl-Georg Rötter
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • P. L.
    daß er nicht im Trubel der rechstreaktionären vermeintlichen Idylle einer AfD eingenommen wird. Dieser Verein besteht i.d.R. aus älteren gutsituierten und - versorgten Herrschaften die sich in ihrer vermeintlichen Chaiselounge-Idylle noch nie so richtig mit dem täglichen Leben auseinandergesetzt haben.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • A. S.
    Diese sogenannte gendergerechte Sprache wird vom VDS völlig zu Recht als Sprachpanscherei angegriffen, der Sprachwandel wird hier scheinheilig als Argument vorgebracht, allerdings soll genau dieser erzwungen werden, um dieser Ideologie gerechtwerden zu können.
    Schade, dass dieser Preis mit dieser Begründung abgelehnt wurde.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Welchen Zustand einer Sprache soll man "bewahren"? Den von 250 n.Chr., als dem hiesigen Sprachraum lateinische Lehnworte wie Fenster oder Essig beschert wurden, im Mittelalter, als aus dem Arabischen Admiral, Gitarre oder die Zahl 0 einflossen, den aus dem Zeitraum der Französischen Revolution, als das Deutsche von Alleen und Desserts verfälscht wurden, oder eben unsere Zeit, die sicher unter dem Einfluss vieler Sprachen und Sprecher sich weiter entwickelt? Wer bewahrt, darf sich Entwicklungen nicht verschließen oder er versteinert.
    Würzburg liest will das Interesse an Literatur in Würzburg weiter entwickeln. Das ist ein Prozess, kein Zustand. Deshalb musste der Preis der (selbsternannten?) Sprachbewahrer*innen (= gentrifizierte Sprache) abgelehnt werden. Übrigens demokratisch. Und der Begriff kommt aus Griechenland.
    Jörg Nellen, Schulbeauftragter von Würzburg liest
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • N. T.
    Sprache ist natürlich etwas "bewegliches" und das ist ja auch gut so. Man merkt es bei einem Bekannten, der seit 30 Jahren in Kanada lebt und dem bei einem Heimatbesuch hier so manches Wort (noch) nicht gebräuchlich ist.
    Mir ging es darum, ohne jegliche Not Begriffe und Worte einzuführen, die einer Mehrzahl der Menschen nicht gebräuchlich sind. Machen wir doch mal eine Umfrage, wieviel Menschen z.B. ihre Telekom-Werbung noch verstehen. Ich finde den Weg, den Frankreich eingeschlagen hat, einfach besser, denn dort wird zumindest im öffentlichen Leben (Staat, Gemeinden und staatseigene Betriebe) die französische Sprache als Amtssprache schlichtweg verordnet.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • N. T.
    ich kenne den verleihenden Verein und seine Ideologie nicht.
    Aber was ist schändlich daran, wenn man sich für die Bewahrung unserer Sprache engagiert ? Ichfinde die möchtegern Anglizismen oder soll ich sagen das Denglisch einfach schrecklich. Beispiele : Infopoint, DB-Headquarter in Berlin, Callcenter, "Sale", bike and ride oder auch öffentliche Hinweisschilder, die ins "Centrum" weisen
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten