Die Anwohner fühlen sich mit ihrem Problem allein gelassen und die Jäger dürfen im Wohngebiet nicht schießen. Und so frönen Wildsäue und Rehe ungeniert ihrer Lieblingstätigkeit: Futter suchen und fressen ohne Rücksicht auf die Kulturlandschaft von Menschenhand. Ein Tatort ist das Dürrbachtal und da besonders die großen Grundstücke in Hanglage entlang der Unterdürrbacher Straße. Thomas Ort ist Bürgervereinsvorsitzender, selbst Betroffener und einverstanden mit einem Lokaltermin auf dem Grundstück, das er mit Familie und Schwiegerleuten bewohnt. Hoch hinauf geht es über eine Treppenanlage zum Haus. Der Blick schweift weit übers Tal. Schön, so zu wohnen.
Wenn da nicht die Rehe und Wildschweine wären, die Gemüsebeete und Rasenflächen regelmäßig verwüsten. „Ich mag es ja, mit der Natur im Einklang zu leben. Aber was zu viel ist, ist zu viel.“ Er schildert die Vorkommnisse so: „Unser Grundstück geht hoch bis zum Heinrichsleitenweg. Von dort kommen die Wildschweine und Rehe in den Garten. Und dann richtet das Wild massive Schäden an.“
Er zählt auf: Natursteinmauern zerlegt, Pfade zertrampelt, Treppen zerstört, Holzstapel umgeworfen. Und die Rehe dringen in die Nutzgärten ein und fressen das, was die Dürrbachtaler angebaut haben. Bei Ort war etwa ein Drittel der Ernte weg.
Zäune sind oft defekt
Der Bereich um sein Haus birgt so einige Probleme. Viele der Grundstücke sind zwar bewohnt, aber nicht mehr richtig bewirtschaftet. Die Zäune sind in schlechtem Zustand und das nutzen die Wildtiere aus.
Er glaubt, dass sie vom Wald um den Flugplatz Schenkenfeld kommen und sich dann zur Futtersuche auf die ruhigen Grundstücke zurückziehen. Eine Kugel aus dem Gewehr der Jäger brauchen sie hier, in der Nähe der Wohnhäuser, nicht fürchten, denn da ist der so genannte befriedete Bereich: Jagdverbot aus Sicherheitsgründen.
Diese Informationen bekamen die etwa 50 Teilnehmer der Infoveranstaltung des Bürgervereins. Geladen waren als Gäste Kommunalreferent Wolfgang Kleiner von der Stadt, Michael Grimm als Vertreter der bayerischen Staatsforsten und der zuständige Jagdpächter Norbert Schaller. Das Motto des Abends: „Schäden durch Wildbestand im Dürrbachtal“. Ort moderierte den Abend. Und wenn er jetzt nach der Veranstaltung einen Tenor wiedergeben sollte? „Wir Anwohner werden nicht ernst genommen.“
Ein anderer Teilnehmer des Abends, der Kontakt mit der Redaktion aufgenommen hat, meint lapidar: „Wenn die Verwüstungen in unseren Gärten nicht irgendwie abgestellt werden können, müssen wir sie halt aufgeben.“ Er spricht noch einen weiteren interessanten Punkt an: Diese Grundstücksflächen wurden bei der Ersterschließung der Unterdürrbacher Straße mit veranschlagt. „Und nun sehen Stadt und Jäger keine Möglichkeit, uns beim Schutz unseres bedrohten Eigentums zu unterstützen. Das ist bitter.“
Der Anwohner hat sich jetzt mit Nachbarn zusammengetan und einen Wildzaun gebaut. Doch die Tiere finden immer wieder ihre Wege zum Futter.
In den vergangenen Jahren hatten Wildschweine bei ihm unter anderem eine Bruchsteinmauer bei einer Holzlege, die 25 Meter vom Wohnhaus entfernt ist, auf einer Länge von zwei Metern komplett mit dem dahinterliegenden Erdreich abgegraben. Der Garten wurde von den Schweinen in diesem Bereich umgepflügt. Da wuchs im Sommer kein Gras mehr. Ort kennt all diese Geschichten. Er hat jetzt einen Elektrozaun installiert, um wenigstens seinen Gemüsegarten zu schützen. Der Rest bleibt dem Wild überlassen.
Er hat mal die Ängste und Befürchtungen der Dürrbachtaler zusammengefasst, die am Infoabend geäußert wurden: Hohe Kosten durch Reparaturen, Ernteausfälle und Befürchtungen bei Familien mit Kindern vor Zusammenstößen mit Wildschweinen.
Auch Elmar Tell kann ein Lied von der Effizienz der Schwarzkittel singen. Er ist Vorsitzender des Flugsportclubs Würzburg am Schenkenfeld. Auf dem Gelände des Vereins, entlang der Landebahnen, haben die Wildschweine über die Jahre hinweg beträchtliche Schäden angerichtet. Bisher gab es noch keine Probleme mit den Tieren bei Starts und Landungen. Die sind wegen der Nachbarn ab 18.30 Uhr verboten und das Wild kommt erst später aus dem Unterholz.
Aktuell gibt es wieder aufgegrabene Bereiche genau neben der Landebahn. Martin Jordan ist Pilot und Jäger. Er darf im Revier auch auf Schweinejagd gehen. Die Tiere sind jetzt auf der Suche nach Eiweiß in Form von Würmern und Mäusenestern. „Das gibt Kraft für den Winter“, erklärt Jordan. Und daher buddeln die Schwarzkittel den Boden auf.
Und wenn es solche Schäden gibt, rücken die Mitglieder des Flugsportclubs mit Schaufeln an und beseitigen die Spuren im Boden. Eine mühevolle Aufgabe. Jordan weiß von anderen Orten, an denen es eine Wildschweinplage gibt: Steinbachtal, Heuchelhof und die Baustelle an der A 3. „Dort wurde den Tieren ihr natürlicher Weg genommen.“
Die Jäger konnten den Hauseigentümern wenig Hoffnung machen bei ihren Wildproblemen. Der Gesetzgeber verbietet die Jagd in den befriedeten Gebieten. Zu groß wäre die Gefahr, dass eine verirrte Kugel einen Menschen schwer verletzt oder gar tötet. Der anwesende Jagdpächter nannte mal eine Zahl über den Zeitaufwand bei der Wildschweinjagd: pro Schwein braucht der Jäger durchschnittlich 30 Stunden auf dem Hochsitz. Und die Jagd ist wegen der Lichtverhältnisse nur an wenigen Tagen möglich.
Undurchdringliche Dickichte
Für die Jäger sind das die Probleme im Dürrbachtal: Grundstücke werden nicht mehr bewirtschaftet, Eicheln und Fallobst nicht mehr gesammelt. Die Bereiche verbuschen stark und sind dann für Menschen nahezu undurchdringlich. Und diese Dickichte bieten dann die optimalen Bedingungen für das Wild und die Aufzucht der Jungtiere.
Und was kann die Stadt Würzburg für die Dürrbachtaler tun? „Es sind Wildtiere, da stehen wir nicht in der generellen Verantwortung“, sagt Kommunalreferent Wolfgang Kleiner. Aber er nimmt die Probleme und Schäden dennoch ernst. „Wir haben Jäger in dem Bereich und wissen um die Gefahrenlage und die besondere Sorgfaltspflicht.“
Kleiner hat etwas mit den Jägern vereinbart, um die Population der Schwarzkittel in den Griff zu bekommen: außerhalb der Wohngebiete wird es noch im Herbst und Winter zwei Drückjagden geben. Wer sich die Abschusszahlen für Wildschweine mal anschaut, sieht, dass sie erfolgreich sind: Jagdjahr 2013/14 71 Abschüsse, 2014/15 135 und 2015/16 196. Laut Kleiner gibt es keine verfügbaren Zahlen über den Schwarzwildbestand im Stadtgebiet.
Michael Grimm von den Bayerischen Staatsforsten hat in einem Gespräch mit der Redaktion klare Vorstellungen von einer Lösung: Man müsse zuerst die Grundstückseigentümer verpflichten, ihre Anwesen vom Buschland zu befreien. Er schlägt einen runden Tisch vor, den die Stadt moderieren solle. „Einer muss das koordinieren, ein Maßnahmenpaket zusammenstellen und Fördermöglichkeiten ausloten. Das gehört zur städtischen Fürsorge vor Ort.“
Gravierende Vorfälle mit Wildschweinen in den vergangenen Jahren
Es gibt einige Fälle, in denen gerade Schwarzkittel in Würzburg und Umgebung in Siedlungen eingedrungen sind und dort gewütet haben.
Der wohl spektakulärste Fall ereignete sich November 2014 in Würzburg im Kickersstadion am Dallenberg. Ein verletzter Keiler war eine steile Treppe hinuntergaloppiert und hatte vor der Eingangstüre der Vereinsgaststätte einen 68-jährigen Mann attackiert. Der konnte sich in letzter Sekunde retten, bevor das wütende Tier mit voller Wucht gegen die Glastüre prallte. Trotz einer ausgiebigen Suche durch die Polizei verschwand das Wildschwein.
Im gleichen Monat ereignete sich ein ähnlicher Fall in Gemünden. Ein Wildschwein nahm vor einer Drückjagd Reißaus und rannte durch die Stadt. Dabei scheuchte das Tier Feuerwehrleute und Polizeibeamte auf, die gerade zu einem Autounfall ausgerückt waren.
Im Februar 2015 erschoss die Würzburger Polizei ein Wildschwein, das große Schäden in einer Kleingartenanlage an der B 27 in der Dürrbachau angerichtet hatte. Weil die Gefahr bestand, dass das verstörte Tier auf die viel befahrene Straße oder gar auf die Bahnstrecke rennen würde, wurde es aus Sicherheitsgründen erlegt.