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Würzburg
Wenn es drückt und schmerzt: Wie Sie richtig mit einem Reizdarm umgehen
Jeder Zehnte leidet darunter: Blähungen und Bauchschmerzen können ihre Ursache in einem Reizdarm haben. Was ist zu tun? Die wichtigsten Antworten von zwei Experten.
Bauchschmerzen können verschiedene Ursachen haben. Bei vielen ist es ein Reizdarmsyndrom.
Foto: fotolia | Bauchschmerzen können verschiedene Ursachen haben. Bei vielen ist es ein Reizdarmsyndrom.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 27.04.2023 12:44 Uhr

Es ist ein Volksleiden. Jede beziehungsweise jeder zehnte Deutsche plagt sich mit dem sogenannten Reizdarmsyndrom (RDS), mit Blähungen oder Schmerzen. Frauen sind etwas stärker betroffen als Männer, häufig gibt es eine familiäre Vorbelastung. Doch Symptome und Therapie sind sehr individuell. Wie verbreitet das Problem ist, zeigt die Resonanz auf die jüngste digitale Abendsprechstunde von Uniklinikum Würzburg und Main-Post-Akademie mit fast 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmern – und jeder Menge Fragen an die beiden Experten, den Gastroenterologen Prof. Alexander Meining und die studierte Diätassistentin Constanze Wolz. Hier ihre wichtigsten Antworten.

Wann ist von einem „Reizdarm“ zu sprechen? Was sind die häufigsten Symptome?

Die häufigsten Symptome sind Bauchschmerzen oder Blähungen, die auf den Darm bezogen werden und in der Regel mit Stuhlgangsveränderungen einhergehen. Wenn diese länger als drei Monate andauern oder immer wieder auftreten, spricht man von einem Reizdarm. Vorab müssen andere Erkrankungen, die ähnliche  Symptome hervorrufen können (wie etwa chronisch entzündliche Darmerkrankungen) ausgeschlossen werden.

Gibt es unterschiedliche Typen von Reizdarm?

Zu unterscheiden sind drei Typen, je nachdem, ob sie von einer Diarrhoe (Durchfall) oder einer Obstipation (Verstopfung) bestimmt werden. Zudem gibt es einen Mischtyp, bei dem vor allem Blähungen und Schmerzen im Mittelpunkt stehen.

Welche Rolle spielt die Ernährung und wie sollte man sie bei Problemen verändern?

Die Ernährung spielt eine wesentliche Rolle. "Wir empfehlen zunächst ein sogenanntes Ernährungstagebuch über etwa einem Monat zu führen, in dem dokumentiert wird, was gegessen wurde und zu welchen Beschwerden dies entsprechend geführt hat", rät Diätassistentin Wolz. Somit könne man Auslöser identifizieren. Erste Schritte in der Therapie – durch Meidung der identifizierten Nahrungsmittel – werden in die Wege geleitet.

Wann ist eine bestimmte Diät sinnvoll?

Vor allem dann, wenn konkrete Nahrungsbestandteile im Ernährungstagebuch definiert wurden. Manchmal können auch klar definierte Diäten (wie etwa eine low-FODMAP-Diät, bei der unter anderem auf Weizen, Hülsenfrüchte und Milchprodukte verzichtet werden muss) Reizdarmbeschwerden kurz- bis mittelfristig lindern.

Für den Darm ist es besser, sich ballaststoffreich zu ernähren. Neben Getreide- und Vollkornprodukten gehört tägliches Obst und Gemüse dazu.
Foto: Robert Günther, dpa | Für den Darm ist es besser, sich ballaststoffreich zu ernähren. Neben Getreide- und Vollkornprodukten gehört tägliches Obst und Gemüse dazu.

Ist der Einsatz von Medikamenten oder natürlichen Heilmitteln anzuraten?

Bei länger dauernden Beschwerden oder fehlendem Erfolg diätetischer Maßnahmen helfen vielfach Medikamente. Welches in Frage kommt, muss individuell vom Arzt herausgefunden werden. Natürliche Heilmittel sind ebenfalls oft hilfreich, sollten jedoch genauso individuell, abhängig vom Reizdarm-Typ und den dominierenden Beschwerden eingenommen werden.

Kann es noch andere Ursachen für Blähungen und Schmerzen geben, außer der Ernährung?

Vom Gastronenterologen Meining kommt ein klares "Ja". Häufig werde zu viel Luft beim Essen verschluckt – vor allem, wenn zu schnell und zu viel auf einmal gegessen wird. Kohlensäurehaltige Getränke, die oft auch noch mit Zuckerersatzstoffen gesüßt wurden, seien ebenfalls häufige Auslöser. "Dann gibt es noch andere, seltenere Ursachen – wie beispielsweise Engstellen im Darm, eine Histamin-Intoleranz oder ein Mangel an Bauchspeichelenzymen."

Besteht ein Zusammenhang zwischen einem „Reizdarm“ und Erkrankungen wie Divertikulitis, Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa?

Da ein Reizdarm eine Ausschlussdiagnose ist, sollten die genannten Erkrankungen nicht gleichzeitig bestehen – sonst ist es kein Reizdarm. Mediziner Meining weist aber darauf hin, dass sie teilweise ähnliche Symptome hervorrufen können.

Besteht ein Zusammenhang zwischen einem Reizdarm und einem geschwächten Immunsystem?

Ein direkter Zusammenhang ist nicht zu erkennen. "Wir wissen jedoch, dass manche Erkrankungen durch Stress und Belastungssituationen eine negative Auswirkung auf Reizdarm-Symptome haben können", berichtet Meining aus Erfahrung mit Patientinnen und Patienten.

Also gibt es auch psychische Faktoren oder Wechselwirkungen?

Untersuchungen zeigen, dass sich psychische Faktoren sehr häufig negativ auf einen Reizdarm auswirken. Beispiel: der "imperative Stuhldrang" in Prüfungs- oder Belastungssituationen. Umgekehrt können ständige Darmbeschwerden auf die Psyche schlagen. Außerdem weiß man mittlerweile, dass es eine enge Wechselwirkung zwischen dem Nervengeflecht des Darms („Bauchhirn“) und der Wahrnehmung von Schmerzen gibt.

Informierten und beantworteten bei der digitalen 'Abendsprechstunde' jede Menge Fragen: Gastroenterologe Prof. Alexander Meining und die studierte Diätassistentin Constanze Wolz.
Foto: Susanne Just / privat | Informierten und beantworteten bei der digitalen "Abendsprechstunde" jede Menge Fragen: Gastroenterologe Prof. Alexander Meining und die studierte Diätassistentin Constanze Wolz.

Kann Alkohol die Darmprobleme verschlimmern?

Alkohol, vor allem in hohen Maßen, führt zu Verdauungsproblemen im Sinne von flüssigen oder weichen Stuhlgängen. Langfristig hoher Alkoholkonsum schädigt zudem die Bauchspeicheldrüse, "was zu einer eingeschränkten Verdauung und damit auch zu Darmproblemen führt beziehungsweise  diese sicherlich verschlimmert", so Meining.

Kann der Einnahme von Antibiotika das Reizdarmsyndrom auslösen?

Kurzfristig können Antibiotika Stuhlprobleme hervorrufen. Dass allerdings ein chronisches Reizdarmsyndrom durch die einmalige Einnahme von Antibiotika hervorgerufen wird, gilt als unwahrscheinlich.

Wie lässt sich die Darmflora verbessern?

Tipp von Diätassistentin Wolz: "Am einfachsten durch Milchsäurebakterien, die wir über die Nahrung aufnehmen – zum Beispiel Sauerkraut, Kefir, Joghurt."

Wann sollte ich einen Arzt aufsuchen?

Auf jeden Fall dann, wenn die Beschwerden heftig sind und die Lebensqualität stark beeinflussen. Bei Gewichtsverlust und Blut im Stuhl sollte dies rasch erfolgen.

Der Darm ist das größte innere Organ des Menschen und kann bis zu acht Meter lang werden.
Foto: fotolia | Der Darm ist das größte innere Organ des Menschen und kann bis zu acht Meter lang werden.

Sollte ich in jedem Fall eine Darmspiegelung machen?

Eine einmalige Darmspiegelung hilft, andere Erkrankungen, wie etwa eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung auszuschließen. Bei Personen über 50 Jahren erscheint die Endoskopie auch im Sinne einer Darmkrebsvorsorge sinnvoll.

Kann Bewegung bei Reizdarm-Problemen helfen? In welcher Intensität und Regelmäßigkeit?

Regelmäßige Bewegung (mindestens 30 Minuten pro Tag mit mittlerer Intensität) ist ratsam. "Beim Reizdarm vom Obstipationstyp ist Bewegung ein gutes Mittel, die Verstopfungsproblematik zu lindern", empfiehlt Meining.

Und wie ist es mit Entspannungstechniken, zum Beispiel Yoga?

Auch diese helfen oft sehr gut. Gerade beim RD-O Typ, also dem durch Verstopfung ausgelösten Reizdarm.

Im Fernsehen wird intensiv für Medikamente bei Reizdarm geworben. Was ist davon zu halten?

Meining berichtet von gut durchgeführten Untersuchungen, die tatsächlich einen Vorteil der dort propagierten Präparate zeigen – häufig handelt es sich um Milchsäurebakterien oder deren Bestandteile. "Es gibt jedoch auch hier eine Vielzahl von Präparaten mit unterschiedlicher Wirksamkeit und unterschiedlichem Erfolg, je nach Reizdarm-Typ", sagt der Experte. Viel falsch machen könne man damit nicht. "Stellt sich jedoch nach einigen Wochen keine Besserung ein, macht es auch keinen Sin,n diese Medikamente weiter zu nehmen."

Welche sonstigen Behandlungs- und Therapiemöglichkeiten gibt es?

Neben vielen Medikamenten hilft oft Pfefferminzöl bei Krämpfen und Blähungen. Außerdem Ballaststoffe wie Flohsamenpräparate. Nicht zu vergessen sind psychosomatische Therapieansätze, die oft zu einer erheblichen Besserung führen.

Was kann ich selbst zur Prävention beitragen?

Methoden, einem Reizdarmsyndrom vorzubeugen, gibt es nicht. Wichtig zu wissen aus Sicht von Fachmann Meining: "Ein Reizdarm kann zwar lästig und belastend sein, führt jedoch nicht zu Komplikationen oder schwerwiegenden Folgeerkrankungen. Allein dieses Wissen hilft oft schon, mit der Erkrankung besser umgehen zu können."

Für Fragen steht die ernährungsmedizinische Ambulanz der Würzburger Uniklinik zur Verfügung: Tel. (0931) 201-40166 oder -40201. E-Mail: gastro_mp@ukw.de

 
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  • R. E.
    Da gibt es doch das bekannte Mittel aus der TV-Werbungs-Primetime.....
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