Gleich zwei Verteidiger begleiten eine 37-Jährige zu ihrem Prozess. Die Jagdhundbesitzerin ist der Meinung, dass es nur ihre panische Angst vor Schäferhunden ist, die sie vor das Amtsgericht gebracht hat.
„Gefährliche Körperverletzung“ wirft die Staatsanwaltschaft der Bürokraft vor. Im Juli vergangenen Jahres, so die Anklage, habe sie auf einem Feldweg einer anderen Hundebesitzerin aus kurzer Entfernung eine Ladung Pfefferspray ins Gesicht gesprüht. Sie fürchte sich vor Schäferhunden, lässt die 37-Jährige einen ihrer Verteidiger erklären. Sowohl sie selbst als auch ihr Hund seien schon mal von einem solchen Tier gebissen worden. Deshalb habe die 37-Jährige auch stets Pfefferspray dabei, wenn sie mit ihrem Jagdhund jogge.
Opfer erzählt eine andere Geschichte
Am 20. Juli seien Frauchen und Hund auf eine andere Hundebesitzerin getroffen. Die Tierarzthelferin habe ihren Schäferhund ausgeführt. Plötzlich habe sich das angeleinte Tier aufgebäumt, habe gebellt und die Zähne gefletscht. Deshalb habe die Bürokraft ihr Pfefferspray gezückt und „eher auf den Hund gezielt“.
Dass sie die Besitzerin getroffen hatte, dass die Frau zu Boden ging, habe sie nicht gemerkt. „Aus Angst“ vor dem immer noch angeleinten Hund sei sie ganz schnell zu ihrem Auto gelaufen und habe sich nicht um die Verletzte gekümmert.
Das Opfer der Pfefferspray-Attacke erzählt eine andere Geschichte. Die Tierarzthelferin ist Hundeführerin in einer Rettungshundestaffel, ihr Schäferhund ist als Rettungshund ausgebildet und war nach ihren Worten im vergangenen Jahr „16 Mal bei der Suche nach Vermissten“ im Einsatz. Der frei laufende Jagdhund der Angeklagten habe ihren angeleinten Schäferhund fixiert und sei auf ihn zugerannt, sagt die Frau im Zeugenstand. Weil die Besitzerin ihr Tier nicht zurückrief, habe sie einen Bund kleine, leichte, klappernde, in der Hundeerziehung verwendete Metallscheiben, in seine Richtung geworfen. „Die Discs setzen dem Hund ein Stopp.“ Die Maßregelung des fremden Hundes sei erfolgreich gewesen, erzählt die Frau dem Gericht, der Jagdhund sei ruhig an ihr und ihrem Rettungshund vorbei gelaufen.
Allein gelassen in hilfloser Lage
Seine Besitzerin jedoch nicht. Die 37-Jährige sei auf sie zu gekommen. „Du schmeißt nichts nach meinem Hund“, habe sie gesagt – und ihr unvermittelt eine Ladung Pfefferspray ins Gesicht gesprüht. „Es brannte höllisch, ich habe keine Luft gekriegt und nichts mehr gesehen“, so die Tierarzthelferin im Zeugenstand. Sie sei in die Knie gegangen und als sie „mal kurz die Augen öffnen“ konnte, seien die andere Frau und ihr Hund verschwunden gewesen „Für mich war es das Schlimmste, dass sie mich in dieser hilflosen Lage allein gelassen hat.“ Glücklicherweise befand sich ein Bach in der Nähe. Dort, so die Schäferhundbesitzerin, habe sie sich die Augen ausgewaschen. Mit ihrem Handy rief sie Polizei und Rettungsdienst, ein zufällig vorbei kommender Jäger kümmerte sich um den Schäferhund, der die Sache unbeschadet überstanden hatte.
Mit dem Krankenwagen wurde die Frau in die Uni-Augenklinik gefahren. „Hier hat man mir gesagt, dass ich schwere Hornhaut-Verletzungen hätte davon tragen können“, sagt sie vor Gericht. Noch mehrere Tage habe sie Schmerzen gehabt und sich gefühlt „wie bei einem schweren Sonnenbrand“. Im Gerichtssaal bittet die Angeklagte das Opfer um Verzeihung und erklärt sich bereit, der Tierarzthelferin 500 Euro zu zahlen.
Staatsanwaltschaft fordert 120 Tagessätze a 10 Euro
Die Staatsanwältin fordert für die 37-Jährige, die nach eigenen Angaben nur 440 Euro verdient, wegen gefährlicher Körperverletzung eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10 Euro, insgesamt also 1200 Euro. Für die Verteidigung steht in dem Verfahren „Aussage gegen Aussage“, sie hält eine Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung zu 30 Tagessätzen a 10 Euro, insgesamt 300 Euro, für angemessen.
Das Gericht hat jedoch keine Zweifel, dass die Tierarzthelferin die Wahrheit gesagt hat und verurteilt die Jagdhund-Besitzerin wegen gefährlicher Körperverletzung zu fünf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Als Auflage muss die 37-Jährige 80 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Was sie getan hat, sei „eine Nummer zu heftig für eine Geldstrafe“, so der Richter in der Urteilsbegründung. Der Pfefferspray-Angriff sei ein „Racheakt“ gewesen, weil die Tierarzthelferin etwas nach dem Hund geworfen hat. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.