So war es in den letzten Wochen immer wieder zu hören. „Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“ So jubelt schon der Apostel Paulus mit den Propheten Israels. Auch jeder Frühling ist ein Sieg des neuen Lebens über den Tod. Grün sprießt überraschend auf, wo es schlammig braun gewesen ist. Knospen an den Bäumen springen auf. Vögel singen und bauen Nester. Es ist kein Zufall, dass sich Osterschmuck und Frühlingssymbolik oft verbinden. Auch ich habe davon gepredigt, im Unterricht darüber gesprochen.
Doch je länger Ostern dieses Jahr nachklingt, umso deutlicher schält sich mir ein Zweifel heraus. Ostern als Sieg des Lebens über den Tod – ist das nicht zu wenig? Der Apostel jubelt ja nicht, weil sich neues Frühlingsgrün Bahn bricht. Weil sich das große Rad von Vergehen und Werden wieder einmal weitergedreht hat, aus Kompost neue Blüten sprießen. Was bringt mir ein Sieg des Lebens, wenn mein eigenes Leben trotzdem untergeht und bestenfalls zum Dünger wird für den Neuanfang?
Nein, Ostern ist ein Mensch vom Tod zurückgekehrt. Jesus ist sein Name, der Sohn der Maria, aufgewachsen in Nazareth. Die Mächtigen seiner Zeit hatten sich verbündet mit dem Tod, um ihn endgültig loszuwerden. Genau dieser Jesus und kein anderer ist an Ostern von den Toten zurückgekehrt. Das Grab konnte ihn nicht halten, der Tod musste ihn wieder hergeben.
Deswegen feiern wir an Ostern nicht nur den Durchbruch blinder Lebenskräfte durch die Befestigungen des Todes. Oder einen neuen Begeisterungsschub für die Jüngerinnen und Jünger Jesu. Das alles gehört mit hinein in die Osterbotschaft. Aber wenn Menschen im Vertrauen auf die Osterbotschaft dem Tod trotzig die Stirn bieten können, liegt das nicht nur daran, dass das Leben irgendwie immer weitergeht. Oder die Sache Jesu immer neu Begeisterte findet. Sie trotzen dem Tod in der Hoffnung, als unverwechselbare Personen bewahrt zu werden. Auferstehung in ein neues Leben hinein, ein Leben bei Gott. Der Tod wird auch uns wieder hergeben müssen.
Wenn wir das frühlingshafte Leben sehen, das sich um uns herum neue Bahn bricht, interessiert es sich nicht für das Individuum. Es geht verschwenderisch mit den Lebewesen um. Der einzelne Same und die einzelne Blüte, das einzelne Vogelküken oder Kaninchenjunge hat für das Leben selbst keinen Wert. Auch der einzelne Mensch. Deswegen ist ein Sieg des Lebens allein noch keine frohe Botschaft für mich und dich.
Aber Gott ist nicht nur Lebensmacht, sondern die Liebe. So kommt der Ostersieg über den Tod auch einmal uns zugute. Als Gottes geliebten Kindern – als unverwechselbaren Personen mit Namen und Beziehungen, Erinnerungen und Gefühlen. So wie damals Jesus, der gekreuzigte Zimmermann aus Nazareth.
Der Autor: Dr. Tobias Graßmann gehört zur Gethsemanekirche Würzburg. Er ist Pfarrer am Heuchelhof.