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Würzburg
Werner Herzog und die Selbstironie
Seine Kinofilme sind legendär, seine Dokumentationen preisgekrönt. Am Mainfranken Theater spricht der Regisseur mit jungen Filmemachern darüber, wie man Geschichten erzählt.
Werner Herzog und die Selbstironie       -  Werner Herzog 1982 am Set von 'Fitzcarraldo'. Für den heute legendären Film ließ er im Dschungel Amazoniens ein Dampfschiff über einen Berg schleppen.
Foto: Imago | Werner Herzog 1982 am Set von "Fitzcarraldo". Für den heute legendären Film ließ er im Dschungel Amazoniens ein Dampfschiff über einen Berg schleppen.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:18 Uhr

Er hat Autorenfilme gedreht, Hollywood-Blockbuster und vielfach ausgezeichnete Dokumentarfilme, zuletzt einen über Michail Gorbatschow. Werner Herzog, Jahrgang 1942, Regisseur, Schauspieler, Produzent und Schriftsteller, gilt als einer der international bedeutendsten Filmkünstler. Am Mittwoch spricht er unter dem Titel "Jeder für sich und Gott gegen alle" im Mainfranken Theater Würzburg mit jungen Filmschaffenden aus der Region. Die öffentliche Veranstaltung im Großen Haus moderiert Intendant Markus Trabusch.

Frage: Sie sind der Schöpfer von Bildern, die unglaublich viele Menschen kennen – etwa das Dampfschiff, das in "Fitzcarraldo" über einen Berg im Dschungel geschleppt wird. Heute sind solch spektakuläre Bilder unfassbar leicht am Computer zu kreieren. Welche Auswirkungen hat das auf Ihre Kinoarbeit?

Werner Herzog: Auf das Kino hat das direkt keinen Einfluss. Man muss davon ausgehen, dass es mindestens drei Milliarden neue Fotografen gibt – mit ihren Handys. Die machen auch kurze Videos, die man auf Youtube und in den sozialen Medien sehen kann. Es hat aber bisher keinen wirklich großen neuen Film oder neue Impulse für den Film gegeben. Mit der Ausnahme, dass wir wissen, dass wir auch mit dem Handy einen Film drehen können. Das ist aber nur eine Verlagerung auf ein anderes Gerät. Zur Veranstaltung in Würzburg kommen ganz junge Leute, die Filme machen. Denen muss gesagt werden, man kann heute einen Spielfilm für 10.000 Euro drehen, der dann im Kino laufen kann. Und für 3000 Euro kann man einen anderthalbstündigen Dokumentarfilm drehen, der im ersten Fernsehprogramm gezeigt werden kann. Vorausgesetzt, die Filme haben genügend Substanz.

Werner Herzog und die Selbstironie       -  Werner Herzog.
Foto: dpa | Werner Herzog.

Wo kommt diese Substanz her? Sie sind immer wieder an ihre eigenen Grenzen gegangen – physisch und psychisch. Ist das ein Rat, den Sie jungen Filmemachern geben: Geht an eure Grenzen?

Herzog: Nein, nicht unbedingt. Es gibt ja auch Leute wie Fellini. Der hat nur in Rom gedreht und im Studio. Das heißt, man kann auch gute Filme machen, ohne dass man seinen Hintern aus der Hängematte bewegt.

Wo kommt die Substanz dann her? Sie haben mal gesagt, wer über das Ausliefern von Schweinehälften drehen will, der muss selbst eine geschleppt haben.

Herzog: Das klingt nach mir. Wann und wo und wie ich das gesagt habe, weiß ich nicht mehr, aber es klingt nach mir. Aber ja, über solche Sachen, will ich mit den jungen Leuten in Würzburg reden.

Wo kommen heute die Geschichten her? Muss man sie anders erzählen? Müssen Filmemacher einen neuen Rhythmus finden?

Herzog: Da fragen Sie mich lauter Sachen, die wir am Mittwoch öffentlich bereden werden. Aber klar ist, da ist eine neue Generation mit neuen Arbeitsgeräten, die ganz billig und sehr professionell sind.  Innerhalb von zehn Jahren wird denen die Filmlandschaft gehören. Woher die Geschichten kommen, das ist eine mysteriöse Sache. Aber man muss dazu bestimmte  Vorbedingungen erfüllen. Wer zum Beispiel nicht liest, wird nie ein großer Geschichtenerzähler. 

Was soll man lesen? Was empfehlen Sie?

Herzog: Alles. Aber nicht Tweets oder Instagram-Unterschriften. Sondern richtiges, tiefes, ernsthaftes Lesen. 

Romane also?

Herzog: Alles. Warten Sie auf Mittwoch. Da wird zur Sache gegangen.

Ihr bislang größter Erfolg ist ein Kurzfilm ausgerechnet auf Youtube – ein Stück, das davor warnt, am Steuer mit dem Handy zu texten. 

Herzog: Ich bin sicher, den haben hundert Millionen Leute gesehen. Nicht nur auf Youtube. In 4000 Highschools in den USA ist der Film verpflichtend. Schüler machen da ja ihren Führerschein, und bevor sie die schriftliche Prüfung angehen, müssen sie sich diesen halbstündigen Film anschauen, die armen Teufel. Wer den gesehen hat, textet nicht mehr beim Autofahren. 

Das klingt, als hätten Sie in diesem Fall fast so etwas wie ein Sendungsbewusstsein entwickelt?

Herzog: Nein, überhaupt nicht. Das ist an mich herangetragen worden, und ich wusste, ich kann das machen, und ich mache das besser als alle anderen. Das ist eine einfache und intensive Arbeit geworden, für die ich mich absolut nicht verstecken muss.

Wenn man die große Leinwand derzeit anschaut – Superhelden aus dem Comic und Fortsetzungen. Hollywood berauscht sich vor allem an seiner Buntheit und seinen technischen Möglichkeiten. Aber das große Kino, das man  vielleicht in den 1970er und 1980er Jahren hat kommen sehen, ist irgendwie nicht eingetreten. 

Herzog: Das stimmt nicht ganz - ich bin ja noch am Arbeiten. Aber darüber muss man nicht unbedingt schlaflose Nächste verbringen. Ich muss auch nicht mit den jungen Filmemachern Zukunft und Schicksal des Kinos bereden. Das muss ganz konkret sein. Was macht ihr? Wie macht ihr das? Was sind eure Themen? Wie setzt ihr das um? Wo verbreitet ihr das? Das Schöne ist, dass die Verbreitungsmöglichkeiten haben, die es erst seit neuester Zeit gibt. Und die beherrschen diese Jungs und Mädchen. 

Sie sind immer mit der Zeit gegangen, das heißt, Sie sind selbst auf dem Laufenden, was diese neuen Möglichkeiten anbelangt.

Herzog: Thematisch war ich nie ganz im Trend, aber technisch habe ich Sachen gemacht, die kaum jemand im Kino je gemacht hat. Da bin ich immer vorne mit weg. Und Sie dürfen auch nicht übersehen, dass ich ab und zu als Schauspieler arbeite. Und da bin ich vorne mit weg bei ganz großen Hollywood-Produktionen. Am besten als Bösewicht natürlich.

Einer meiner Lieblingsauftritte von Ihnen ist in der Comedyserie "Parks and Recreation" als gruseliger Hausverkäufer. Man sieht, dass Ihnen das Spaß macht.

Herzog: Richtig, und das beste an diesem kurzen Auftritt habe ich im Nachhinein erfunden. Ich habe vorgeschlagen, ein eigenes Statement direkt in die Kamera zu machen. Das lautete dann so: "Ich habe 38 Jahre in meinem Haus gelebt. Aber jetzt habe ich beschlossen, es zu verkaufen, weil ich nach Orlando in Florida ziehen will, um nahe an Disneyworld zu sein." Das ist jetzt im Film drin und eine ziemlich gute Botschaft.

Da verschwimmt die Grenze zwischen Rolle und Individuum. 

Herzog: Ja, das ist reine Selbstironie. Dass man über sich selbst lachen kann, ist etwas, was ich an anderen oft vermisse. 

Mainfranken Theater Würzburg: "Jeder für sich und Gott gegen alle" – Werner Herzog im Gespräch. Mittwoch, 9. Januar, 19.30 Uhr. Karten gibt es unter der Telefonnummer (0931) 3908-124 oder per E-Mail: karten@mainfrankentheater.de.

 
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