Pierre Marotte betreibt seit fast 20 Jahren das einzige große Pfandhaus in Mainfranken. Es ist integriert in das Juweliergeschäft Goldkaiser, das Marotte 1988 in der Würzburger Innenstadt eröffnete. Im Sommer wird er die Geschäftsführung an seinen 23-jährigen Sohn Marcel übergeben. Ein Gespräch über besondere Gegenstände, den Reiz der Pfandleihe und die Menschen, die dorthin kommen.
Pierre Marotte: Über 90 Prozent sind Schmuck und Luxusuhren, das ist eigentlich wie überall in der Branche. Es gibt natürlich auch Häuser, die sind spezialisiert auf Pkw oder auf Kunstgegenstände. Aber bei uns ist die Mehrheit Schmuck. Wir haben noch einen geringen Teil aus dem technischen Bereich, also Smartphones zum Beispiel oder Laptops. Es können auch mal hochwertige Fotoapparate oder Musikinstrumente sein.
Pierre Marotte: Das ist der Vorteil bei uns. Die Kunden können sich darauf verlassen, dass wir uns mit der Sache auskennen. Das war für mich auch der Grund, die Pfandleihe zu integrieren. Als Juwelier hatte ich ja die Kenntnisse in diesem Bereich und musste sie nur erweitern.
Marcel Marotte: Das war 2016, ich musste wegen Pfeifferschen Drüsenfiebers meinen freiwilligen Wehrdienst bei der Bundeswehr kurzfristig absagen, deshalb habe ich ein Praktikum bei meinem Vater gemacht. Aber dann hat mir das, was als Lückenfüller geplant war, doch richtig gut gefallen und ich habe zwei Monate später meine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann angefangen. Gleichzeitig habe ich noch im Verbundstudium an der FHWS (Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, kurz FHWS; Anmerkung der Redaktion) meinen Bachelor in BWL gemacht.
Marcel Marotte: Zuerst hat mich die ganze Materie begeistert, also Schmuck und Uhren im Generellen. Das hat, glaube ich, den Ausschlag gegeben. Und dann ist noch das Schöne an unserer Arbeit, dass wir durch die Kombination mit dem Juwelier Menschen etwas verkaufen und gleichzeitig auch das Umgekehrte haben, also dass wir Sachen ankaufen und beleihen. Das macht die Arbeit spannend. Im Pfandbereich habe ich mit verschiedenen Gegenständen zu tun, da muss man viel beachten, auch zwecks Fälschungen oder dem Werterhalt.
Marcel Marotte: Zuerst stellen wir den Wert der Uhr fest und schauen, ob sie Beschädigungen hat. Wenn wir uns auf einen Wert geeinigt haben, bekommen Sie das Geld und einen Pfandschein. Auf dem Schein steht drauf, was Sie abgegeben haben, wie viel Darlehen Sie dafür bekommen haben, was Sie das im Monat kostet – das sind ein Prozent Zinsen – und die Kosten für Wertschätzung, Einlagerung und Versicherung. Dann haben Sie vier Monate Zeit, Ihre Uhr wieder abzuholen.
Pierre Marotte: Zunächst wird Ihnen noch ein Monat Karenzzeit gewährt. Nach fünf Monaten dürften wir die Uhr dann verwerten, also öffentlich versteigern. Das machen wir vier Mal im Jahr. Wichtig ist aber, dass die Versteigerung für uns wirklich der letzte Schritt ist.
Pierre Marotte: Ja, für mich ist das ein Risiko. Und für mich ist das auch gar nicht erstrebenswert. Denn in dem Moment, in dem ich einen Gegenstand versteigere, können Sie ihn mir nie wiederbringen. Wir beide können kein Geschäft mehr machen. Aber fast 95 Prozent der Sachen, die abgegeben werden, werden bei uns auch wieder eingelöst.
Marcel Marotte: Es ist was Besonderes, wenn wir eine sehr teure Uhr wie zum Beispiel eine Rolex Daytona bekommen. Die kann schnell mal zwischen 20 000 und 30 000 Euro wert sein. In der Preisspanne kommt das nicht jeden Tag vor.
Pierre Marotte: Wir hatten mal einen Kunden, der hat uns Anlage-Silbermünzen gebracht, aber in einer großen Menge.
Marcel Marotte: Das waren 20 Kilo, glaube ich.
Pierre Marotte: Da haben wir kistenweise diese Münzen angenommen.
Marcel Marotte: Und wir mussten den ganzen Vormittag in Anspruch nehmen, um sie überhaupt durchzuzählen.
Marcel Marotte: Das ist unterschiedlich. Es ist von 18 Jahren bis ins hohe Rentenalter alles dabei – von der älteren Dame, die an Weihnachten den Enkeln noch etwas schenken will, es aber rentenmäßig nicht hinbekommt und eine Goldkette abgibt, bis zu jüngeren Geschäftsleuten, die sich zum Beispiel eine teure Uhr gekauft haben und sie als Anlage sehen. Die tauschen dann ihre Uhr für drei Monate, weil sie in eine bestimmte Aktie investieren wollen.
Pierre Marotte: Am Anfang der Corona-Krise, beim ersten richtigen Lockdown, ist es nicht gewesen, wie man erwartete. Also, dass die Leute mehr Pfandkredite benötigt hätten. Das war eher umgekehrt.
Marcel Marotte: Viele Leute haben Sachen bei uns abgeholt, deutlich mehr als normal. Einfach weil die Möglichkeiten, Geld auszugeben, begrenzt waren. Da ist es deutlich leichter gefallen, zu sparen und die Guthaben bei uns abzulösen.