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Zell
Wie Kevin Kühnert im bayerischen Kommunalwahlkampf auftritt
Wie passen Arminia Bielefeld, Tennis Borussia Berlin und der FC Bayern zusammen? SPD-Vize Kevin Kühnert mag alle drei. Beim Wahlkampf in Unterfranken aber gibt's nur eins.
Juso-Bundesvorsitzender Kevin Kühnert unterstützt den jungen Zeller SPD-Bürgermeisterkandidaten Sebastian Rüthlein im Kommunalwahlkampf. 
Foto: Ivana Biscan | Juso-Bundesvorsitzender Kevin Kühnert unterstützt den jungen Zeller SPD-Bürgermeisterkandidaten Sebastian Rüthlein im Kommunalwahlkampf. 
Thomas Fritz
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:32 Uhr

Faschingsdienstag in Zell am Main: Von tollen Tagen ist hier nichts zu sehen. Gut so, denkt sich wohl Kevin Kühnert. Mit Fasching kann er nichts anfangen. Dem 30-Jährigen waren schon die Berliner - in Franken: Faschingskrapfen -, die Norbert Walter-Borjans am Montag bei der SPD-Präsidiumssitzung spendierte, zu viel. "Aber er ist eben Rheinländer durch und durch", sagt der Bundesvorsitzende der Jusos und SPD-Vize über den neuen SPD-Chef. 

Kevin wird als künftiger Kanzler gefeiert

Kein Karneval im rustikalen Zeller Kulturkeller - deshalb ist Kühnert guter Laune. Mit dem jungen  SPD-Bürgermeisterkandidaten, den er an diesem Abend zum ersten Mal trifft, stößt er gleich mit einer Flasche Bier an. Später spielt auch noch der FC Bayern. Dass ausgerechnet der junge Juso-Rebell Bayern-Fan ist, mag verwundern. Irgendwie passt das nicht zu einem Typen, der im Kapuzenpulli über Gemeinwohl spricht und für Underdogs wie Arminia Bielefeld und Tennis Borussia Berlin schwärmt. 

In Zell feiern die jungen Sozis am Dienstag "ihren" Kevin schon als den künftigen Kanzler. In der 4000- Einwohner-Gemeinde im Landkreis Würzburg ist völlig offen, wer am 15. März Bürgermeister und Nachfolger von Anita Feuerbach (CSU/Freie Zeller Bürger) wird. Die SPD versucht es mit einer jungen Liste, auf der alle Kandidaten unter 35 Jahre alt sind. Und mit dem 32-jährigen Sebastian Rüthlein, der in die Fußstapfen seines sozialdemokratischen Großvaters treten will. 18 Jahre lang war der hier Bürgermeister. 

Ein Seitenhieb auf Friedrich Merz

Wie kann Kevin Kühnert, der zuvor noch in Leipzig war und dort für den OB-Kandidaten Wahlkampf machte, weil dieser am Sonntag in den zweiten Wahlgang muss, seine Genossen in Bayern unterstützen? Der junge SPD-Vize setzt auf leise Töne. Kaum ein Wort über die Groko in Berlin, in die er mit der SPD erst gar nicht eintreten wollte. Und auch mit Frotzeleien über den politischen Gegner, wie sie zu Beginn der Fastenzeit in Bayern traditionell in den Aschermittwochshochburgen zu hören sind, hält er sich zurück.  

"Politik sitzt am längeren Hebel und kann Lobbyinteressen widerstehen."
Kevin Kühnert, Juso-Bundesvorsitzender

Nur am Anfang kurz ein Wort zur CDU. Im ICE nach Leipzig hat Kühnert die Pressekonferenz von Friedrich Merz in Berlin verfolgt. Merz will CDU-Vorsitzender werden - und sicher auch Kanzlerkandidat. Dass er dabei ausgerechnet für "Aufbruch und Erneuerung" stehen möchte, versetzt Kühnert nicht in Angst und Schrecken. "Noch mehr aus der Zeit kann man nicht gefallen sein als Friedrich Merz", sagt er und blickt auf seine jungen Parteigenossen im halbdunklen Gewölbekeller. "Hier bei euch, da sehe ich wirklich Aufbruch und Erneuerung."

Gerechte Bodenpolitik gefordert

Dann spricht er viel über eine Politik, die das Gemeinwohl wieder in den Vordergrund stellt und wie damit Gemeinden wie Zell zu leistungsfähigen Kommunen werden können. Er bemüht dazu den Mietendeckel in Berlin. "Der allein löst die Probleme nicht", weiß er, weil es auf den Mix mit anderen politischen Maßnahmen ankomme. Das Beispiel zeige aber, "das Politik am längeren Hebel sitzt und Lobbyinteressen widerstehen kann". 

Kühnert rät Gemeinden dazu, keinen Grund und Boden zu verkaufen. Ganz im Sinne des sozialdemokratischen Urgesteins Hans-Jochen Vogel setzt auch der Juso-Vorsitzende auf eine gerechte Bodenpolitik. Die Parteifreunde in Zell nicken zustimmend. Denn in ihrer Gemeinde gibt es gerade über diese Frage viel Zündstoff.

Kühnert will den ÖPNV über Gebühren und Steuern finanzieren

Die SPD will kleine Kommunen dabei unterstützen, Baugrundstücke zurück zu kaufen und für das Allgemeinwohl die Bodenwertzuwachssteuer - "einen sexy Namen suchen wir noch" - erheben. "Denn wir dürfen es nicht zulassen, dass Grundstücke auf Kosten der Allgemeinheit vergoldet werden."

Eine Wohltat für alle sieht Kühnert auch in einer veränderten Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs. Nicht mehr diejenigen, die täglich Bus und Bahn fahren, sollen das finanzieren. "Warum nicht über über Steuer oder Gebühren?" 

"Große Koalitionen sind auf Dauer nicht gut."
Kevin Kühnert, SPD-Vizechef

Kühnert überzeugt. Eine ältere Frau im Publikum lobt seine Rhetorik. Er spricht frei, verhaspelt sich kein einziges Mal. Und er drischt keine Phrasen. Immer wieder baut er Argumentationsketten auf, erklärt, nennt Beispiele, bleibt bei der Sache. Und er reißt viele kommunalpolitische Themen an - das schätzen seine Zuhörer.

Was Kevin Kühnert für das Bayern-Spiel tippt

Als später am Abend, der Anpfiff des Bayern-Spiels in Chelsea rückt näher, eine Frau die CO2-Steuer anspricht, gibt es dann doch noch einen Satz zu großen Koalitionen. Denn zwischen den Vorstellungen des Koalitionspartners und der SPD lägen Welten, sagt Kühnert. Die Mitte sei dann manchmal eine gute Lösung. Aber in diesem Fall nicht. "Und deswegen sind große Koalitionen auf Dauer nicht gut." 

Und wie geht es jetzt mit dem Bündnis in Berlin, das er nie wollte, weiter? "Nach Thüringen ist der Risikofaktor nicht mehr die SPD", sagt der SPD-Vizechef. Und sollte Merz CDU-Parteichef werden, es gar zum Bruch mit der Kanzlerin kommen - dann würde die SPD dieses Spielchen nicht mitmachen. "Wir haben einen Vertrag mit Angela Merkel geschlossen. Wir wählen niemanden anderes." 

Dann wirds aber Zeit. Das Bayern-Spiel läuft schon. Kühnert tippt auf 2:0 und eilt in die Würzburger Sanderstraße, wo er zusammen mit den Zeller Jusos das Spiel ansieht. Am Ende liegt er fast richtig und trinkt einen Schnaps auf den Sieg.

 
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Kommentare
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  • M. S.
    Also, der Koalitionsvertrag wurde mit Merkel geschlossen und nicht mit der Union? Das ist ja sehr interessant! Die SPD ist demnach direkt auf die Kanzlerin vereidigt und kann deswegen den längst fälligen Kanzlerwechsel nicht mittragen.
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