Geschützt vor den Winden und Wettern der Jahrtausende haben sich in den Vertiefungen der Gipskarstlandschaft südlich des Steigerwalds Schichten um Schichten von schweren, nassen Böden gesammelt. In diesen sogenannten Dolinen entdecken die Archäologen, Geografen und Bodendenkmalpfleger nun Indizien dafür, wie gründlich der Mensch die Welt dort verändert - seit Urzeiten schon. Die Forscher ergründeten, wo uns Vorfahren siedelten und wirtschafteten. Sie lesen daraus, wie die Natur mit diesen Veränderungen umgeht. Und wie viel Einfluss die Wirtschaftsweisen und Veränderungen haben.
„Prähistorische Mensch-Umwelt-Beziehungen im Gipskarst der Windsheimer Bucht“ heißt das Forschungsprojekt. Die Methoden, mit denen das fächerübergreifende Team arbeitet, klingen erstmal nach ziemlich nüchterner Wissenschaft: Da werden winzige Körnchen im Boden vermessen, Erdproben chemisch analysiert, Bodenblöcke mit Kunstharz gefestigt, zu feinen Scheiben geschliffen und unter dem Mikroskop untersucht. Da werden Spuren von Tieren und Pflanzen im Lehm gesucht und durch ihren Gehalt an radioaktivem Kohlenstoff datiert. Doch das Bild, das sich durch diese kleinteilige Fleißarbeit nach und nach auffächert, ist faszinierend bunt und lebendig, wie bei einer Sitzung der Projektgruppe im Institut für Geographie der Uni Würzburg klar wird.
Dichte Spuren im schwierigen Gelände hinterlassen
Da wandern Menschen mit ihren Tieren in die Landschaft. Sie roden und verbrennen Wald, um Weidefläche zu gewinnen. Damit vernichten sie allerdings den Forst als Wasserspeicher. Das ohnehin landwirtschaftstechnisch schwierige Gelände wird trocken. Die Vegetation ändert sich und die Tiere haben nicht mehr genug Futter. Die frühgeschichtlichen Viehbauern verlassen das Gelände wieder. Der Wald wächst erneut. So zumindest könnte man sich einen Ausschnitt aus der Geschichte vorstellen, die die Dolinen erzählen.
Der Blick in die Tiefe der Geschichte fasziniert die Fachleute geradezu. Durch die vielen Fundstellen in der Region können sie sich ein Bild davon machen, wie sich prähistorische Siedlungen und Umwelt in der Breite entwickelten. Seit fünf Jahren fördert die Deutsche Forschungsgesellschaft DFG das Vorhaben. Bald läuft die Finanzierung aus, die Arbeit der Wissenschaftler ist damit aber noch lange nicht beendet.
Auch nach Jahren der Forschung in den Dolinen ist Birgit Terhorst, Professorin für Physische Geographie und Bodenkunde an der Uni Würzburg, begeistert davon, wie dicht die Spuren der Menschen sind, die im schwierigen Gipskarstgelände, abseits der großen Siedlungsgebiete seit der Steinzeit das Land nutzten. Besonders vielsagend sind für sie sind die feinen Hinweise im Boden, die erst unter dem Mikroskop erkennbar sind: „Sie sind der Schlüssel zu vielem“, sagt Birgit Terhorst. Selbst eigentlich unscheinbare Schichten bringen eine Fülle an Informationen, vor allem, wenn bodenkundliches, geologisches, biologisches, zoologisches und archäologisches Wissen zusammenwirkt.
Kriminalistischer Blick mehr als 10 000 Jahre zurück
Zum Beispiel zeigen sie, untersucht mit kriminalistischem Spürsinn und zusammengesetzt zu einem großen Puzzle, wann Menschen in der Dolinen-Gegend bei Bad Windsheim sesshaft wurden, wie sie wirtschafteten, wann und warum sie das Land verließen und was dann geschah. Überrascht ist Archäologiedoktorandin Rita Beigel, wie weit die Spuren in die Vergangenheit zurückreichen: Die ältesten stammen vom Ende der letzten Eiszeit über 10 000 Jahre vor Christus. Solche alten, gut erhaltenen Ablagerungen seien in Mitteleuropa einmalig, sagt Martin Nadler, zuständig für Bodendenkmäler beim Landesamt für Denkmalpflege in Nürnberg und beteiligt am Forschungsprojekt. „Das ist ein Alleinstellungsmerkmal der Windsheimer Bucht.“
Rita Beigel erzählt, was sie bei der Untersuchung des Schichtenpuzzles noch entdeckte: Da gibt es beispielsweise eine Stelle aus der Zeit der Bandkeramik zu Beginn der Jungsteinzeit, im sechsten Jahrtausend vor Christus, mit sehr vielen verkohlten Resten des giftigen Zwergholunders. Die Archäologin sieht darin einen Hinweis auf Weidewirtschaft: Die Menschen verbrannten die Pflanzen vielleicht absichtlich, damit die Nutztiere sie nicht fressen konnten. Für Frank Falkenstein, Professor für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie an der Uni Würzburg, eine interessante Entdeckung. Aus dieser frühen Zeit, sagt er, sei nämlich bisher keine Weidewirtschaft bekannt.
Wie sich nach intensiver Nutzung der Boden neu bildete
Aber noch interessanter sind die Siedlungslücken im Schichtenpuzzle. So eine fand Beigel aus der Zeit zwischen 5200 und 3800 vor Christus. „Wir sehen dort Verwitterung und Bodenneubildung“, sagt Birgit Terhorst. „Wir sehen, was passiert, wenn die Natur den Raum zurückerobert.“ Die Fachleute entdeckten Spuren für mehr Sickerwasser. „Das bedeutet Klimaveränderung oder Landschaftsveränderung“, sagt Geografiedoktorand Simon Meyer-Heintze. Also mehr Niederschläge oder beispielsweise Wald, der zurückkehrte und Wasser speicherte. Es dauerte offenbar kaum 200 Jahre und das Land hatte sich erholt.
Die Gipskarstlandschaft hatte in der Wissenschaft lange Zeit als eher unwichtig gegolten, wenn es um menschliche Siedlungen ging. Das Augenmerk von Geographie und Bodendenkmalpflege lag auf den fruchtbaren Lößgebieten. Die fächerübergreifende Arbeitsgruppe aber machte sich auf rund 68 Quadratkilometern daran, die außergewöhnlich üppigen Informationen, die die Dolinen enthalten, zu erschließen. Was verraten die Gipshöhlen über die Menschen der frühen Steinzeit bis zu den jüngeren Metallzeiten? Was können die Verfüllungsprozesse über die Einflüsse von Landnutzung und Umweltentwicklung erzählen?
Die Böden des Gipsgesteins seien für die Menschen der Steinzeit schwierig zu bewirtschaften gewesen und wurden nur bei besonderem Bedarf genutzt, sagt Archäologe Frank Falkenstein. Die Be- und Entsiedlung sei in den Schichten der Dolinen gut zu erkennen. So sehen die Forscher auch, dass der Mensch die Gegend zeitweise intensiv genutzt haben muss: „Er hat Ressourcen zerstört, Wald abgeholzt, den Wasser-Haushalt gestört, die Vegetation verändert und damit die eigene Wirtschafts-Grundlage zerstört“, sagt Falkenstein. Der Mensch habe also schon Jahrtausende vor Christus massiv in den Naturhaushalt eingegriffen - allerdings mit viel weniger Einfluss als heute.
Was die Forscher zur Klimadiskussion beitragen können
Der Blick in die Tiefe der Zeit, den die Dolinen ermöglichen, zeige aber eben auch: Wenn der Mensch seine Wirtschaftsweise ändere, kann sich die Natur historisch gesehen in erstaunlich kurzer Zeit regenerieren, sagt Bodendenkmalpfleger Martin Nadler. Mit solchen Erkenntnissen könne die Projektgruppe viel beitragen zur aktuellen Klimadiskussion. Zum Beispiel, welchen direkten Einfluss es auf das Klima einer Region habe, wenn der Wald weniger oder mehr wird, sagt Birgit Terhorst. Denn Wälder auch in Deutschland steuern über Verdunstung und Wasserkreisläufe das Wetter und sind so ein Teil der Klimaanlage der Welt.
Martin Nadler ist nach den Erkenntnissen, die das Team aus den fränkischen Dolinen gewonnen hat, überzeugt: „Wir haben kurzfristig Möglichkeiten, auf das Klima einzuwirken.“
muss man bei diesen riesigen Zeiträumen bedenken : " ein Menschenleben dauert vllt. 70 Jahre und wenn es hoch kommt vllt. 80 Jahre. So sagen es jedenfalls manche Pfarrer bei "Trauerpredigten.
Also.... wenn wir wirklich aus den Ausgrabungen lernen wollen, ja für heutiges welt-weites Wirtschaften tun müssen, dann muss man erkennen, dass wir ein evt. Ände-
rungsverhalten nicht mehr erleben. 1000 und mehr Jahre sind in einen "Teufelskreis eine sehr lange Zeit. Gut ist natürlich, dass man sich informieren kann. Und dann....
"schaun mer mal....!"