Das Büro wird für immer mehr arbeitende Menschen in Deutschland zum zweiten Wohnzimmer. So dominieren in 23 von 90 Wirtschaftszweigen die Büro-Jobs. Tendenz steigend: Ihr Anteil hat von 2013 bis 2018 um knapp zehn Prozent zugenommen.
Diese Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln gehen einher mit einem gestiegenen Bewusstsein der Chefs, unter welchen Bedingungen ihre Büroangestellten arbeiten. Es kommt der Aspekt hinzu, dass Büroarbeit heute mit Smartphones und Laptops von überall aus geleistet werden kann. Und: Im Zuge flacher gewordener Hierarchien und alternativer Arbeitsweisen in immer mehr Unternehmen braucht es keine verschlossenen Chefzimmer oder starre Schreibtisch-Reihen mehr.
Stellt sich somit die Frage: Wie sieht das Büro der Zukunft aus? Diese Frage ist auch eine psychologische, ist Daniel Rüttiger überzeugt. Geht es doch um das gleichermaßen reibungslose und effektive Miteinander von Menschen in Unternehmen. Und das müsse in die Baupläne einfließen. Rüttiger ist zusammen mit Jochen Bähr Geschäftsführer von Büroforum in Würzburg, einem seit 20 Jahren unter anderem auf den Handel mit Büroeinrichtungen spezialisierten Unternehmen.
Büroforum ist schon deshalb ein passendes Beispiel für neues Denken rund um Schreibtisch, Kaffee-Ecke und Drehstuhl, weil Rüttiger vor neun Jahren extra für dieses neue Denken engagiert wurde. Der 50-Jährige hat Psychologie studiert und arbeitete später unter anderem als Psychotherapeut. Sein Wissen über Kommunikation und Zwischenmenschliches führt ihn beim Planen von Büros zu dem Credo: Menschen funktionieren in einem Raum nur, wenn der Raum funktioniert.
Um hier die passenden Lösungen zu finden, mischt sich Rüttiger schon mal einen Tag lang unter die Belegschaft des Kunden. So wolle er bis ins Detail herausfinden, wie die täglichen Abläufe in den Büros sind. Um dann in intensiven Gesprächen mit den Chefs und mit Hilfe von 150 standardisierten Fragen einen ersten Plan des neuen Büros zu machen.
Was im Büro störend sein kann
Dabei müssen die Chefs durchaus die Hosen runter lassen. Denn bei den Treffen in den Unternehmen werde oft ungeschminkt deutlich, was in deren Büroalltag nicht gut laufe, sagt Rüttiger.
Das fängt für ihn bei Blumentöpfen, Kuscheltieren oder Wandbildern an: Wenn sich Mitarbeiter ihren Büroarbeitsplatz allzu individuell gestalten, sei das nicht förderlich für die Arbeit. Denn die Individualität des einen störe unter Umständen die Individualität des anderen - und störe damit das Ganze. Das Büro der Zukunft ist für Rüttiger eher ein anonymes. "Wir schaffen nicht Räume für den Einzelnen, sondern für die Gruppe."
Was dabei herauskommt, nennt sich gerne Open Space. Offener Raum also, der eine Mischung aus Besprechungszonen im Lounge-Stil, doch dem einen oder anderen Einzelzimmer als Rückzugsraum, Workcafés und Gruppen von Schreibtischen im Stil klassischer Großraumbüros darstellt. Auch Duschen für jene Mitarbeiter, die mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen, oder Büroräume ganz ohne Schränke sind auf Rüttigers Plänen mitunter zu finden.
Warum die Kaffeemaschine schon mal weit weg ist
Großraumbüros in ihrer Reinform seien im Übrigen aus der Mode, weiß Rüttiger. "Auch Home Office geht deutlich zurück." Gefragt seien vielmehr Büro-Einheiten mit Räumen, die je nach Art der Arbeit in Anspruch genommen werden - von allen im Team. Da kommt es vor, dass Rüttiger die Ecke mit den Kaffeemaschinen bewusst ans Ende des Trakts setzt: Die Mitarbeiter sollen ruhig mal aufstehen und ein paar Meter gehen - Gesundheit spiele ja bei der Planung der Büros auch eine wachsende Rolle.
Diese Erkenntnis hat Rüttiger freilich nicht allein. So sorgte der Arzt und Unternehmer Eric Söhngen in Würzburg mit seiner Äußerung für Aufsehen, dass sich Büromenschen regelrecht zu Tode sitzen. Also brachte er "Walkolution" auf den Markt, einen Schreibtisch mit Laufband zu Füßen des Benutzers. Ein weiteres Beispiel, das zeigt: Das Büro von heute hat kaum noch was mit dem von gestern zu tun.
Wie es den Mitarbeitern geht, wie ihnen mit Blick auf erfolgreiches Arbeit Gutes getan werden kann: Dafür haben Unternehmer offenbar immer feinere Antennen. Er beobachte, dass sich diese Chefs "jetzt mit dem Menschen beschäftigen", so Rüttiger. Das schlage sich auf seine Planung von Büros nieder: "Wir wollen ja nicht nur Möbel verkaufen."
Wie sich Büroforum gewandelt hat
Schon vor zehn Jahren machte Büroforum-Chef Jochen Bähr den Schwenk weg vom reinen Händler hin zum Planer. Am Anfang habe er dafür eine Halbtagskraft eingesetzt, die in die Pläne "ein paar Tische reinmalte". Heute beschäftigen Rüttiger und er für diesen Bereich acht Mitarbeiter, in der Mehrzahl Architekten. Etwa die Hälfte des Geschäfts von Büroforum mit seinen 65 Beschäftigten entfällt inzwischen auf den Bereich Planen.
Wie das staubige Büro von einst heute aussehen kann, machen große Unternehmen wie Google oder Microsoft seit Jahren vor. Dort findet man zum Beispiel Wellnessbereiche und architektonisch ausgefallene Räume. In der Flixbus-Zentrale in München gibt es gar eine Rutsche zwischen zwei Stockwerken: Mitarbeiter dürfen auch mal wieder Kind sein.
Das Frankfurter Zukunftsinstitut sieht all diese früher undenkbaren Zustände in Unternehmen in einem "Megatrend" gebündelt: New Work. Diese "neue Arbeit" sei ein epochaler Umbruch und stelle "die Potenzialentfaltung eines jeden einzelnen Menschen in den Mittelpunkt". Es gehe um "die gelungene Symbiose von Leben und Arbeiten".
All die dafür gedachten Wellness-Bereiche, ausgefallenen Büromodelle und sowieso all das Moderne bringen freilich wenig, wenn die Unternehmenskultur nicht passt. Rüttiger will auch hier ansetzen: Er bietet für Büroforum das Seminar "Neue Arbeitswelten" an. Dort will er Unternehmern zeigen, wie sie beides bekommen: effizientere Arbeit in den Büros und zufriedene Mitarbeiter.