Wohnraum ist knapp in Würzburg. Vor allem bezahlbarer Wohnraum. Studenten, Auszubildende, Sozialhilfeempfänger und anerkannte Flüchtlinge buhlen um wenige freie Quadratmeter. Ein großer Markt, auf dem die Nachfrage perspektivisch kaum abnehmen wird. Eine Goldgrube für Vermieter?
Die Versuchung liegt nahe: Möglichst viel neuen und vor allem kleinteiligen Wohnraum schaffen, um damit möglichst vielen Menschen ein Dach über dem Kopf zu bieten. So auch geschehen in einem ehemaligen Wohn- und Geschäftshaus im Würzburger Stadtteil Grombühl. „Ursprünglich befanden sich 14 Mietparteien in dem Haus, mittlerweile sind es 120 Mieter“, behauptet eine ehemalige Bewohnerin. Sie möchte anonym bleiben.
Es entsteht nur wenig Wohnraum – das lässt die Mieten steigen
Der Mietmarkt in Würzburg ist angespannt. Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln hat vor kurzem Daten zum Anstieg von Marktmieten in Geschosswohnungen zwischen 2010 und 2016 veröffentlicht. „Angeführt wird die Liste von Berlin mit 26 Prozent, gefolgt von Würzburg und Offenbach mit jeweils 22 Prozent.
“ Hinzu kommt, dass in Würzburg in den vergangenen Jahren kaum neuer Wohnraum entstanden ist. Das ändert sich nun teilweise, etwa durch den Neubau von 500 Studentenapartments an der Grombühlbrücke oder durch neue Wohnungen am Platz'schen Garten. Ansonsten stößt die Nachverdichtung in der Innenstadt aber an ihre Grenzen.
Eine Folge der bisherigen Nachverdichtung und Umnutzung zeigt sich auch in dem Haus in Grombühl: Die Flure sind eng, schlängeln sich immer tiefer ins Innere des Gebäudes. Teilweise ist das Notausgangsschild die einzige Beleuchtung. Auf zwei Ebenen, die vormals als Keller- und Lagerräume gedient haben, reihen sich nun im Zweimeterabstand Türen aneinander. Gegenüber liegen an dürftig verkleideten Wänden Kabel und Rohre frei. Baustelle? Dauerzustand, wenn man der ehemaligen Bewohnerin glaubt.
Das Waschbecken direkt über der Kloschüssel
Ein Jahr hat Sabine R.* in dem Haus gelebt. Sie bewohnte ein mit etwa 30 Quadratmetern verhältnismäßig großes Zimmer, konnte aber beobachten, wie immer mehr Keller- und Lagerräume umfunktioniert wurden. Auch im Erdgeschoss entstanden kleine Kammern, die als Einzimmerwohnungen geführt werden – etwa zehn Quadratmeter groß. Inklusive einer Nasszelle, in der das Waschbecken aus Platzgründen direkt über der Kloschüssel angebracht ist, und einem Hochbett aus Sperrholz.
Timo M.* hatte eines dieser Zimmer gemietet. Inklusive Strom und Nebenkosten hat M. rund 300 Euro im Monat dafür gezahlt. Kurz vor seinem Auszug zeigt er seine zehn Quadratmeter und entschuldigt sich, dass alles so vollgestopft ist.
Lüften gestaltet sich schwierig
Die Luft ist stickig, verbraucht, abgestanden. M. fällt das nicht mehr auf: "Wenn ich lüften will, muss ich meine Wohnungstüre und die Notausgangstüre am Ende des Hausflurs aufmachen“, sagt er. Er kann zwar ein Fenster öffnen, Frischluft gibt es dadurch jedoch kaum. Direkt vor dem Fenster befindet sich eine Glasfront zur vierspurigen Auverastraße hin.
Das gesamte Haus werde durch elektrische Belüftungsanlagen mit Frischluft versorgt, entgegnet der Leiter der Hausverwaltung auf Anfrage der Redaktion. Auch er möchte seinen Namen nicht genannt haben.
Wie steht es um den Brandschutz?
Eigentlich war Timo M. ganz froh, als er das Zimmer damals mieten durfte. Lange hat er gesucht, nichts gefunden. Hier hatte er trotz der beengten Platzverhältnisse alles, was er braucht – sogar „Wascheinrichtungen“ waren im Mietvertrag in den Nebenkosten eingerechnet. Eine Waschmaschine konnte er jedoch nur für kurze Zeit nutzen. Dann waren die drei zur Verfügung stehenden Maschinen defekt.
Die drei Maschinen stehen in einem fensterlosen Kellerraum gegenüber der Wohnungen auf Ebene -2. Verdreckter Boden, Löcher in der Betonwand, ein handgeschriebener Zettel an einer der Waschmaschinen: „Jetzt sind ALLE kaputt“.
Sabine R. sagt, die Hausverwaltung wolle nach eigenen Angaben keine neuen Waschmaschinen anschaffen, weil der Raum nicht brandgeschützt sei. Es sei bereits zu einem Brand gekommen. „Das lässt den Verdacht aufkommen“, sagt die ehemalige Bewohnerin, „dass auch die Wohnungen auf dieser Etage nicht brandgeschützt sein könnten“.
Vermietet als Hobbyräume
Die Wohnungen auf dieser Etage bestehen aus drei Ebenen und besitzen ein schmales Fenster direkt zur Auverastraße. Wie der Leiter der Hausverwaltung bestätigt, werden die Wohnungen auf dieser Ebene -2 jedoch nicht als Wohnungen vermietet, sondern als „Hobbyräume“. „Aber da wohnen Leute“, gesteht er ein. Die Vermutung, dass die Räume nicht brandgeschützt sein könnten, weist er jedoch zurück. Es gebe außerdem auch Leitern in den Wohnungen, um im Notfall aus den Fenstern zu fliehen.
Bei einem Vor-Ort-Termin erklärt er, er habe sich dazu entschlossen, keine neuen Waschmaschinen anzuschaffen, weil die Mieter die Maschinen immer zu voll geladen hätten: „So kam es zu Kurzschlüssen.“ Generell werde vieles im Haus mutwillig zerstört. „Wir haben nun auch den Aufzug stillgelegt, weil Bewohner die Druckknöpfe beschädigt haben.“ Außerdem hätten Mieter die Lampen aus dem Aufzug für die eigene Wohnung geklaut. „Wir können ja nicht jede Woche neue Lampen installieren.“ Auch der Müll werde nicht richtig getrennt.
Immer wieder verstopfte Rohre
Über 100 Mieter seien es, bestätigt der Hausverwalter. Die Wohnungen in den Kellerebenen gehören der Hausverwaltung selbst. In den oberen Geschossen befinden sich 20 Wohngemeinschaften. Diese Wohnungen gehören privaten Investoren, die die Verwaltung jedoch nicht selbst übernehmen. „Es ist momentan einfach sehr interessant, in Würzburg zu investieren“, sagt der Mann. Und ja: Es sei ein lukratives Geschäftsmodell. „Aber wenn man sich den ganzen Ärger anschaut...“, beginnt er einen Satz, ohne ihn zu beenden.
Immer wieder gebe es verstopfte Rohre im Haus, erzählt der Mann. Eine Wohnung stand komplett unter Wasser. „Ganze Orangen waren da im Rohr“, sagt der Hausverwalter.
Beschwerde bei der Bauaufsicht
Mit Wasser hat auch Sabine R. ihre Erfahrungen im Haus gemacht: Sie erzählt, dass in ihrer Wohnung lange Wasser von der Decke kam. „Immer wenn in der Wohnung über mir geduscht wurde, hat es getropft“, sagt sie. Ein wenig sucht sie heute den Fehler auch bei sich selbst: Sie habe zwar direkt Bescheid gesagt. Als dann aber über Monate nichts passiert sei, habe sie auch nicht weiter nachgehakt oder mit Mietminderung gedroht. „Denn wenn es darum ging, waren sie eigentlich immer sehr schnell.“
R. hat all das hinter sich gelassen. Sie hat sich mit einer Beschwerde an die Bauaufsicht der Stadt Würzburg gewandt. Darin bezweifelt sie, dass für die Umnutzung der vorherigen Keller- und Lagerräume eine Genehmigung vorhanden ist. Außerdem schlägt sie „zum Schutz der Mieter des Hauses“ eine Überprüfung „im Hinblick auf Brandschutzbestimmungen und Bauweise“ vor.
Stadt: Das Objekt ist bekannt
Seitens der Stadt heißt es, das Objekt sei bekannt und das Thema sei seit längerem in Bearbeitung. „Es laufen aktuell Gespräche“, sagt der Pressesprecher der Stadt Würzburg Christian Weiß. In der Bauaufsicht werde das Thema mit dem nötigen Augenmaß bearbeitet.
Insofern kann noch nicht abschließend beurteilt werden, was genau die Reaktionen auf die Beschwerde von Frau R. sein können. Sollte sich jedoch herausstellen, dass der Brandschutz im Gebäude nicht gewährleistet ist, könnten die Bewohner schon bald auf der Straße stehen. Der Vermieter wäre gezwungen, sein Geschäftsmodell zu überdenken.
* Namen von der Redaktion geändert.
Ob das Haus dann verkauft wurde, entzieht sich meiner Kenntnis, falls nicht, wäre ich über diese Zustände nicht überrascht.
Bei so vielen Studenten und Flüchtlingen muß es nicht verwundern das die Wohnunssituation in Wü so angespannt ist, das auch solche Wohnungen einen Mieter finden!