
Eine Landrätin hat es im Landkreis Würzburg noch nie gegeben. Allerdings fungieren mit Christine Haupt-Kreutzer (SPD) und Karen Heußner (Grüne) derzeit zwei Frauen als Stellvertreterinnen des Landrats. „Insgesamt hat sich der Frauenanteil in Führungspositionen beim Landkreis seit 1996 etwa um die Hälfte erhöht“, informiert Gleichstellungsbeauftragte Gabriele Rottmann-Heidenreich kurz vor dem 20-jährigen Bestehen des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes.
Am 24. Mai 1996 trat das Gleichstellungsgesetz in Kraft. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Landkreis Würzburg bereits eine ehrenamtliche Frauenbeauftragte – was damals noch selten war. Vor 20 Jahren wurde dann eine feste Stelle eingerichtet. Ein Jahr später übernahm Gabriele Rottmann-Heidenreich das Amt.
Seit ihrem Amtsantritt hat sich viel getan. So hielten immer mehr Frauen Einzug in die Geschäftsbereichsleitungen des Landratsamts. Seit knapp einem Jahr steht mit Franziska Gerlach zum Beispiel eine Frau an der Spitze des Geschäftsbereichs für Kommunales, Sicherheit und Verbraucherschutz. Im November übernahm Eva-Maria Löffler die Leitung des Umweltamts.
Die Fachbereichsleitungen allerdings sind nach wie vor überwiegend männlich besetzt. Sechs Fachbereiche hat etwa der Geschäftsbereich für Kommunales. Hier findet sich keine einzige Frau. An den Spitzen der sechs Fachbereiche des Jugend-, Sozial- und Gesundheitsamtes gibt es ebenfalls keine Chefin. Mit Franziska Sertl hat immerhin das Umweltamt mit seinen drei Fachbereichen eine Frau.
Auch wenn der Kampf um einen paritätischen Frauenanteil in Positionen mit Leitungsaufgaben noch längst nicht ausgefochten ist, gab es im Landkreis seit 1996 wesentliche Fortschritte. „In den 90er Jahren erhielt man höhnische Bemerkungen, wenn man über Frauenhäuser und sexualisierte Gewalt sprach“, erinnert sich Rottmann-Heidenreich. Heute ist weithin bekannt, dass in Deutschland jede vierte Frau im Laufe ihres Lebens Opfer von Gewalt wird. Sarkastische Kommentare gehören der Vergangenheit an.
Dass sich mit Blick auf die Frauenanteile in Führungspositionen eine Menge zum Positiven geändert hat, ist laut Rottmann-Heidenreich nicht unbedingt dem Gleichstellungsgesetz zu verdanken.
„Sehr viel mehr Frauen sind heute sehr gut ausgebildet“, sagt die Psychologin und Sozialpädagogin, die in den 1980er Jahren in der Berliner Frauenbewegung aktiv war. Frauen, die sich auf eine höhere Position im Landratsamt bewerben, haben zum Beispiel nicht selten ein besseres juristisches Staatsexamen als ihre männlichen Mitbewerber.
Das Gleichstellungsgesetz selbst ist im Moment wieder in der Diskussion. Die Opposition im Landtag wies kürzlich auf verschiedene Mankos hin. „Das Gesetz sieht zum Beispiel keine Sanktionsmöglichkeiten vor“, so Rottmann-Heidenreich.
Kommunen, die sich nicht um eine Verwirklichung der Chancengleichheit bemühen, haben also keine negativen Folgen zu erwarten. „Wir Gleichstellungsbeauftragte weisen lediglich darauf hin, wie das Gesetz vor Ort umgesetzt werden könnte, wobei es eben nicht umgesetzt werden muss“, verdeutlicht Rottmann-Heidenreich.
Als kommunale Gleichstellungsbeauftragte ist Gabriele Rottmann-Heidenreich nicht nur für die Beschäftigten des Landratsamts da. Alle Bürgerinnen und Bürger des Landkreises können sich an sie wenden. Bis zu 120 Beratungen registriert die Gleichstellungsbeauftragte im Jahr. „Oft geht es um den Wiedereinstieg in den Beruf“, berichtet sie.
Dies ist gerade im ländlichen Raum ein brisantes Thema: „Zu mir kommen Frauen, die 20 Jahre lang Familienarbeit geleistet haben.“ Ihre einst erworbenen Kompetenzen sind veraltet und kaum noch nachgefragt: „Manchmal gibt es den erlernten Beruf gar nicht mehr.“
An Gabriele Rottmann-Heidenreich wenden sich aber auch Frauen, die ihren Ehemann verlassen möchten. Viele sehen sich in einer komplizierten emotionalen Zwickmühle: „Gerade im ländlichen Bereich ist es nach wie vor schwieriger als in der Stadt, sich aus der ehelichen Gemeinschaft zu lösen.“
Als Gleichstellungsbeauftragte berät Rottmann-Heidenreich zwar nicht juristisch. Doch für die Frauen ist es oft eine Erleichterung, ihre Situation einmal darlegen und mit einer anderen Frau über ihre Probleme sprechen zu können.
Ist weitergehende Beratung notwendig, verweist Rottmann-Heidenreich die Frauen an die evangelische und katholische Eheberatung in Würzburg.
Auch die Pflege von Angehörigen wirft Fragen auf – vor allem danach, wie der Beruf mit der Pflegearbeit vereinbart werden kann.
Im Landratsamt selbst gelingt dies noch vergleichsweise einfach: „Die häusliche Situation wird bei uns berücksichtigt.“ Macht die Pflege eine Teilzeitbeschäftigung notwendig, wird ein entsprechendes Modell gefunden. In der freien Wirtschaft ist das noch nicht überall selbstverständlich.
Wie Rottmann-Heidenreich aus ihren Beratungen weiß, sind Pflege und Kinderbetreuung nach wie vor in erster Linie Angelegenheit von Frauen. Doch auch hier tut sich etwas.
Vor einiger Zeit kam ein Landkreisbürger in ihre Beratungsstelle: „Er wollte seine Mutter pflegen.“ Rottmann-Heidenreich gab ihm Tipps, wie er seinen Anspruch auf einen Teilzeitarbeitsplatz durchsetzen könnte.