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VEITSHÖCHHEIM
Wettermann Schwanke: „Wir müssen uns rapide verändern“
Alice Natter
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:18 Uhr

In Veitshöchheim (Lkr. Würzburg) sitzen in dieser Woche 600 Winzer aus den bayerischen Weinanbaugebieten Bodensee, Regensburger Raum und Franken zusammen, um sich über Entwicklungen und aktuelle Herausforderungen auszutauschen. Zum 60. Mal hat die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Zusammenarbeit mit dem Fränkischen Weinbauverband, den Oenologen des Bezirks Unterfranken und dem Weinbauring Franken e.V. zu einer der größten Weinfachtagungen in Deutschland geladen.

Am ersten Tag ging es um neue Krankheitsbilder im Weinbau, Trockenstress, witterungsabhängiges Bodenmanagement, PS-starke Schlepper und den Weinberg im Zeichen des Klimawandels. Ein prominenter Gast stimmte zum Auftakt auf das Thema ein: Karsten Schwanke, der Meteorologe, der in der ARD das „Wetter vor Acht“ erklärt.

Eiszeit und Frost in Deutschland. Das perfekte Wetter für einen Meteorologen? Weil alle nicht nur übers Wetter reden, sondern es auch spüren?

Karsten Schwanke: Ich bin ein großer Winterfan. Von daher ist es erst mal schön, wenn es so knackig kalt ist wie heute. Aber ich finde es vor allem dann interessant, wenn man etwas erzählen kann. Deshalb interessiert mich eigentlich mehr, was in den nächsten Tagen passiert, wenn die Kältewelle zu Ende geht. Gibt es Schneefall? Gibt es Glatteisregen? Wenn es drei Wochen lang so wäre – Hochdruckgebiet, kalt und trocken – dann wird es irgendwann auch langweilig.

Also, was passiert in den nächsten Tagen? Wie weit können Sie vorausschauen?

Schwanke: Das hängt ein bisschen von der Wetterlage ab. Im Winter vielleicht sieben Tag, im Sommer manchmal nicht drei Tage. Die jetzige Periode geht am Freitag etwa zu Ende. Wobei die Wettermodelle das Ende einer solchen Frostperiode meistens schneller rechnen. Aber Kaltluft ist schwer wie Sirup, die lässt sich nicht einfach vertreiben. Von daher kann es sein, dass wir zwei Tage länger Frost haben. Am Wochenende wird es wärmer.

Und Sie wissen schon, was dann passiert?

Schwanke: Nein, weil ich heute noch nicht in die Wetterdaten schauen konnte. Aber eine Erwärmung wird mit Wolken einhergehen, Wahrscheinlich gibt es auch Schnee und gefrierenden Regen und das ganze Programm. Der Wind dreht auf Südwest, der bringt die wärmere Luft. Das ist noch unsicher von Tag zu Tag. Sicher ist, da wird am Freitag, Samstag ein bisschen was passieren.

Schauen Sie sich die Wetterentwicklung eigentlich jeden Tag an, auch wenn Sie unterwegs sind?

Schwanke: Das Wetter im Fernsehen schaue ich mir selten an. Aber ich gucke die Wetterdaten auf meinem Computer jeden Tag an. Es gibt Wetterlagen, die mich weniger interessieren. Aber wenn ich merke, es wird spannend, sitze ich in jeder freien Minute vor dem Rechner und verfolge das Ganze.

Wenn Sie Winter gerne mögen – dann fällt die Bilanz für 2017/2018 bislang nicht so gut aus.

Schwanke: Es war traurig bisher! Das einzige, was ein bisschen entschädigt hat, war, dass es in den Bergen sehr viel geschneit hat, gerade im Januar in den Alpen. Die Bilder von tiefverschneiten Landschaften, die man von dort bekam, das war schon sehr beeindruckend.

Nun reden Sie hier in Veitshöchheim vor Winzern nicht über das Frostwetter, sondern über Klimawandel. Was sind die häufigsten Klimamärchen und Klimairrtümer, die kursieren?

Schwanke: Man muss generell sagen, dass wir noch immer sehr wenig darüber wissen, was bei uns ganz konkret passiert. Ganz sicher ist: Es wird wärmer, das ganze Jahr über in allen Jahreszeiten. Und wir wissen relativ sicher, dass das im Sommer zu Hitzeperioden, zu mehr Trockenheit führen kann. Und aber gleichzeitig zu mehr Starkniederschlägen. Aber schon da wird das Eis sehr dünn. Die Tendenz der Starkniederschläge ist bisher nur schwach ausgeprägt. Wir gehen aber davon aus, dass bei einer weiteren Erwärmung Hagel, Unwetter, Gewitter häufiger werden. Was die Irrtümer betrifft: Meistens begegnet man Skepsis.

Weil nicht nur der US-Präsident Klimaveränderungen leugnet?

Schwanke: Auch hierzulande hört man immer wieder: Stimmt das eigentlich? Sind wir das beim CO2? Und beide muss man mit Ja beantworten. Die Temperaturkurve geht nach oben, und man kann nicht die Sonnenaktivität dafür verantwortlich machen. Ich vermute, die Menschen wissen es eigentlich. Aber wir alle haben Angst vor zu großen, zu schnellen Veränderungen. Und wir müssen uns rapide verändern. Deshalb klammern sich viele an eine Hoffnung. Oder an die Politiker, die ihnen erzählen, dass wir nichts verändern müssen. Es hat was zu tun mit Verlustängsten. Und mit der Angst davor, dass Lebensqualität abnimmt. Natürlich findet sich immer die Ausrede, doch das Auto zu nehmen und nicht die Bahn. Aber, wir müssen.

Und die Politik, was müsste die?

Schwanke: Deutschland war durchaus mal ganz weit vorn mit dem Engagement und als Antreiber für den Klimaschutz. Was wir zurzeit erleben: Es wird nur auf die alte Industrie geschaut. In den Ländern mit Braunkohle, wie Brandenburg, Sachsen oder Nordrhein-Westfalen, wird alles dafür getan, dass die Braunkohle erhalten bleibt. Dabei müssten wir eher heute als morgen aus der Braunkohle raus. Dazu hat sich Deutschland mit der Unterschrift unter das Pariser Klimaabkommen auch verpflichtet. Aber die Politik handelt nicht entsprechend. Und auch sonst wird wenig getan, um dieses Land strukturell zu erneuern. Die Angst vor der Autoindustrie ist ganz deutlich. Wenn jetzt weniger Leute Dieselfahrzeuge kaufen und dafür mehr Benziner, weil sie Angst haben vor Fahrverboten, dann wird der CO2-Ausstoß noch einmal steigen.

Was für die Winzer bedeutet: noch wärmere Sommer.

Schwanke: Ja, Komma, aber. Ein gern gehörtes Argument: Wenn es bei uns ein paar Grad wärmer wird, ist das doch schön. Gerade für den Weinanbau. Im Jahresmittel werden wir in 100 Jahren die Temperaturen bekommen, die wir heute in Italien und Spanien haben. Das Hauptproblem ist aber nicht die höhere Temperatur. Das Hauptproblem ist der Wandel, die rasante Veränderung. Mit einem Tempo, das wir so aus der Klimageschichte noch nicht kennen und erdgeschichtlich so noch nie hatten. Wir werden uns gewaltig umschauen, welche Folgen das auf unsere gesamte Vegetation hat. Das wird das Problem. Trotzdem zählen wir noch zu den Regionen, die das am besten abfedern können. Gerade, was den Wasserhaushalt angeht, können wir im Moment keine großen negativen Auswirkungen absehen. Es wird die Starkniederschläge geben, unterm Strich wird unser Wasserhaushalt noch okay sein. Auch wenn der Süden Deutschlands Trockenperioden bekommen wird.

Das dürfte die Winzer beruhigen.

Schwanke: Für unsere Vegetation wird es, je weniger wir gegen den Klimawandel tun, kritisch. Und was man auch sagen muss: Klimaflucht wird ein Thema werden. Es wird weltweit Klimaflüchtlinge geben. Die Veränderung wird so gravierend, dass sie für viele Menschen das Zuhause-Sein unmöglich machen wird. Deutschland hat das Pariser Klimaabkommen unterschrieben und muss 2050 auf einen CO2-Ausstoß von null Tonnen kommen. Ich verstehe nicht, warum wir dann noch warten. Wenn wir den Klimawandel ansatzweise in Schach halten wollen, müssen wir heute anfangen.

Zurück zum Wetter. Bei welcher Vorhersage lagen Sie denn mal so richtig falsch?

Schwanke: Es gibt immer wieder die kleinen Punkte, wo man merkt, in dieser einen Region hat es nicht gestimmt. Am nächsten Tag geht der Blick immer zuerst auf das Wetter, wie es wirklich ist. Daraus lernt man auch. Im Juni 2015, als wir über vier, fünf Wochen lang in Deutschland jeden Tag aufgrund dieser enormen Gewitter-Wetterlagen irgendwo in Deutschland Überschwemmungen hatten, das hat schon genagt. Wir können einfach noch immer nicht am Vortag sagen, welcher Landkreis betroffen sein wird. Wenn man diese Wetterlagen hat und Abend für Abend sagt, man kann es nicht besser vorhersagen – das wurmt.

Was können Sie gut vorhersagen?

Schwanke: Klare Wetterwechsel. Zum Beispiel jetzt, wenn sich ein Hochdruckgebiet zurückzieht, ein Tiefdruckgebiet kommt. Auch das Einbrechen dieser Kältewelle hatten wir acht bis zehn Tag im Voraus gesehen. Aber wir waren sehr vorsichtig, weil uns die Wettermodelle in diesem Winter oft vorgegaukelt haben, dass es in acht bis zehn Tagen kälter wird – und dann war es nicht so.

Karsten Schwanke

Der Meteorologe und Fernsehmoderator stammt aus Brandenburg, machte eine Ausbildung beim Meteorologischen Dienst der DDR in Potsdam und studierte dann Meteorologie in Berlin und Hamburg. Für seine Diplomarbeit über die Simulation von Vulkanausbrüchen arbeitete er mit dem weltweit ersten 3D-Vulkan-Modell am Deutschen Klimarechenzentrum in Hamburg. Ab 1995 arbeitete Karsten Schwanke in der Firma Meteomedia AG von Jörg Kachelmann und moderierte das Wetter im Ersten, ab 1996 auch im ARD-Morgenmagazin. Von 2006 bis 2011 moderierte der 49-Jährige das Magazin „Abenteuer Wissen“ im ZDF. Seit sieben Jahren moderiert er wieder das „Wetter vor acht“ in der ARD im Wechsel mit Claudia Kleinert und Sven Plöger. Schwanke lebt mit seiner Familie in Köln.
„Wenn wir den Klimawandel ansatzweise in Schach halten wollen, müssen wir heute anfangen“: Meteorologe und ARD-Moderator Karsten Schwanke bei den Veitshöchheimer Weinbautagen.
Foto: Alice Natter | „Wenn wir den Klimawandel ansatzweise in Schach halten wollen, müssen wir heute anfangen“: Meteorologe und ARD-Moderator Karsten Schwanke bei den Veitshöchheimer Weinbautagen.
 
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