Die bayerischen Mittelschulen sind in den letzten Jahren vielfach in eine Image- und Sinnkrise geschlittert. Das bekommt auch der Schulstandort Gerbrunn immer stärker zu spüren. Seit fast einem Jahr ist Thomas Schulz Rektor der örtlichen Eichendorff-Volksschule. Kürzlich hat er sich dem neuen Gerbrunner Gemeinderat vorgestellt. Mit im Gepäck hatte er Positives, allerdings auch einen erschreckenden Trend.
"Um unsere zweizügige Grundschule mit ihren 180 Schülerinnen und Schülern brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Aber die Situation der Mittelschule ist brenzlig. Es bedarf kreativer Ideen, um sie aufrechtzuerhalten", gab Schulz den Gemeinderäten zu bedenken. Mittlerweile kämen die meisten Schüler nicht mehr aus Gerbrunn (32), sondern aus Rottendorf (48). Im Schulverband sind außerdem noch Theilheim (29), Randersacker (18) und Lindelbach (2).
Schülerzahlen gehen stark zurück
"Im September können wir erstmals keine M-Klasse mehr anbieten, was den Standort weniger attraktiv macht", stellte der Rektor fest. Mithilfe des M-Zweiges ist es ambitionierteren Mittelschülern möglich, die mittlere Reife abzulegen. Im neuen Schuljahr 2020/21 werde dieser in der Eichendorff-Schule wegfallen und dann aller Voraussicht nach erstmals die 100-Mittelschüler-Grenze durchbrochen – und zwar nach unten hin. 2006 waren es noch fast 250 Schüler.
"Die Mittelschulen kommen in unserem System immer schlechter weg. Die eigentliche Bildungskatastrophe war nicht G8, sondern die Einführung der sechsstufigen Realschule", findet Schulz. "Denn damit wurde das Ende der kleineren Landschulen eingeläutet. Eltern versichern uns, wie wohl sich ihr Kind bei uns fühlt – und dann unterschreiben sie bei einer Realschule in Würzburg. Inzwischen fahren fast alle Schüler ab der fünften Klasse mit Bussen in die Stadt." Das führe zu einem regelrechten Schultourismus.
Es leuchte ihm nicht ein, warum man schon nach der vierten Klasse die Kinder komplett trenne, so der Gerbrunner Rektor weiter: "Dabei bietet eine wohnortnahe Beschulung viele Vorteile. Bei der Digitalisierung sind wir beispielsweise ganz vorne mit dabei. Doch obwohl wir personell und in Sachen Ausstattung sehr gut dastehen, ziehen wir gegen die städtischen Schulen den Kürzeren."
Hallenbad soll für den Schulsport erhalten bleiben
In der zweiten Runde des Digitalpakts Schule wolle man sämtliche Klassenzimmer mit Whiteboards ausstatten und noch mehr iPad-Koffer anschaffen. "Der Corona-Shutdown hat gezeigt, wie wichtig eine gute digitale Infrastruktur ist", unterstrich Schulz. Dieser Tage werde zudem der neue Allwetter-Sportplatz abgenommen – und auch das benachbarte Hallenbad soll für den Schulsport erhalten bleiben.
Ob all diese Vorzüge den Abwärtsstrudel stoppen können? "Einen Hoffnungsschimmer gibt es", sagte der Gerbrunner Rektor: "Im neuen Stadtteil am Hubland wohnen künftig auch rund 300 potenzielle Schüler, es wird dort aber wohl keine neue Schule entstehen." Vielmehr schwebe der Stadt eine zentrale Mittelschule in der Pleich unweit des Hauptbahnhofes vor.
Gerbrunns Bürgermeister Stefan Wolfshörndl berichtete, dass es Anfang August einen Termin mit Vertretern der Stadt Würzburg geben werde, darunter mit der neuen Schulbürgermeisterin Judith Jörg. "Wir müssen versuchen, unsere Mittelschule so lange wie möglich mit Kooperationen aufrechtzuerhalten", bekräftigte Wolfshörndl. Auch mehrere Gemeinderäte sprachen sich dafür aus, für den Standort zu kämpfen. Je nach dem, in welche Richtung sich die bayerische Bildungspolitik weiterentwickelt, könnten sie sich grundsätzlich auch eine Realschule in Gerbrunn vorstellen.