zurück
GIEBELSTADT
Wenn der Hamster zum Nutztier wird
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 11.12.2019 18:42 Uhr

Der Feldhamster ist ein anspruchsvoller Zeitgenosse. Am liebsten gründet er seinen Hausstand in tiefgründigem, fruchtbarem Lößboden. In den Äckern also, die auch Bauern am meisten schätzen und partout nicht als Öko-Ausgleichfläche verkaufen wollen.

An diesem Dilemma wäre der Bau der Giebelstadter Ortsumgehung beinahe gescheitert. Doch jetzt gibt es eine Lösung, die Hamster, Wiesenweihe und Landwirte gleichermaßen zufriedenstellen soll. Sie hat Pilotcharakter und könnte beispielgebend für andere Bauvorhaben im Freistaat sein.

Rund 25 Hektar Ausgleichsfläche sind nötig, um die Folgen wettzumachen, die der Bau der acht Kilometer langen Ortsumfahrung verursacht. Statt Ausgleichsflächen wie üblich zu kaufen – was auf freiwilliger Basis praktisch unmöglich war – erlaubt das bayerische Naturschutzrecht seit einigen Jahren eine Pachtlösung.

Im konkreten Fall hat sich die Gemeinde Giebelstadt verpflichtet, auf unbegrenzte Zeit Flächen vorzuhalten, die nach artenschutzgerechten Kriterien bewirtschaftet werden. Weil ihr die Flächen nicht gehören, braucht sie Landbesitzer, die ihre Äcker auf bestimmte Zeit dafür zur Verfügung stellen.

Offen war bisher die Frage, was unter dieser artenschutzgerechten Bewirtschaftung genau zu verstehen ist, und unter welchen Bedingungen die Landwirte ihre Äcker oder Teile davon hergeben sollen. Eine Informationsveranstaltung mit Vertretern des Staatlichen Bauamts und des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) brachte jetzt Aufklärung.

Heiko Lukas von AELF, der das Bewirtschaftungskonzept erarbeitet hat, setzt auf eine Art Drei-Felder-Wirtschaft. Entlang von Äckern sollen demnach drei parallele Streifen angelegt und im mehrjährigen Wechsel mit Luzerne, einer Blühpflanzenmischung und Getreide eingesät werden.

Die Luzerne gibt dem Hamster Deckung und sorgt dafür, dass der Tisch der Wiesenweihe reichlich mit Mäusen und anderen Kleintieren gedeckt ist. Im Blühstreifen finden Insekten, Vögel und Niederwild Schutz und Nahrung. Und das Getreide, das nicht vor dem 1. Oktober geschnitten werden darf, liefert dem Hamster den Wintervorrat. Wirtschaftlich nutzbar sind die Ausgleichsflächen nicht, sagt Heiko Lukas. Den Landwirten muss also ein entsprechender finanzieller Ausgleich geboten werden, der sich nach seiner Ansicht am Erlös eines Weizenfeldes orientieren sollte.

„Statt Getreide baut der Landwirt dann eben Hamster an“, scherzt Lukas. Der Nager wird zum Nutztier.

Die Preisverhandlungen sind die Sache des Staatlichen Bauamts und der Landwirte, deren Interessen vom Bauernverband vertreten werden. Lukas schlägt dabei eine Nutzungsdauer von sechs Jahren mit Verlängerungsoption und eine Breite der Streifen von drei mal zwölf Metern vor. Dies entspreche den Arbeitsbreiten moderner Landmaschinen.

Damit die geschützten Arten in den Refugien ungestört leben können, sollten die Ausgleichsflächen mindestens 250 Meter von Siedlungen und viel befahrenen Straßen entfernt sein. Auch die Nähe zu Wäldern ist ein Ausschlusskriterium. Allerdings können die Flächen auch in anderen Gemarkungen des südlichen Landkreises liegen – vorausgesetzt Wiesenweihe und Feldhamster sind dort bereits zu Hause.

Zum Tragen kommt das Ausgleichskonzept zwar erst mit dem Baubeginn an der Ortsumgehung, und der kommt, nach dem gegenwärtigen Zeitplan frühestens 2020. Um die Bewirtschaftung in die Fruchtfolge einplanen zu können, sollten die Flächen aber bereits im kommenden Jahr feststehen.

Giebelstadts Bürgermeister Helmut Krämer möchte ebenfalls frühzeitig die geforderten Flächen beisammen haben, um so auch eine wenig Druck auf das bevorstehende Planfeststellungsverfahren auszuüben. Dass es eines solchen Drucks nicht bedarf, betonte der Leiter des Bereichs Straßenbau am Staatlichen Bauamt, Michael Fuchs.

Das Planfeststellungsverfahren werde derzeit vorbereitet und soll im zeitigen Frühjahr 2018 eröffnet werden. Ein zügiges Verfahren vorausgesetzt, könnte 2019 Baurecht ergehen, vorausgesetzt, es kommt nicht zu Widersprüchen und Rechtsstreitigkeiten. Wie bereits von Staatssekretär Gerhard Eck in Aussicht gestellt, könnte dann 2020 der erste Spatenstich sein.

Für Bürgermeister Krämer herrscht kein Zweifel, dass es bis dahin gelingt, die erforderlichen 25 Hektar Ausgleichsfläche zusammen zu bekommen. Die ersten vier Hektar waren ihm bereits direkt nach der Info-Veranstaltung angeboten worden. Wenn das Angebot größer ist als der Bedarf, gelte das Prinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Giebelstadt
Gerhard Meißner
Gerhard Eck
Helmut Krämer
Landwirte und Bauern
Landwirtschaftsämter
Michael Fuchs
Nutztiere
Planfeststellung und Planfeststellungsverfahren
Umgehungsstraßen
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top