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WÜRZBURG
Wird das "Luftschloss" heimatlos?
Angebot draußen: Im Sommer wird auch der Platz vor der Halle genutzt.
| Angebot draußen: Im Sommer wird auch der Platz vor der Halle genutzt.
Pat Christ
Pat Christ
 |  aktualisiert: 03.12.2019 08:39 Uhr

Die Kündigung kam völlig unerwartet. „Seit einer Woche wissen wir, dass wir Ende Oktober ausziehen müssen“, sagt Michaela Keupp vom Umsonstladen „Luftschloss“. Warum? Über diese Frage kann das Team nur spekulieren: „Im Brief stand keine Begründung.“ Daraufhin schrieben die „Luftschlösser“ an den Vermieter mfi. Man will versuchen, den Grund für die Kündigung herauszufinden, um vielleicht doch noch gegensteuern zu können.

Wie sie mit dem drohenden Aus am Standort Hauptbahnhof umgehen sollten, darüber grübelten die „Luftschloss“-Mitglieder vergangenen Donnerstag bei einem Orga-Treffen. Die Meinungen gehen auseinander, mehrere Strategien werden angegangen. Michaela Keupp appelliert an Vermieter mit leer stehenden Räumlichkeiten, dem „Luftschloss“ eine neue Heimat zu geben.

 

Ihr Mitstreiter Dietmar Kaiser wünscht sich eine „Brieflawine“ von vielen „Luftschloss“-Sympathisanten an mfi mit der Bitte, den Umsonstladen in den etablierten Räumen zu belassen.

„Es wird sicher nicht leicht, den Umsonstladen an einem anderen Standort neu aufzubauen.“
Simone Kaupp Vorstandsmitglied

Der drohende Auszug wird auch leitmotivisch das traditionelle Sommerfest des Umsonstladens durchziehen. Am 15. August sind alle, die das „Luftschloss“ mögen oder kennen lernen wollen, zur Feier eingeladen. „Es wird diesmal eine 'Kündigungsparty? werden“, sagt Dietmar Kaiser. Mit Workshops, Live-Musik – und, so hofft er, vielen Solidaritätsbekundungen für das Team des Umsonstladens.

Auch die Kunden reagieren mit Unverständnis auf die unheilvolle Nachricht, dass die Räume in den Posthallen wohl bald Geschichte sein werden. „Ich bin sehr traurig“, sagt eine 61-jährige Stammkundin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Sie habe schon viele gute Sachen aus dem „Luftschloss“ erhalten: „Etwas zum Anziehen, eine Lampe, einen Topf.“

Als Gegenleistung begann sie, das „Luftschloss“-Team mit selbst gebackenem Kuchen zu beglücken. „Eines Tages wurde ich gefragt, ob ich auch einen veganen Kuchen backen kann.“ Stundenlang recherchierte die Würzburgerin im Internet. Dann startete sie ihr erstes veganes Backexperiment. Heraus kam ein Schoko-Kokos-Kuchen, der heute zu ihren liebsten Backrezepten zählt. Sie sei glücklich, in Kontakt mit der veganen Backkunst gebracht worden zu sein.

„Hier gibt es nicht nur Waren“, kommentiert Dietmar Kaiser. „Mindestens ebenso wichtig ist, dass Menschen im 'Luftschloss? in Kontakt mit Ideen kommen und anderen Menschen begegnen.“ Dabei gebe es immer viel zu lernen. Zum Beispiel darüber, was man alles aus alten Sachen machen kann. Oder auch, wie man alte Räder aufmöbelt.

Dies geschieht in der Initiative „Freirad“, das ins „Luftschloss“ integriert ist. Hinter den Warenräumen befinden sich eine Werkstatt und ein Lager für das Projekt. Auch dies würde wegfallen, würde die Kündigung durchgezogen. Gerade mit Blick auf das „Freirad“ ist fraglich, ob es überhaupt eine Alternative gibt. Der bisherige Standort ist für die „Freiradler“ ideal: Bei schönem Wetter kommen alle draußen vor dem „Luftschloss“ zusammen, um zu schrauben.

Das „Luftschloss“ habe sich in den Posthallen gut etabliert, meint Vorstandsfrau Simone Kapp. Gab es anfangs noch oft Fragen: „Wo findet man euch bloß?“ sei der Weg nun bestens bekannt. Kapp: „Es wird sicher nicht leicht sein, den Umsonstladen an einem anderen Standort neu aufzubauen.“ Und doch ist sie nicht allzu pessimistisch: „Jeder Neuanfang birgt auch eine neue Chance.“

360 Euro zahlt der Umsonstladen bisher Miete. Über Spenden war der Betrag in den dreieinhalb Jahren seit der Gründung immer leicht aufzubringen. Die meisten Kunden, die etwas aus dem „Luftschloss“ mitnehmen, geben dafür freiwillig einen Obolus. „Wir haben außerdem einige Dauerspender, die regelmäßig etwas überweisen“ so Michaela Keupp.

Sollten neue Räume nötig werden, dürften die nicht mehr als 400 Euro kosten. Wobei man bereit sei, sich mit der Fläche zu verkleinern. Allerdings wäre es auch nicht schlecht, größere Räume irgendwo in der Innenstadt oder einem gut erreichbaren Stadtteil zu erhalten, so Vorsitzender Juri Geng: „Dann könnten wir uns erweitern.“

Fährt das „Freirad“ weiter? Auch das Rad-Projekt ist betroffen.
| Fährt das „Freirad“ weiter? Auch das Rad-Projekt ist betroffen.
Keine Luft mehr fürs „Luftschloss“: Ende Oktober soll der Umsonstladen seinen etablierten Platz in den Posthallen verlassen. S: PAT CHRIST
Foto: Foto | Keine Luft mehr fürs „Luftschloss“: Ende Oktober soll der Umsonstladen seinen etablierten Platz in den Posthallen verlassen. S: PAT CHRIST
 
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