Literaturfreunde der Stadt wählten wieder ein Buch mit Würzburg-Bezug, um das sie unter dem Motto "Würzburg liest ein Buch" bis zum Frühsommer einen bunten Kranz von Veranstaltungen flechten. Am Mittwochabend stellten sie die druckfrischen Exemplare erstmals in großem Kreis öffentlich vor, in der Stadtbücherei: "Das Weib denkt." – der definitive Punkt gehört zum Titel. Autorin ist Elisabeth Dauthendey, die älteren Halbschwester des recht bekannten Dichters Max Dauthendey.
"Essays, Novellen, Gedichte und Märchen einer frühen Frauenrechtlerin" lautet der Untertitel. "Früh" meint: Die Autorin lebte von 1854 bis 1943, die Texte stammen aus den Jahren 1894 bis 1937, wurden von Daniel Osthoff zusammengestellt und vom Verlag Königshausen & Neumann auf 312 Seiten für einen Ladenpreis von 16 Euro gewissermaßen als Volksausgabe gedruckt.
Bei der Präsentation im Stabü-Lesecafé traf sich der Verein "Würzburg liest" mit Teilnehmern am Dauthendey-Festival im nächsten Juni und mit Leuten, die sich interessieren, dazu etwas beizutragen. Zwecks Einführung unterhielten sich auf dem Podium Stadtbibliothekarin Martha Maurer, der Antiquar Daniel Osthoff, die Literaturwissenschaftlerin Petra Zaus und Jörg Nellen, der unter anderem den "Würzburg liest"-Schulwettbewerb organisiert.
Elisabeth Dauthendey: Eine zu Unrecht Vergessene
Maurer verriet eingangs, dass die Stadtbücherei Werke von Elisabeth Dauthendey derzeit nicht ausleihen könne – "noch nicht". Die Autorin sei "eine Vergessene". Zu Unrecht, konnte Maurer ihren Chef, OB Christian Schuchardt, zitieren. Der Schirmherr der Aktion fehlte beim Kampagnenstart sitzungsbedingt, doch er hat sich soweit in sein Neben-Amt eingearbeitet, dass er weiß: "Man muss sich etwas in ihren Stil einlesen", und Elisabeth Dauthendey gehörte "zu den aktivsten Frauenrechtlerinnen ihrer Zeit" – wobei bis heute nicht all ihre Ziele erreicht seien. Das macht denn auch ihre Aktualität aus.
"Warum ist das Leben für das Weib ein ganz anderes Ding als für den Mann? Das will es wissen", das Weib; so lautet eine Passage in "Geschlechter". Mit der entsprechenden Wortwahl für den Buchtitel tat sich der Verlag ein wenig schwer, hieß es. Klar, dass sich streng Gendernde am "Weib" stoßen werden. "Würzburg liest" rückt jedoch ins Bewusstsein, dass Sprache historisch betrachtet werden muss.
Ebenso wichtig ist der Kontext einzelner Aussagen. Viele Dauthendey-Sätze reproduzieren Geschlechter-Stereotypen. Man muss sich durch den Aufsatz "Die urnische Frage und die Frau" durchkämpfen, um zu verstehen, dass er 1906 ausgerechnet in Magnus Hirschfelds "Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen" erschien.
Streiterin für das Recht der Frauen auf Bildung
Die Literaturhistorikerin Petra Zaus sprach von der "enormen stilistischen und thematischen Bandbreite" der Lehrerin Dauthendeys, die sich mangels eines Universitätsstudiums "alles selbst aneignen" musste und daraus dann "etwas Neues entwickelt" habe. Oft spiele sie auf Kunstmärchen der Romantik an, auf die "Dekadenzliteratur" von Joris-Karl Huysmans und Thomas Mann, auf den Poetischen Realismus eines Theodor Fontane. Ihr kleiner Bruder Max teilte mit, er habe Elisabeth "nie ohne ein Buch in der Hand" gesehen. Demgemäß setzte sie sich stark für das Recht der Frauen auf Bildung ein.
Von der Uraufführung eines Theaterstücks mit polit-prominenter Besetzung bis zu thematischen Stadtführungen reicht der geplante Veranstaltungsreigen vom 16. bis 25 Juni. Gern hätten die Veranstalter noch Gartenbesitzer, in deren Grün Gedichte gelesen werden. Dabei sind sie offen für weitere Anregungen. Wer sich für Daniel Osthoffs lange Ideenliste interessiert, wer sie einsehen – oder verlängern – möchte: www.wuerzburg-liest.de.