Gerne erinnere ich mich an das Treppenhaus des Münchner Priesterseminars. Über die Stockwerke verteilt hingen zwölf Tafeln mit den Bildern der Apostel. Unter jedem war jeweils ein Spruchband mit einem Artikel des Glaubensbekenntnisses zu lesen, sodass es genau auf die zwölf Apostel aufgeteilt war. Diese Darstellung wird auch „Apostelcredo“ genannt. Als Urheber gilt der Kirchenvater Rufinus von Aquileia. Der schrieb im vierten Jahrhundert, nach Pfingsten hätten sich die zwölf Apostel noch einmal getroffen. Um vor ihrer Aussendung in die Welt sicherzugehen, dass alle den gleichen Glauben verkünden, hätte jeder von ihnen einen für ihn wichtigen Satz beigesteuert. So sei das „Apostolische Glaubensbekenntnis“ entstanden.
Wir wissen heute, dass die Entstehung des Credos wesentlich komplizierter war, als es Rufinus schilderte. Dennoch kann ich dieser Überlieferung viel abgewinnen. Sagt sie uns doch erstens, dass keiner alleine glauben kann. Der Glauben braucht die Kirche als Überlieferungsgemeinschaft, die sich ihrer Überzeugung immer wieder gemeinsam versichert.
Der Glaube braucht zweitens Menschen, die wie die Apostel für ihn einstehen und ihn unverkürzt weitergeben. Und dass jeder der Apostel nur einen Satz beigesteuert hat, heißt für mich drittens, dass in jedem Glaubensleben nicht immer alle Artikel des Credos gleich bedeutsam sind. Erst die Lebenserfahrung lehrt uns, die Bedeutung eines Glaubenssatzes in seiner Tiefe zu ermessen. Den Satz „Hinabgestiegen in das Reich des Todes“ weiß nur der zu erfassen, der selbst durch die Hölle gegangen ist. Das Bekenntnis zur „Vergebung der Sünden“ kann hingegen nur der schätzen, der gegen alle Erwartung Vergebung erfahren hat.
Es lohnt sich, das Glaubensbekenntnis Satz für Satz zu meditieren. Kein Satz ist zu viel und keiner zu wenig. Nur in ihrer Gesamtheit bilden sie die Fülle der Heilsgeheimnisse des dreifaltigen Gottes ab. Von Frère Roger, dem Gründer der Gemeinschaft von Taizé, stammt der Rat „Lebe vom Evangelium das, was du verstanden hast, und wenn es noch so wenig ist, aber lebe es.“ Man könnte auch sagen: „Lebe vom Glaubensbekenntnis das, was du verstanden hast, und wenn es noch so wenig ist, aber lebe es“.
Wenn wir diesem Rat folgen, wird im gemeinsamen Zeugnis aller Gläubigen im Heiligen Geist das Angesicht der Erde erneuert. Denn der Geist ist es, der uns die Schönheit und den Trost des Glaubens immer neu aufschließt. In diesem Sinne wünsche ich uns allen von Herzen ein geisterfülltes und frohes Pfingstfest!
Der Autor: Franz Jung ist katholischer Bischof von Würzburg.