Noch bis zum 5. November ist im Würzburger Chambinzky Theater das Stück "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" zu sehen. Eine Party an der Uni, ein älteres Ehepaar, ein Witz über Virginia Woolf und die Diskussion, ob der Ehemann George (Frido Müller) darüber nur müde gelächelt oder sich totgelacht hat. Hier bricht – wieder zurück in der eigenen Wohnung – ein Streit zwischen dem Ehepaar Martha (Christina von Golitschek) und George aus, der sich nicht mehr stoppen lässt. Auch nicht als die beiden Gäste Nick (Csaba Béke) und seine Süße (Daniela Vassileva) dazu stoßen.
Während die Gäste aufgeräumt und coronakonform mit Maske zum Treffen erscheinen, hat sich der Hausherr schon provozierend in eine Schlafanzugshose begeben. Dieses provokante Outfit hätte es nicht gebraucht, auch so ist seine respektlose Haltung gegenüber den anderen Beteiligten und sein Unmut über deren Anwesenheit förmlich greifbar.
Vor Publikum kommt das ältere Ehepaar erst richtig in Fahrt, außerdem fließt Alkohol in rauen Mengen. Während sich die Gastgeber gegenseitig bloßstellen, beleidigen und demütigen, stehen die beiden Gäste zunächst nur beteiligungslos daneben und fühlen sich unwohl. Sie lehnen in der karg eingerichteten Wohnung an der Wand als würden sie auf den nächsten Bus warten. Wenn Nick sagt, dass sie vielleicht lieber gehen sollten, können die Zuschauenden diesen Wunsch gut nachvollziehen. Schon jetzt hat sich die Atmosphäre auf das Publikum übertragen. Das Gefühl zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein springt über. Wer will schon bei Freunden zu Besuch sein, wenn diese ihren Emotionen freien Lauf lassen und die hitzigen Wortgefechte eskalieren? Nick und seine Frau können sich der Situation genauso wenig entziehen wie die Zuschauenden. Doch während letztere den Streit aus der Distanz weiterverfolgen, wird das junge Ehepaar immer mehr in den Konflikt mit einbezogen.
Sie zeigen ihr wahres Ich
Das Bühnenbild zerfällt Stück für Stück und auch die Masken der Figuren fallen. Sie zeigen ihr wahres Ich. Zynische, sarkastische Kommentare werden abgelöst von derben Beleidigungen und Erniedrigungen. Auch das junge Paar wird immer mehr in die Auseinandersetzung hineingezogen und die Abgründe ihrer Beziehung treten zutage. Es wird geschrien, getobt, gewütet. Eine nicht enden wollende Auseinandersetzung, die nur um ihretwillen stattzufinden scheint.
Die geballte Wut, die sich immer mehr Bahn bricht, ist für die Zuschauenden spürbar. Während sich die Streitereien weiter zuspitzen, geraten auch die Protagonisten immer mehr in Rage. Aufgelockert wird das Schauspiel nur durch "Süße", die dem Ganzen durch ihre Naivität und Unbedarftheit an manchen Stellen etwas Witz verleiht.
Die Botschaft wird schon vor der Pause deutlich
Die Botschaft des Stücks wird schon vor der Pause deutlich. Dennoch steigert sich auch danach der Zorn der Figuren sowie deren Demütigungen ins Unermessliche weiter. Eine Eskalation reiht sich an die nächste.
Wenn Süße irgendwann "Aufhören!" schreit und Martha fragt, "Musste das sein?", tritt die Frage in den Raum, ob es nicht besser gewesen wäre, George hätte sich buchstäblich über den Virginia-Woolf-Witz totgelacht und diese Nacht wäre allen Beteiligten erspart geblieben. Für die Zuschauerinnen und Zuschauer erreichen sie hier die Grenze des Erträglichen, die Intention von Edward Albees Stück haben sie damit jedoch auf den Punkt getroffen.
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Zimmermann, Main-Post Digitales Management