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WÜRZBURG
Wenn 15 Cent schon zuviel sein können
Frisches Obst, Brot und was sonst noch übrig ist: Bedürftige bekommen jeden Freitag Lebensmittel im Tafelladen Josefzelt.
Foto: Nicolas Bettinger | Frisches Obst, Brot und was sonst noch übrig ist: Bedürftige bekommen jeden Freitag Lebensmittel im Tafelladen Josefzelt.
Nicolas Bettinger, Volontär, Mediengruppe Main-Post
Nicolas Bettinger
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:21 Uhr

„Die Kisten sind da“, ruft Peter Schulz und sorgt damit für ein reges Treiben auf der Treppe des Pfarrzentrums St. Josef in Grombühl. Ein Lieferwagen der Würzburger Tafel ist soeben eingetroffen und hat wertvolle Fracht an Bord.

In scheinbar geordneter Hektik tragen die ehrenamtlichen Mitarbeiter die Kisten voller Lebensmittel hastig hinunter in den Mehrzweckraum. In knapp einer Stunde beginnt die Essensausgabe an Bedürftige aus dem Umkreis. Bis dahin müssen die Joghurts gekühlt, das Brot zurechtgeschnitten und die angeschimmelten Trauben aussortiert werden. „Was ich selber nicht mehr essen würde, gebe ich auch nicht unseren Kunden“, sagt die ehrenamtliche Helferin Daniela Scheld.

Jeden Freitag versammeln sich Teamleiter Peter Schulz und seine freiwilligen Mithelfer in Grombühl. Heute sind acht gekommen. Fünf Frauen, drei Männer. Ungefähr 60 Menschen strömen jede Woche ins Pfarrheim und freuen sich über Obst, Gemüse und Wurst. Eben alles, was übrig war. Immer vorausgesetzt, es kommen genügend Helfer und die Supermärkte geben genügend Lebensmittel ab.

Nur ein symbolischer Preis

So funktioniert der Tafelladen Josefzelt nun seit zehn Jahren. An diesem Freitag feiert er sein Jubiläum. Gründungsmitglied Sylvia Opel ist seitdem dabei und weiß, wer die Hilfe am meisten benötigt: „Es kommen Arbeitslose, Familien, Alleinerziehende und vor allem Rentner, die am Existenzminimum leben.“ Für einen symbolischen Preis von 1,50 Euro bekommen die Bedürftigen dann je nach Vorrat Nahrungsmittel für ein paar Tage. Wer Kinder hat, bekommt dementsprechend mehr eingepackt.

„Der Tafelladen ist meine Rettung. Ich habe nur 35 Euro pro Woche zur Verfügung“, sagt Elfriede Carton. Die 77-Jährige ist Diabetikerin und musste deshalb vor vielen Jahren frühzeitig in Rente gehen. Sie kommt seit zehn Jahren jeden Freitag zur Ausgabe und freut sich auf die Begegnungen. „Der Preis tut niemandem weh und ich treffe gerne die Mitarbeiter und die anderen Kunden“, so die Würzburgerin.

Der Freitag gilt als sozialer Treffpunkt

Man kennt sich. Der Tafelladen ist längst nicht mehr nur Entlastung für den spärlich gefüllten Geldbeutel der Kunden. Der Freitag gilt als sozialer Treffpunkt und gibt die Möglichkeit, mit anderen Bedürftigen ins Gespräch zu kommen.

„Also dann rufe ich mal die ersten Nummern auf“, sagt Peter Schulz. Vor der Türe sitzen die ersten Kunden bereit. Damit alles gerecht abläuft, hat Schulz eine Liste angefertigt. „Wir teilen die Kundschaft jede Woche in drei Gruppen ein“, so der 71-jährige Rentner. Diese Gruppen dürfen nacheinander in den Raum mit Lebensmitteln und haben dementsprechend unterschiedliche Auswahl. „Jeder Kunde wechselt Woche für Woche die Gruppe. So hat er heute die volle Auswahl, nächste Woche muss er erst den Anderen den Vortritt lassen“, so der Teamleiter.

Der Umgang zwischen Personal und Kundschaft wirkt sehr herzlich. Trotz oder vielmehr wegen der Armut vieler Kunden, werden diese in würdevollem Rahmen beim „Einkaufen“ unterstützt.

Wenn Rente nicht reicht

Willy Frankenberger ist heute für die gekühlten Produkte zuständig. Joghurt, Wurst und Leberkäse schleppt er ständig aus dem Kühlschrank und legt es in die Taschen der Kunden. Der Rentner kennt seine Kunden und weiß, dass sich diese seit der Flüchtlingskrise geändert haben. „Es sind schon mehr Ausländer geworden, aber auch Menschen, die schon lange in Deutschland leben“, so Frankenberg. Ein Großteil der Kundschaft bestehe aber nach wie vor aus deutschen Mitbürgern, denen ihre Rente nicht zum Leben reicht.

In Würzburg gibt es sechs Tafelläden. Wer zu welchem gehen darf, ist streng festgelegt. Der Grombühler Tafelladen versorgt 60 bis 80 Menschen aus dem Umfeld wöchentlich. Auf der Warteliste stehen zusätzlich knapp 150 Bedürftige, die auf eine Nummer warten. Voraussetzung dafür, um beim Tafelladen überhaupt einkaufen zu dürfen, ist ein gültiger Tafelausweis. Dieser wird Bedürftigen bei geringem Einkommen oder Anspruch auf Arbeitslosengeld bei der Geschäftsstelle der Würzburger Tafel ausgehändigt.

Wir können den Menschen helfen

„Ohne den Tafelladen würde viele gar nicht zurecht kommen“, sagt Teamleiter Schulz. Beispiele dafür gibt es heute wieder genug. „Eine unserer Kundinnen kann sich das Glaspfand von 15 Cent nicht leisten und muss deshalb auf einen Joghurt verzichten“, sagt ein Mitarbeiter betroffen. Gerade deswegen sind die Lebensmittel der Tafel so wichtig für sie. „Wir können den Menschen helfen, sie können sich davon ein paar Tage ernähren“, sagt Daniela Scheld. Sie ist eine der wenigen aus dem ehrenamtlichen Team, die noch berufstätig ist. Trotz ihrer Arbeit als Medizinisch-technische Assistentin schaufelt sich die 49-Jährige jeden Freitag frei und schmeißt sich in ihre grüne Tafelschürze.

Nach gut zwei Stunden ist der letzte Kunde bedient und verlässt mit vollen Taschen den Mehrzweckraum des Pfarrzentrums. „Schönen Dank euch allen, bis nächste Woche“, ruft er den ausgepowerten Helfern zu. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter sind zufrieden und planen schon die nächste Woche. Teamleiter Peter Schulz fasst die Tätigkeit abschließend zusammen: „Wir opfern unsere Freizeit ohne Vergütung, aber ein bisschen freuen wir uns alle trotzdem immer auf den Freitag.“ Und auf die nächsten zehn Jahre.

Das Team des Grombühler Tafelladens Josefzelt: Teamleiter Peter Schulz (zweiter von rechts) freut sich über die Hilfe der Ehrenamtlichen Mitstreiter im Pfarrzentrum St. Josef.
Foto: Foto:Nicolas Bettinger | Das Team des Grombühler Tafelladens Josefzelt: Teamleiter Peter Schulz (zweiter von rechts) freut sich über die Hilfe der Ehrenamtlichen Mitstreiter im Pfarrzentrum St. Josef.
 
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  • R. R.
    zu den flüchtlingen die in der Innenstadt mit vollen tüten shopping gehn und in teueren cafes sitzen ? wie ist das möglich? Gut das es die tafel überhaupt gibt, aber ne schande das es soweit im reichen deutschland gekommen ist das man sie braucht. dank an alle helfer der tafel.
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