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OCHSENFURT
Wenn Carmen in der Sauna auf Carmina trifft
Ein beeindruckendes Bild boten die rund 200 Sänger und 60 Musiker bei der Aufführung der „Carmina Burana” auf der 24 Meter breiten Bühne.
Foto: Gerhard Meißner | Ein beeindruckendes Bild boten die rund 200 Sänger und 60 Musiker bei der Aufführung der „Carmina Burana” auf der 24 Meter breiten Bühne.
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:36 Uhr

Der Saal scheint zu beben, als das erste Lied aus Carl Orffs „Carmina Burana“ aus rund 200 Kehlen ertönt. Spielend macht die Klangfülle die akustischen Defizite der Dreifachturnhalle wett. Es ist der kulturelle Höhepunkt des Jahres für Ochsenfurt. Und rund 800 Gäste wollen sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Die Stuhlreihen in der auf Sauna-Verhältnisse aufgeheizten Halle sind fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Ein Indiz für das Bedürfnis, das in der Stadt nach einem hochklassigen Kulturangebot herrscht.

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Das wird schon am Applaus deutlich, mit dem das Publikum die 60 Musiker der Russischen Philharmonie St. Petersburg und Dirigent Wolfgang Kurz empfängt. Eine Dreiviertelstunde lang unterhalten sie zum Auftakt des Konzertabends mit Auszügen aus der Bizet-Oper „Carmen“ - jedes Stück ein Ohrwurm.

Die Bühnenbauer und Tonmeister Ronald Jenkner haben sich in den Tagen zuvor mächtig Mühe gegeben, die Sportstätte in einen veritablen Konzertsaal zu verwandeln. Mit einem Ergebnis, das Jenkner nicht bis zum Letzten zufrieden stellt. Die Halle schluckt zu viel, sagt er, „die Akustik ist zu stumpf.“ Ein leichter Hall würde die Musik voller, voluminöser erklingen lassen. Doch gerade das versucht man bei Turnhallen zu vermeiden.

Für die Aufnahme, die Jenkner von dem Konzertabend erstellt, lässt sich der Klang später am Mischpult nachbearbeiten. Für die Akteure auf der Bühne gilt diese Option nicht. Ohne künstliche Verstärkung sind sie auf die Kraft ihrer Stimmen und den Klang ihrer Instrumente angewiesen.

Nicht nur ein musikalisches, sondern auch ein gesellschaftliches Ereignis sollte der Konzertabend werden. Zwei Stunden vor dem Ereignis beginnt sich deshalb der Hof zwischen Mittelschule und Turnhalle zum Sektempfang zu füllen. Ein lockeres Sehen und Gesehen-Werden an einem lauen Sommerabend.

Bei Kulturreferentin Renate Lindner und Allianzmanager Bastian Lange hat die Anspannung zu diesem Zeitpunkt ihren Höhepunkt erreicht. Lindner hatte die Idee zur Aufführung der Carmina Burana. Als gebürtige Deggendorferin hatte sie Carl Orff zu ihrer Schulzeit noch persönlich kennengelernt. In einer Mischung aus Kreativität und Hartnäckigkeit überzeugte sie den Ochsenfurter Stadtrat vor über einem Jahr, für das Kulturereignis einzustehen und blieb auch bei der Umsetzung ihrer „spinnerten Idee“ die treibende Kraft.

Wenngleich die Stadt das finanzielle Risiko übernahm, zeichnete die Allianz aus zwölf Gemeinden am Maindreieck als Veranstalter verantwortlich. Das betonte der Allianzsprecher und Ochsenfurter Bürgermeister Peter Juks in seinen Begrüßungsworten. Sein Dank galt den öffentlichen Förderern und privaten Sponsoren, die das Konzert erst möglich gemacht haben. Juks wünscht sich, dass daraus eine Reihe hochklassiger Kulturevents erwächst, die im jährlichen Wechsel in den verschiedenen Allianzgemeinden stattfinden. Nach dem ersten Konzertabend liegt die Messlatte dafür allerdings ziemlich hoch.

Sieben Laienchöre aus der Region haben sich zu einem großen Klangkörper formen lassen. Neben der Sing- und Spielgemeinschaft und dem Liederkranz aus Ochsenfurt wirken der Chor main.klang, das Collegium Musicum Juvenale, der Männergesangsverein Frickenhausen, der Kirchenchor Sommerhausen und die Chorklassen der Realschule mit.

Einige begeisterte Sänger von außerhalb sind hinzugekommen, weil sie sich die seltene Erfahrung nicht entgehen lassen wollten. Am Ende musste man sogar Absagen erteilen, sagt Renate Lindner, weil mehr Sänger auf dem 24 Meter breiten Podium keinen Platz gefunden hätten.

Die Art und Weise, wie musikalischer Leiter Wolfgang Kunz aus unterschiedlichen Chören ein geschlossenes Ensemble geformt hat, ist erstaunlich. Ein Jahr lang haben sich die Chöre, jeder für sich, durch das Werk gearbeitet. Eine Woche vor dem Ereignis erst fand die erste gemeinsame Probe statt. Das Ergebnis ist beeindruckend.

Für die Soli hat man mit der Sopranistin Akiho Tsujii, Bariton Jinho Seo und Tenor Roberto Ortiz Profis vom Mainfranken-Theater ins Team geholt. Aber auch die übrigen Sänger folgen dem Dirigenten souverän durch die ausdrucksstarke Partitur, meistern Tempowechsel, Crescendi und Wechselgesang ebenso mühelos, wie im Stakkato vorgetragene Passagen und die zum Teil zungenbrecherischen Texte. Dass die meisten davon lateinisch sind, verleiht dem Werk seine erhabene Aura und lässt aber vergessen, dass es sich bei der Textvorlage vor allem um mittelalterliche Trink-, Spott- und Liebeslieder handelt, und zwar um solche von der derberen Sorte. Insofern ist es schade, dass dem Programm nicht wenigstens eine Übersetzung in Auszügen beiliegt. Aber das wäre möglicherweise mit dem Jugendschutz kollidiert.

Nach einer fulminanten Zugabe endet das Konzert mit minutenlangem Applaus und stehenden Ovationen. Wolfgang Kurz holt die Chorleiter Antje Eckhoff, Oliver Trahndorff, Olga Jakob und Gudrun Schneider auf die Bühne, die maßgeblichen Anteil am Erfolg des Abends haben. Ute Ernst vom Kirchenchor Sommerhausen kann krankheitsbedingt nicht dabei sein.

Über die Maßen zufrieden ist Dirigent Wolfgang Kurz mit dem Chor ebenso wie mit den Begleitumständen. Wie das Konzert vorbereitet war, und wie sich das Team der Stadt und der kommunalen Allianz auch in letzter Sekunde noch die Wünsche des musikalischen Leiters gekümmert hat - „Das war toll, das erlebt man selten.“

Während die russischen Musiker vom Ausscheiden ihres Team beim der Fußball-WM erfahren, steht Renate Lindner die Erleichterung ins verschwitzte Gesicht geschrieben. Als Sängerin durfte auch sie erfahren, wie es sich anfühlt, über eine Stunde lang in saunaartiger Atmosphäre auf der Bühne stillzustehen - mit Carmen und Carmina als erstem und zweitem Aufguss.

Dank an die wahren Macher: Dirigent Wolfgang Kurz von den verantwortlichen Chorleitern (von links) Antje Eckhoff, Oliver Trahndorff, Olga Jakob und Gudrun Schneider. Ute Ernst fehlte krankheitsbedingt.
Foto: Picasa | Dank an die wahren Macher: Dirigent Wolfgang Kurz von den verantwortlichen Chorleitern (von links) Antje Eckhoff, Oliver Trahndorff, Olga Jakob und Gudrun Schneider. Ute Ernst fehlte krankheitsbedingt.
 
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