Wer als dritter Sohn einer Herrscherfamilie zur Welt kommt, hat in der Regel keine Aussichten auf den Thron. Das gilt auch für Luitpold Karl Joseph Wilhelm von Bayern, als er am 12. März 1821 in Würzburg in der Residenz geboren wird. Doch als „Prinzregent“ geht er in die bayerischen Geschichtsbücher ein.
Was also bleibt – 200 Jahre nach seiner Geburt – vom spätberufenen Quasi-König außer der Prinzregententorte? Was sollte man an seinem Geburtsort in Unterfranken über ihn wissen? Der Historiker Dr. Stefan März hat gerade eine kleine Biografie Luitpolds verfasst – und gibt Auskunft.
Frage: Was sollten Würzburger über Prinzregent Luitpold heute unbedingt wissen?
Dr. Stefan März: Hier ist durchaus ein wenig Lokalpatriotismus angebracht. Der „edelste Sohn der Stadt Würzburg“, wie eine damalige Denkmalinschrift lautete, regierte das Königreich Bayern von 1886 bis zu seinem Tod im Jahr 1912 – und damit länger als jeder andere. Luitpold war in seiner Rolle als verfassungsmäßiger Vertreter zweier regierungsunfähiger Könige überaus beliebt und die „Prinzregentenzeit“ galt bald schon als Inbegriff der „guten alten Zeit“.
Welche Rolle spielte der Geburtsort – für Luitpold selbst und für die bayerische Geschichte?
März: Würzburg lag Luitpold sehr am Herzen, wenngleich er sich in seiner offiziellen Funktion natürlich allen bayerischen Städten und Regionen gegenüber gleichermaßen verpflichtet fühlen musste. Die Würzburger wiederum betrachteten den Regenten mit einigem Stolz als Sohn ihrer Stadt.
Wie war die Beziehung Luitpolds zu Würzburg – im Laufe seines Lebens?
März: Luitpold hat die ersten Jahre seiner Kindheit in seiner Geburtsstadt verbracht. Seine alljährlichen Jagden in Rohrbrunn gaben auch später häufig Gelegenheit zu Besuchen Würzburgs. Als junger Prinz hat er dort 1845 die englische Königin Victoria empfangen. Im Krieg von 1866 musste er seine unterfränkische Heimat sogar gegen Preußen verteidigen. Nach seinem Regentschaftsantritt hat ihn gleich die erste seiner offiziellen Landesreisen nach Würzburg geführt. Als der Deutsche Kaiser im Jahr 1897 die Stadt besuchte, zeigte ihm Luitpold stolz den Frankonia-Brunnen, den ihm die Würzburger anlässlich seines 70. Geburtstags gewidmet hatten. Und zum 80. Geburtstag spendierte ihm die Stadt dann eine von einer Säulenanlage umgebene Bronzestatue im Ringpark.
Welche Rolle spielte Luitpold damals für Würzburg?
März: Der Regent war volksnah! Er hat bei unzähligen direkten Begegnungen mit der Bevölkerung seine vielgerühmten Charaktereigenschaften erkennen lassen: Leutseligkeit, eine unprätentiöse Art und die Gabe, den richtigen Ton zu treffen. Sein repräsentativer Regierungsstil kann in seiner loyalitäts- und identitätsstiftenden Wirkung kaum überschätzt werden. Für Würzburg war der beliebte Prinz bereits zuvor eine wichtige Identifikationsfigur gewesen, die das Hereinwachsen in das Königreich wesentlich erleichterte.
Welche historische Rolle spielte Würzburg – welche Bedeutung hatte es vor 200 Jahren?
März: Würzburg gehörte ja endgültig erst seit 1814 dem Königreich Bayern an. Als Verwaltungsmittelpunkt des damaligen Untermainkreises und Standort einer Armeedivision nahm die alte Residenzstadt zwar schnell eine bedeutende Rolle im neuen Staat ein. Trotzdem befürchteten die Würzburger den höfischen Glanz, den man seit Jahrhunderten gewohnt war, an das ferne München verloren zu haben. Um dem entgegenzuwirken, residierte ab 1816 der beliebte bayerische Kronprinz mit seiner Familie in Würzburg – bis er 1825 als König Ludwig I. den Thron bestieg. Drei seiner Kinder, darunter eben auch Prinz Luitpold, kamen in Würzburg zur Welt.
Welche historische Rolle hat Luitpold dann in der unterfränkischen Geschichte – und in der bayerischen Geschichte?
März: Die historische Bedeutung des Prinzregenten liegt darin, dass er Bayern in einer kritischen Zeit des rasanten Aufbruchs in die Moderne stabilisiert hat. Als Integrationsfaktor hat er es einem breiten politischen und gesellschaftlichen Spektrum in allen Landesteilen ermöglich, sich als "königstreu" zu bezeichnen. Durch die zunehmende Mischung aus konstitutionellen, parlamentarischen und repräsentativen Elementen schien die Monarchie am Ende der "Prinzregentenzeit" überaus zukunftstauglich. Die Schrecken des bald auch über Bayern hereinbrechenden Ersten Weltkriegs waren da noch nicht zu erahnen.
Was ist für Sie das Besondere, Bedeutende, vielleicht auch Überraschende an Luitpold?
März: Luitpolds wechselhaftes und ebenso ereignis- wie anekdotenreiches Leben bietet den Stoff für einen Jahrhundertroman. Er ist sich zeitlebens treu geblieben und hat als Regent nie nach der Krone gegriffen – was mittels einer Verfassungsänderung durchaus denkbar gewesen wäre. Als er im Jahr 1912 im Alter von 91 Jahren starb, hatte er sich durch seine liebenswürdige Art und seine würdevoll-pflichtbewusste Amtsführung eine Popularität erarbeitet, von der seine königlichen Vorgänger nur träumen konnten.
Historiker Dr. Stefan März, Jahrgang 1980, hat in München und Paris Geschichte und Politische Wissenschaft studiert. Er ist Autor einer Reihe von Publikationen zur Geschichte des Königreichs Bayern.
Gerade ganz neu erschienen: "Prinzregent Luitpold - Herrscher ohne Krone" von Dr. Stefan März, aus der Reihe "Kleine bayerische Biografien", Verlag Friedrich Pustet Regensburg, 160 Seiten, 14,95 Euro.
Wenn der Prinzregent geahnt hätte, was später mit seinem schönen Würzburg geschehen und welches Leid die Naziherrschaft über die Welt und unser Land bringen sollte, wäre er wohl am Kummer gestorben.