Die Würzburger Firma Sprintis liefert in der Krise Gummizugschnüre und Nasenbügel für Masken. Die Gummischnüre waren eigentlich für Mappen und die Metallbügel für Heftzungen produziert worden. Geschäftsführer Christian Schenk kann sich noch gut an die Zeit zwischen März und April erinnern.
Sprintis ist ein Großhändler für Druckerei- und Werbemittelbedarf sowie für die logistische Lagerkennzeichnung. Zunächst schien der Betrieb vom Lockdown hart getroffen. Vorsichtshalber beantragte das Unternehmen für die rund 100 Mitarbeiter Kurzarbeit. "Sie war nach einem halben Tag wieder beendet", sagt Schenk (39). Er hat das Zellerauer Familienunternehmen mit seinem Bruder Matthias (41) aufgebaut.
Die Nachfrage explodierte über Nacht
Denn im Frühjahr explodierte die Nachfrage nach einigen Artikeln aus dem 4500-Teile-Sortiment von Sprintis, die dringend für die ersten Schutzmasken benötigt wurden. "Wir haben einen Moment gebraucht, um das zu verstehen. Dann haben wir alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Gummi in großen Mengen einzukaufen", erklärt Christian Schenk. Den Würzburgern kamen dabei ihre Verbindungen nach Fernost zugute. "Zwei Drittel unserer Produkte beziehen wir zwar aus Deutschland und Europa. Die Gummis werden aber größtenteils in Asien produziert."
Die folgenden Wochen waren eine echte Herkulesleistung, bei der die Sprintis-Belegschaft zwar nicht räumlich, aber trotzdem enger zusammengerückt ist. "Auch unser Team ist ins Lager gegangen, um dort Kisten zu packen", berichtet Marketingleiterin Anja Thomas. Für gewöhnlich sind es 300 bis 400 Pakete, die täglich die Hallen an der hinteren Frankfurter Straße verlassen. Im Frühjahr waren es in der Spitze 2000.
20 Millionen Euro Umsatz
Der Betrieb schafft 2020 vermutlich einen Umsatz von um die 20 Millionen Euro und steht damit vor dem erfolgreichsten Jahr seiner Firmenhistorie. "Man braucht ein Gespür für den Markt und muss auch die Zahlen richtig lesen können. Aber natürlich gehört am Ende auch viel Glück dazu", sagt Schenk. So war es auch perfektes Timing, dass Sprintis seinen Neubau am langjährigen Zellerauer Firmensitz kürzlich fertiggestellt hat.
Die Kapazität wurde bereits 2016 auf 6000 Palettenplätze verdoppelt. Der Herr über das Lager ist Christian Holl. "Wir haben eine chaotische Lagerhaltung", sagt der 43-Jährige, während sein Telefon ständig klingelt. Was nicht gerade nach Ordnung klingt, bedeutet in der Logistikersprache, dass den Artikeln kein fester Lagerplatz zugeordnet ist, sondern sie dort abgelegt werden, wo gerade etwas frei ist. Seit einiger Zeit verfügt Sprintis zudem über eine moderne Verschieberegalanlage. "Durch die flexibel anpassbaren Gänge sparen wir viel Platz ein und können dennoch schnell auf noch mehr Produkte zugreifen", sagt Holl, während er die motorisch betriebenen, 7,5 Meter hohen Hochregale hin- und herbewegt.
"Ein Lieblingsprodukt habe ich nicht", sagt Christian Schenk in seinem verglasten Büro, von dem aus man einen schönen Blick auf die neu geschaffene Sportanlage hat. Und der Vater von drei Kinder kennt auch die Herausforderungen der Zukunft. "Um Fachkräfte zu gewinnen, muss man verstärkt auf sich aufmerksam machen, zumal unsere Produkte nicht gerade hip sind."
Dabei kommen viele Menschen mit dem Sprintis-Sortiment in Berührung kommen. Wer kennt nicht den Drei-Monatskalender in den Büros und Produktionsstätten, bei dem das markierte Fenster Tag für Tag ein Stück weiterwandert? "Wir liefern alle dazugehörigen Teile an die Druckereien, damit diese Kalender zusammengebaut werden können, also die Aufhänger, Drahtbindungen und die Datumsweiser in den unterschiedlichsten Farben", berichtet Marketingchefin Thomas.
Erfolg durch den Online-Shop
Begonnen habe alles Ende der 1980er Jahre mit den Disketten-Täschchen für Ordner, sagt Schenk: "Meine Mutter hat das lange im Nebenerwerb von unserer heimischen Küche am Nikolausberg aus betrieben und arbeitet noch heute mit." Nach seiner Ausbildung zum Verlagskaufmann hat sich Christian mit Anfang 20 der Unternehmung gewidmet, wenig später stieß sein auf die IT spezialisierter älterer Bruder Matthias dazu. Als dann auch noch Holger Heusinger für den Einkauf und das Produktmanagement hinzugekommen ist, "waren wir komplett und konnten wachsen", sagt Christian Schenk. "Unser Online-Shop war über Jahre der einzige. Dadurch konnten wir den Platzhirschen vieles abnehmen."
Bis dato das erfolgreichste Jahr für Sprintis war ebenfalls in einer Zeit, in der es während der Finanzkrise 2009 im Land wirtschaftlich abwärts ging. "Da mussten auch viele Druckereien sparen. Davon haben wir mit unserer Preistransparenz profitiert – und auch, dass wir unser Sortiment fortlaufend erweitert haben", erklärt Schenk. Vor einigen Jahren sei auch noch die Internationalisierung hinzugekommen.
"Es ist natürlich ein Irrglaube, dass man mal eben die Auslandsmärkte überrollt. Schließlich gibt es auch dort gewachsene Verbindungen. Man sollte daher besser behutsam damit anfangen", unterstreicht der sportbegeisterte Geschäftsführer. "In den Niederlanden hat sich diese Strategie schon ausbezahlt. Dort sind wir bereits mit einer eigenen Niederlassung etabliert." Im Mai startete Sprintis seinen französischen Online-Shop, erst vor wenigen Wochen den spanischen – und im nächsten Jahr soll auch noch ein italienischer hinzukommen.
Darüber hinaus hält Schenk immer die Augen offen, was etwaige Firmenzukäufe betrifft. Zum Jahresanfang etwa übernahm Sprintis einen grafischen Fachhandel aus Leipzig. Die Zellerauer scheinen gerade dann über sich hinauszuwachsen, wenn Krise ist.