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WÜRZBURG
Wo der Dialekt keine echten Grenzen kennt
Monika Fritz-Scheuplein
Foto: UDI | Monika Fritz-Scheuplein
Von unserer Gastautorin Monika fritz-scheuplein
 |  aktualisiert: 27.04.2023 06:44 Uhr

Wenn man von der Region Franken spricht, versteht man darunter die drei bayerischen Regierungsbezirke Ober-, Mittel- und Unterfranken. Die gesprochenen Dialekte bezeichnet man häufig als Ober-, Mittel- oder Unterfränkisch oder auch ganz allgemein als Fränkisch. Die Mundartforschung verwendet jedoch den Begriff Ostfränkisch, der sich aus der lateinischen Bezeichnung „francia orientalis“ ableitet. Das Ostfränkische gehört – wie übrigens auch das Bairische – zu den oberdeutschen Mundarten, im Gegensatz zum westlich und nördlich angrenzendem Rheinfränkisch-Hessischen oder Thüringischen, die zu den mitteldeutschen Mundarten zählen.

In Franken wird vor allem Ostfränkisch gesprochen. Die ostfränkischen Mundarten gliedern sich in drei große Sprachräume: in das Oberostfränkische, das vor allem in Ober- und Mittelfranken verbreitet ist, in das Unterostfränkische, dessen Verbreitungsgebiet hauptsächlich in Unterfranken liegt, und in das Südostfränkische, das im Westen Mittelfrankens, im Rothenburg-Feuchtwanger Raum, zu finden ist.

Die politischen Grenzen der fränkischen Regierungsbezirke stimmen jedoch nicht völlig mit den Grenzen des Ostfränkischen überein: So gibt es im Westen und Nordwesten Unterfrankens einen Streifen, in dem Rheinfränkisch-Hessisch gesprochen wird, in einem Zipfel von Oberfranken ist nördlich von Kronach die thüringische Mundart verbreitet. Dort, wo Ober- und Mittelfranken an die Oberpfalz und Oberbayern grenzen, redet man Bairisch, und es gibt sogar einen kleinen schwäbischen Sprachraum im äußersten Südwesten von Mittelfranken. Im Folgenden wird das Ostfränkische als zentrale Mundart Frankens im Mittelpunkt stehen.

Die sogenannte „appel-apfel-Linie“

Die wichtige Sprachgrenze, die die mitteldeutschen Dialekte von den oberdeutschen Dialekten trennt (die sogenannte Germersheimer Linie), verläuft durch Unterfranken. Deshalb heißt es zum Beispiel in Aschaffenburg auf Rheinfränkisch-Hessisch appel und in Würzburg auf Unterostfränkisch apfel – ebenso wie im sonstigen Ostfränkischen und auch im Bairischen. Diese sogenannte „appel-apfel-Linie“ durchläuft den Spessart, der als großes Waldgebiet eine naturräumliche Barriere darstellt(e). Außerdem gehörten die unterfränkischen Territorien westlich des Spessarts früher zum Bistum Mainz und östlich des Spessarts zum Bistum Würzburg. Diese kirchlich-politische Grenze schlägt sich auch heute noch in der Sprache der Bevölkerung nieder.

Warum aus bruoder bruuder wurde

Im Mittelhochdeutschen hieß es noch lieb (ie ist hier als Doppellaut aus den Vokalen i und e zu sprechen), bruoder und füeze. Die Doppellaute ie, uo und üe sind in der neuhochdeutschen Schriftsprache zu einem langen ii, uu und üü geworden. Auch im Rheinfränkisch-Hessischem und im Oberostfränkischen spricht man diese einzelnen Vokale, es heißt liib, bruuder, füss/füüs. Rund um Aschaffenburg und Alzenau hört man statt ü auch oft ein i. Bei diesem Phänomen handelt es sich um eine sogenannte Entrundung.

Wenn man also beim ü die Lippenrundung wegnimmt, erhält man ein i, das heißt durch die Entrundung wird aus füss das Wort fiss. Entrundung ist ein typisches Merkmal der rheinfränkisch-hessischen Mundart, so spricht man auch beise statt böüse (für böse) oder beem statt bööm (für Bäume). In der unterostfränkischen und südostfränkischen Mundart sind die Diphthonge ie, ue und uo charakteristisch, man hört lieb, brueder und fües. Fürs Nordbairische dagegen sind die sogenannten gestürzten Diphthonge typisch, so spricht man leib, brouda und feis. Die Entwicklung des germanischen ë charakterisiert ebenfalls die Dialekte in Franken. Als Beispiel dient das Wort Nebel. Im Rheinfränkisch-Hessischem kommt ein kurzes ä vor, in Aschaffenburg gibt es näwwel. In der unterostfränkischen Mundart wird germanisch ë zu einem langem aa – in Güntersleben (Landkreis Würzburg) sagt man naawel. Im Oberostfränkischen kommt überwiegend ein langes ee vor (zum Beispiel Flachslanden im Landkreis Ansbach: neewel), daneben auch langes ää (Oberscheinfeld im Landkreis Neustadt an der Aisch: nääwel). Im Südostfränkischen heißt es wie im Oberostfränkischen neewel mit langem ee (zum Beispiel Schopfloch neewel) und auch im Nordbairischen entwickelt sich germanisch ë zu einem langen ee.

Anhand des Beispielsworts Nebel lässt sich noch ein Merkmal feststellen, dass für die Dialekte in Franken typisch ist: Das b wird zwischen zwei Vokalen zum w. Dieses Phänomen, die sogenannte Spirantisierung, ist sowohl im Rheinfränkisch-Hessischem, Unterostfränkischen, Oberostfränkischen, Südostfränkischen als auch Nordbairischen zu beobachten. Für Schnabel, Taube, Stube oder Abend sagt man beispielsweise in Güntersleben (Landkreis Würzburg) schnoowl, dauwe, schduuwe und oowed. Im Oberostfränkischen gibt es allerdings auch Gebiete, in denen der Verschlusslaut b bleibt, wie zum Beispiel um Ansbach, Coburg oder Hof.

So niedlich, so anders

Vor allem in der gesprochenen Sprache fügt man gerne das Merkmal „klein“ oder „niedlich“ zu Substantiven hinzu, indem man die Verkleinerungsform bildet. Dafür gibt es zwei Endungen: -chen und -lein. Die Endung -chen ist in den niederdeutschen und mitteldeutschen Mundarten üblich, die Endung -lein in den oberdeutschen. Im rheinfränkisch-hessischen Dialekt, der zu den mitteldeutschen Dialekten gehört, ist die Endung -sche typisch. So heißt es westlich des Spessarts in Aschaffenburg määdsche, händsche, schdiilsche oder briggelsche (für Mädchen, Händchen, Stühlchen und Brückchen).

In den oberdeutschen Dialekten hört man für die Endung –lein im Ostfränkischen die Form -le und im Bairischen die Form -(er)l. Im unterostfränkischen Güntersleben in der Nähe von Würzburg hört man määdle, handle, schdüela und brüggle. Im östlichen Teil Frankens, in dem der bairische Spracheinfluss hörbar ist, herrscht die Form -(er)l vor. Als typisches Beispiel dient der Ort Happurg bei Nürnberg, dort lauten die Verkleinerungsformen moidal, händal, schdülla und briggl.

Von Quark-Gebieten und Schluckauf

Eines der auffälligsten Merkmale einzelner Mundarten sind die Wörter, die man für die Dinge des Alltags, des täglichen Lebens, des Handwerks und der Landwirtschaft verwendet. So wie zum Beispiel „Quark“ und „Schluckauf“. Westlich des Spessarts, im Rheinfränkisch-Hessischen, sagt man zum Milchprodukt (Käse-)Matte. In den ostfränkischen Mundarten spricht man von Käs, wobei unterschiedliche Bestimmungswörter verwendet werden.

Von Kääs zu Kaas

Im Unterostfränkischen nennt man diesen Quark vorwiegend Bieberleskäs und im Oberostfränkischen und Südostfränkischen Ziebeleskäs. Die Bestimmungswörter Bieberles und Ziebeles stehen für Küken, das heißt dieser Quark diente auch als Futter für junge Hühner. Das Ziebeleskäs-Gebiet ragt über die Grenzen Frankens nach Oberbayern hinein. Im Nürnberger Raum gibt es auch ein „Quark-Gebiet“, zum Beispiel heißt es in Happurg gvarg. Das typische Wort für diesen Frischkäse ist im Bairischen jedoch Topfen beziehungsweise Topfkäs. Ergänzen muss man an dieser Stelle, dass die Aussprache des Vokals ä in Käsematte, Bieberleskäs und Ziebeleskäs dialektal sehr unterschiedlich ist: Im Rheinfränkisch-Hessischen wird es zu einem langen geschlossenen ee: In Aschaffenburg ist es also der Kees. Im Unterostfränkischen heißt es überwiegend Kaas, im Oberostfränkischen Kees. Im Übergangsgebiet zwischen Unter- und Oberostfränkisch hört man auch Kääs. Der Begriff Kaas ist auch typisch für das Nordbairische, allerdings klingt dieses lange aa heller als das neutrale aa im Unterostfränkischen. Für den Schluckauf sind in Franken vor allem die Ausdrücke Schlucker und Hätscher verbreitet. In Unterfranken ist der Schlucker verbreitet, der im Rheinfränkisch-Hessischen mit dem Umlaut ü als Schlücker/Schlückser vorkommt.

In Aschaffenburg ist es folglich der schliggse, der einen plagt, in Alzenau (nördlich von Aschaffenburg) der schligge, im unterostfränkischen Güntersleben nennt man das Phänomen schlugger. Im Oberostfränkischen ist der Hätscher bekannt, zum Beispiel in Flachslanden (Lkr. Ansbach) als hädsche. Im Südostfränkischen gibt es den Häcker, zum Beispiel in Schopfloch (ebenfalls Lkr. Ansbach) häggr. Auch in Oberbayern ist das Wort Hätscher bekannt. Charakteristisch für die bairischen Dialekte ist allerdings das Wort Schnaggla.

Reise durch Franken und die Dialekte

Franken gliedert sich in fünf größere Sprachräume (ohne den Schwäbischen Übergangsstreifen), wobei der unterostfränkische und oberostfränkische Sprachraum flächenmäßig stark dominieren. So gesehen kann man auch sagen, dass Franken – wenn man die Übergangsgebiete an seinen Rändern vernachlässigt – zweigeteilt ist: in eine westliche und östliche Hälfte.

Wenn man von Aschaffenburg im Nordwesten nach Weißenburg im Südosten reist, startet man im Rheinfränkisch-Hessischen, einem mitteldeutschen Dialekt, überquert im Spessart die Grenze zu den oberdeutschen Mundarten, durchquert das Unterostfränkische mit Würzburg als Zentrum, fährt in der Höhe des Steigerwaldes in den Oberostfränkischen Sprachraum hinein und beendet schließlich seine Reise im nordbairischen Sprachgebiet um Weißenburg herum. Um auch in den Südostfränkischen Sprachraum zu gelangen, muss man einen Abstecher in den Westen Mittelfrankens einplanen.Zwischen dem Rheinfränkisch-Hessischen, Unterostfränkischen, Oberostfränkischen und Nordbairischen sind (fast) immer deutliche Unterschiede festzustellen.

Mehr über die Dialekte in Franken gibt es auf der Website des Instituts.

 
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