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EIBELSTADT
Wie die Eibelstädter den Nazis Mores lehrten
Am 10. Juli 1932 geben die Eibelstädter 150 durchmarschierenden SA-Männern Saures. Hunderte verhindern mit Gebrüll und Gewalt eine Kundgebung der Nazis.
Wut: Gottfried Gretsch droht den Nazis mit geballter Faust. Die Staatsanwaltschaft behauptet später, er habe einen Stein werfen wollen.
Foto: Heimatverein Eibelstadt (2) | Wut: Gottfried Gretsch droht den Nazis mit geballter Faust. Die Staatsanwaltschaft behauptet später, er habe einen Stein werfen wollen.
Von unserem Redaktionsmitglied Wolfgang Jung
 |  aktualisiert: 26.04.2023 19:45 Uhr

Am 11. Juli 1932 erscheint im katholischen Fränkischen Volksblatt eine wilde Geschichte, überschrieben mit: „Die blutige Schlacht von Eibelstadt“. Der SPD-nahe Fränkische Volksfreund berichtet tags darauf: „Nazi-Provokation in Eibelstadt“. Und noch einen Tag später meldet sich auch die nationalsozialistische National Stimme: „Rotmord wütet in Unterfranken“. Was war da los?

Der neue Band des Mainfränkischen Jahrbuchs für Geschichte und Kunst, es ist der 64., erinnert an die Ereignisse vom 10. Juli 1932, als 150 SA-Männer von Würzburg aus zu einem „Deutschen Tag“ nach Sommerhausen zogen.

Franz Schicklberger, der Autor, berichtet von ersten Spannungen in Randersacker, wo Einwohner dem paramilitärischen Kampfverband der NSDAP feindselig begegnen. Der Volksfreund berichtet am 12. Juli, die SA-Leute hätten ihre Schulterriemen zu Knüppeln geflochten und „drohend gegen die Bevölkerung erhoben. Außerdem machten sie mit der Hand die Gebärde des Hängens, wodurch sie den Randersackerern (. . .) ihr Schicksal im Dritten Reich andeuten wollten“. Die Nazis rechtfertigen ihr Tun in der Nationalen Stimme als „selbstschützende Absicht“ gegen hasserfüllte Randersackerer. Es bleibt bei den Drohgebärden.

Anders in Eibelstadt. Die SA-Männer marschieren an der Kirche vorbei, in der Gläubige gerade das Kilianslied singen, und brüllen: „Denen da drinnen wird auch bald der Mund gestopft werden.“ Die Christen empören sich. Auf dem Marktplatz – es ist umstritten, ob vor dem Kriegerdenkmal oder vor der Mariensäule – steigt Josef Gross, der Bezirksleiter der SA, auf die Ladefläche eines Lkw und versucht, vor seinen 150 Männern und den zusammenströmenden Eibelstädtern eine Rede zu halten.

Aber die Eibelstädter hören nicht zu. Das Volksblatt berichtet, jeder Versuch „wurde durch ohrenbetäubenden Lärm der Zuschauer unmöglich gemacht.“ Offenbar dringt aber etwas durch, denn der Volksfreund schreibt: „Was der nationalsozialistische Redner hier verzapfte, war wiederum eine grenzenlose Herausforderung der Ortseinwohner, vor allem der Arbeiterschaft.“ Die National Stimme berichtet von „schweren Beleidigungen“ und „gemeinen Vorwürfen“ (...) „von einigen Hetzern und 20 jugendlichen Schreiern“.

Der Historiker Schicklberger, selbst ein Eibelstädter, hat Augen- und Ohrenzeugen befragt; sie erinnern sich an Rufe wie „Heil Moskau, Hitler idd a Drecksau“. Der Eibelstädter Sebastian Haas soll vom SA-Wagen einen großen Packen Propagandamaterial entwendet und dem Wind übergeben haben.

Vom Volksblatt wissen wir, dass die Nazis, als sie einsehen, dass sie unerwünscht sind, Richtung Sommerhausen abrücken, „wutschnaubend, mit Hohn überhäuft“. Die Nationale Stimme berichtet: „Eine nach Hunderten zählende Meute brüllte die 160 Mann starke SA-Formation an.“ Die Wut der Einwohner habe keine Grenzen gekannt.

Die Eibelstädter, so erfahren wir weiter von Schicklberger, folgen den SA-Männern und die Rauferei ging los. Ein SA-ler habe mit einer Fahnenstange auf die Köpfe der Nazi-Gegner eingeschlagen. Einige Eibelstädter, klagt später die Staatsanwaltschaft an, hätten die Nazis mit Steinen beworfen. Andere, schreibt drei Jahre später ein gewisser Karl Bauer, seien zum nahen Friedhof gelaufen, von wo aus sie die SA mit Blumentöpfen Grabeinfassungen, Gießkannen, Weihwasserkesseln und Kranzständern beworfen haben sollen. Dass Weihwasserkessel unter den Wurfgeschossen gewesen seien, bezweifelt das Volksblatt allerdings umgehend.

In der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Würzburg heißt es später, jener Sebastian Haas, der den Nazis schon das Propagandamaterial stahl, habe „die Leute aufgehetzt, die Nationalsozialisten aus Eibelstadt zu verdrängen“ und sich „besonders angriffslustig“ gebärdet.

Das Volksblatt meinte dagegen, die besonders Angriffslustigen seien Kommunisten aus Würzburg gewesen. Augenzeugen zufolge hielten auswärtige Kommunisten just an diesem Tag tatsächlich im Gasthaus „Zum Ross“ eine Versammlung ab. In Eibelstadt, berichtet Schicklberger, habe 1932 eine „beträchtliche Zahl“ Kommunisten gelebt. Bei den letzten freien Wahlen, am 6. November 1932, wählten 77 Eibelstädter die KPD (81 die NSDAP), am 5. März 1933 waren es noch 51. 160 stimmten für die NSDAP.

Eibelstädter und Nazis verkeilen sich am Sommerhäuser Tor ineinander, bis aus Sommerhausen, das Schicklberger als „NS-freundlich“ beschreibt, Otto Hellmuth, der Gauleiter, den bedrängten Kumpanen mit einem Trupp Parteigenossen zur Hilfe kommt. Sommerhäuser Polizisten halten zu den Nazis; zwei Söhne von einem der Beamten marschieren für die der SA.

Dann fallen Schüsse; einer trifft den 17-jährigen Eibelstädter Max Sauer am Rücken. Nazis versetzen dem Bürger Jakob Christmann einen Messerstich und brechen ihm mehrere Rippen. Es gibt zahlreiche Verletzte auf beiden Seiten.

Als die Staatsanwaltschaft ihre Anklageschrift fertig hat, wissen 20 Eibelstädter Nazi-Gegner, dass sie wegen Landfriedensbruch dran kommen können. Nicht ein SA-Mann ist angeklagt. Am 29. Dezember 1932 wird das Verfahren aber eingestellt, gemäß des Gesetzes über Straffreiheit. Dieses Gesetz, erst neun Tage zuvor verabschiedet, regelt, dass für Straftaten, begangen aus„politischen Beweggründen oder aus Anlass wirtschaftspolitischer Kämpfe, Straffreiheit gewährt wird“. Voraussetzung: Die Tat muss vor dem 1. Dezember 1932 begangen worden sein, und „keine schwerere Strafe als Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren“ dürfe zu erwarten sein. Das Gesetz, gemacht für die Schlägertruppen der Nazis, kam hier ihren Gegnern zugute.

Schicklberger schließt seinen Aufsatz mit dem Hinweis, dass Eibelstädter NSDAP-Sympathisanten nicht mitgerauft hätten, „sondern die Unruhen von ihren Fenstern aus verfolgten, wohl weil sie die ablehnende Haltung und Schlagkraft der roten Eibelstadter gegen die Braunhemden kannten.“

Jahrbuch

Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 2012, herausgegeben von „Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V.“, 340 Seiten, 83 Abbildungen. Verkauft wird es im Buchhandel oder in der Geschäftsstelle des Vereins, Pleicherkirchgasse 16, 97070 Würzburg.

Preis: 37,60 Euro (12,50 Euro für Vereinsmitglieder). Weitere Informationen gibt es unter freunde-mainfranken.de.

Wie die Eibelstädter den Nazis Mores lehrten
Vor dem oberen Tor: Eibelstädter zeigen den Nazis den Hintern. NSDAP-Gauleiter Otto Hellmuth soll die Fotos geschossen haben, um eine Anklage belegen zu können.
| Vor dem oberen Tor: Eibelstädter zeigen den Nazis den Hintern. NSDAP-Gauleiter Otto Hellmuth soll die Fotos geschossen haben, um eine Anklage belegen zu können.
 
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