Frauen schneiden ihre Haare ab, posten Selfies ohne ihr Kopftuch auf sozialen Medien oder verbrennen ihren Hijab (deutsch: Verschleierung) auf offener Straße. Die Bilder der Proteste im Iran gehen aktuell um die ganze Welt: Mutige Frauen, die sich gegen die strenge Kleiderordnung des iranischen Regimes zur Wehr setzen und dabei täglich ihr Leben riskieren. Wie blicken Ziba N. und Amon K., die seit vielen Jahren in Würzburg leben, auf die Situation in ihrem Heimatland? Auf ihren Wunsch hat die Redaktion ihre Namen geändert.
Angefangen haben die jüngsten Proteste, nachdem am 13. September die 22-jährige Mahsa Amini in der iranischen Hauptstadt Teheran von der Sittenpolizei festgenommen wurde. Ihr wurde vorgeworfen, sich unislamisch gekleidet zu haben. Wenig später starb die junge Frau. Seitens der Regierung hieß es, ihr Tod sei auf gesundheitliche Probleme zurückzuführen gewesen. Bei ihrer Verhaftung sei sie ohnmächtig geworden, später im Krankenhaus ins Koma gefallen und gestorben.
Streng konservative Kleidervorschriften sind ein Zwang für die Bevölkerung
Viele Iranerinnen und Iraner zweifeln an der offiziellen Version der Geschichte. Inoffiziell heißt es, weil eine Haarsträhne unter ihrem Kopftuch zu sehen gewesen sei, hätte die Sittenpolizei Mahsa Amini verhaftet und gefoltert. Der Tod der jungen Frau hat viele Iranerinnen und Iraner bewegt. "Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat", erklärt Ziba N.
Sie ist Iranerin, lebt seit 2017 in Würzburg und kennt die Situation der Frauen in ihrem Heimatland sehr gut. Die strengen Kleidervorschriften der iranischen Regierung seien für die Frauen vor allem eins: Zwang. "Die konservativen Regeln gefallen nur wenigen Menschen im Iran – auch vielen Männern nicht", sagt die 41-Jährige. Seit der iranischen Revolution 1979 schreibt das islamische Regime vor, dass Frauen in der Öffentlichkeit ihr Haare bedecken und ihren Körper mit langer, locker sitzender Kleidung verhüllen müssen.
Eines werde jedoch von westlichen Ländern, die auf den Iran blicken, oft falsch verstanden, sagt Ziba N. Viele Iranerinnen und Iraner seien zwar gläubige Muslime, aber nur die wenigsten von ihnen identifizieren sich mit den streng konservativen Regeln.
In iranischen Großstädten tragen viele Frauen das Kopftuch nur locker
In den vergangenen 20 Jahren habe sich die iranische Gesellschaft stark gewandelt, erklärt die Würzburgerin. Das sei auch den jungen Frauen zu verdanken. "Sie ziehen sich nicht mehr zurück", freut sich Ziba N. "Freiheit wird den Frauen immer wichtiger und sie sind bereit, dafür auf die Straße zu gehen und sich gegen die Regierung stark zu machen." In den Großstädten sei die liberale Stimmung längst angekommen. Gerade viele junge Frauen tragen ihr Kopftuch dort locker, oft schauten ihre Haare deutlich heraus.
Auch Amon K., Mitglied im Vorstand der iranisch-deutschen Gesellschaft, hat das bei seinen Besuchen im Iran oft beobachtet. "Wenn die Sittenpolizei nicht in der Nähe ist, tragen viele junge Frauen ihr Kopftuch als Schal und ziehen es dann nur schnell über den Kopf", erklärt der in Würzburg lebende Iraner. Was passiert, wenn man dabei von der Regierung erwischt wird, zeige das Beispiel der 22-jährigen Mahsa Amini.
Damit sich in seinem Heimatland etwas ändert, geht Amon K. auch hier in Deutschland auf die Straße. In Würzburg hatte er am 21. September eine Solidaritätsbekundung für Mahsa Amini organisiert. Menschen legten vor dem Vierröhrenbrunnen Blumen nieder und zündeten Kerzen an. Auch bei der Demonstration in Frankfurt am Main war er vor Ort. Dass er sich für die Frauenrechte in seinem Land einsetzt, sei für ihn selbstverständlich, denn: "Auch wir Männer wollen diese Freiheit für Frauen." Doch es sei wichtig, dass die Proteste in der Welt nicht falsch verstanden werden, fährt er fort. Es gehe nicht darum, dass die Frauen kein Kopftuch tragen sollen, sondern, "dass sie die Freiheit haben, selbst zu entscheiden, ob sie es tragen."
Feministische Bewegung, die alle Gesellschaftsschichten erfasst
Proteste der iranischen Bevölkerung gegen die amtierende Regierung seien in ihrem Heimatland nichts Neues, so Ziba N.. Ein Großteil der Menschen sei es leid, unter dem streng konservativem Regime zu leiden. Umso stolzer ist sie, dass gerade die feministische Bewegung im Iran diese Welle an Mitgefühl und Solidarität auf der ganzen Welt ausgelöst habe. "Es ist so wichtig, die Menschen moralisch zu unterstützen. Das macht ihnen Hoffnung und gibt ihnen Kraft."
Ziba N. hofft aber auch, dass sich dadurch der Blick auf den Iran ändert, denn: "Feminismus und Freiheit sind große Themen im Iran, aber auch die schlechte wirtschaftliche Lage und das kaputte Gesundheitssystem." Darunter litten Menschen über alle Gesellschaftsschichten hinweg. Deshalb wünschen sich Ziba N. und Amon K., dass die aktuelle Aufmerksamkeit der Welt für den Iran nicht schnell wieder erlischt. "Die Lage der Menschen im Iran ist sehr schlecht. Sie halten das nicht mehr lange aus", so Ziba N..
Und überhaupt ist in Deutschland kein Trend zu mehr Liberalität und Anpassung beim Tragen des Kopftuches zu erkennen. Im Gegenteil: Man hat den Eindruck, dass immer mehr Mädchen und junge Frauen zum Kopftuch greifen – an den Füßen aber weiße Nike-Turnschuhe...
und nun aber wieder nicht gleich sagen: die katholischen Nonnen tragen auch einen Schleier - ja sie tragen ihn, ihr Gesicht ist dabei aber frei und deutlich zu sehen. Ist wieder ganz was anderes als eine komplete Vermumung von schönen Mädels und Frauen, die ihr Gesicht nicht zeigen dürfen!