"Es ist ein Brauch von Alters her: Wer Sorgen hat, hat auch Likör" – als Wilhelm Busch vor rund 150 Jahren seiner "Frommen Helene" diese Zeilen andichtete, konnte er nicht ahnen, dass aus dem Seelentröster für ältere Damen ein Trend werden sollte, der zunehmend auch in Franken traditionelle Schnapsbrenner erfasst. Einer von ihnen ist Stefan Steinmann aus Sommerhausen, der sich in seinem Familienbetrieb gemeinsam mit Frau Alexandra und Tochter Anna seit mehr als einem Jahrzehnt verstärkt der Kunst widmet, die süßen Früchte seiner Heimat in geistreiche Tröpfchen zu verwandeln. Und das mit einem solchen Erfolg, dass er vom jüngsten "Craft Spirits Festival" in Berlin gleich mit einem ganzen Sack voller Medaillen und Auszeichnungen zurückkehrte. Die höchste davon für seinen Quittenlikör als den besten Likör des Wettbewerbs.
Europas wichtigste Fachmesse
Das Festival bezeichnet sich selbst als Europas wichtigste Messe für handwerklich hergestellte Spirituosen. Neben Produzenten zieht sie vor allem Gastronomen, Fachhändler und Einkäufer an, die sich dort einen Überblick über das Geschehen auf dem Markt für feine Brände und Liköre verschaffen und Kontakte knüpfen wollen. 98 Brennereien und Likörmanufakturen aus 14 Ländern stellten sich dort Anfang März mit über 400 Produkten dem Urteil der Juroren. Neben der Goldmedaille und Auszeichnung "Best of Class" für ihren Quittenlikör erhielten Alexandra und Stefan Steinmann Silbermedaillen für ihren Lavendel- und Zwetschgenlikör sowie für ihren Mispellikör Auszeichnungen in Silber und Bronze. Außerdem wurden seine Geiste aus Waldhimbeeren und schwarzen Johannisbeeren, der Zwetschgenbrand und der Apfelbrand mit Wacholder mit Medaillen belohnt.
"Eigentlich ist Likör machen ganz einfach", sagt Alexandra Steinmann. Geschmacksgrundlage ist meist der Saft von Früchten. Dazu kommen Zuckersirup und Alkohol, in der Regel um die 20 Prozent. Fertig. Das Geheimnis, das daraus einen preiswürdigen Gaumenkitzel werden lässt, liegt in der Auswahl und Qualität der Zutaten, im richtigen Mischungsverhältnis und in der Lust am Probieren und Experimentieren. Winzermeister Stefan Steinmann greift dabei fast ausschließlich auf Obst aus eigenem Anbau zurück.
Als etwa die Mispel vor einiger Zeit zum "Baum des Jahres" gewählt wurde, hat er einen ganzen Acker mit dem fast in Vergessenheit geratenen Kernobst bepflanzt, dessen apfelähnliche Früchte erst einen Frost überstehen müssen, bevor sich ihr Aroma voll entfaltet. Auch die Schlehen stammen keineswegs von den wilden Hecken am Wegesrand, sondern von eigens angelegten Plantagen. "Es geht uns auch darum, seltene Sorten zu erhalten", sagt Alexandra Steinmann.
Erfahrung und Experimentierfreude
Für ihre Experimentierfreude spricht der Lavendellikör. Weil die mediterranen Lavendelbüsche, die sie unter den Weinbergspfirsichen gepflanzt hatte, auf dem kargen Weinbergsboden so gut gediehen, entwickelte Alexandra Steinmann eine Rezeptur, um den ätherischen Duft der blauen Blüten in einem Likör einzufangen. Wie ernst es ihr mit den edlen Bränden und Likören ist, beweist die Berufsausbildung zur Brennerin, die sie vor einigen Jahren absolvierte.
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen ausgezeichneten Likör ist der Alkohol. Die Steinmanns verwenden dafür nur eigene Destillate, wo immer möglich vom gleichen Obst. So wird der Quittenlikör mit Quittenbrand hergestellt und der Mispellikör mit Mispelbrand. Die natürlichen Aromen werden dadurch verstärkt, sagt Stefan Steinmann, die Schärfe des hochprozentigen Destillats durch die Süße der Frucht abgerundet.
Obwohl den Likören feste Rezepturen zugrunde liegen, entscheiden am Ende doch erfahrene Zungen über die genaue Zusammensetzung. "Die Sensorik ist ganz wichtig", sagt Stefan Steinmann. Jede einzelne Charge wird deshalb am Ende noch einmal genau abgeschmeckt und wenn nötig verändert. "Beim Obst ist jede Partie ein wenig anders, das Produkt sollte am Ende aber immer gleich schmecken." Dabei wird Alexandra Steinmann inzwischen tatkräftig von Tochter Anna unterstützt. Nach einer Ausbildung zur Winzerin sammelt sie zurzeit auf dem elterlichen Betrieb Berufserfahrung und will anschließend, wie ihre Mutter, eine Lehre als Brennerin anhängen.
Trend zu Likören und Mixgetränken
Die Zeichen für ihre berufliche Zukunft stehen gut, meint ihr Vater. Der Beliebtheit des Likörs hält an und hat durch den Trend zu Mixgetränken zusätzlichen Auftrieb erfahren. Das hätten ihm jüngst auch Bar-Kenner bestätigt, die Stefan Steinmann beim "Craft Spirits Festival" in der Hauptstadt kennen lernte. Dass die seine edlen Tropfen gerne mit anderen Zutaten und Essenzen mischen, stört den Likörmacher dabei nur wenig. "Mixgetränke schmecken auch besser, wenn man einen hochwertigen Likör dazu verwendet."