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WÜRZBURG
„Welche Farce wird hier gerade gegeben?“: Kulturreferent Muchtar Al Ghusain bezieht in der Debatte um die Kosten für die Theatersanierung Position
Lampen im Mainfranken Theater: In der hitzigen Debatte um die Kostenexplosion für die geplante Sanierung, kontert jetzt Kulturreferent Muchtar Al Ghusain den Vorwürfen.MÜLLER
Foto: Foto: | Lampen im Mainfranken Theater: In der hitzigen Debatte um die Kostenexplosion für die geplante Sanierung, kontert jetzt Kulturreferent Muchtar Al Ghusain den Vorwürfen.MÜLLER
Karl-Georg Rötter
Karl-Georg Rötter
 |  aktualisiert: 15.12.2015 12:46 Uhr

Die Wogen schlugen hoch nach der Sondersitzung des Stadtrats über die geplante Sanierung des Mainfranken Theaters. Dass die Stadtverwaltung im April dieses Jahres von einer massiven Kostensteigerung erfahren hatte, darüber dem Stadtrat aber erst bei der Sondersitzung am 9. Dezember informierte – das bewegte die Gemüter mächtig. Zu den aktuellen Entwicklungen und der Debatte nimmt im Folgenden Kulturreferent Muchtar Al Ghusain Stellung.

Er spricht von einer „quälenden, teils aggressiven Theaterdebatte“, in der sich mancher frage: „Welches Stück, welche Farce wird hier eigentlich gerade gegeben?“ Das Leitmotiv für dieses Schauspiel sei ein Vorurteil auf dem Niveau von „Frauen können nicht Einparken“ oder „Lehrer sind faul“, nämlich: „Kulturleute können nicht mit Geld umgehen“, und besonders nicht der städtische Kulturreferent.

Als er im Jahr 2008 vorgeschlagen habe, die Theatersanierung mit einer Sanierung der Frankenhalle zu verbinden, habe er sich von folgendem Motiv leiten lassen, sagt Al Ghusain: Statt sehr viel Geld in ein Zelt als Übergangsspielstätte zu stecken, das danach wieder verschwindet, habe er eine nachhaltige Investition, zumal in ein bemerkenswertes denkmalgeschütztes Gebäude im Kulturquartier Alter Hafen für vernünftiger gehalten. Da dieses Projekt zunächst allgemein auf Zustimmung stieß, habe es sich der Kämmerer gerne zu eigen gemacht. Nach dem Modell Schwerte – der Stadt, aus der er gekommen war – habe er eine „Event-Location“ daraus machen wollen. Als aber „sein“ Projekt immer teurer wurde, weil beispielsweise unbedingt ein markanter neuer Gebäudeteil dazukommen sollte, sei der Kämmerer schnell wieder von Bord gegangen.

Al Ghusains Hinweis, dass bei einem anderen Konzept als einer „Event-Location“, nämlich bei einer überwiegenden Nutzung durch das Stadttheater, erheblich bessere Zuschussmöglichkeiten bestünden, sei auf taube Ohren gestoßen. Ohne mögliche Betriebskonzepte wirklich zu prüfen, sei fortan auf zu hohe Folgekosten abgestellt worden. Gleichzeitig sei jedoch die Verwaltung immer weiter beauftragt worden, eine Sanierung der Frankenhalle zu planen und Kosten zu reduzieren. Dazu habe er vorgeschlagen, sagt Al Ghusain, durch zusätzliche Werkstattflächen hinter der Frankenhalle die hohen laufenden Mietkosten für die bislang neben dem Stadttheater angemieteten Räume einzusparen. Es sei schließlich sinnvoller im Eigentum zu investieren als auf fremden Grund.

Parallel, aber nicht eng genug damit verbunden, seien Pläne für die Sanierung des Theaters bei einem anderen Architekten in Auftrag gegeben worden – mit der Voraussetzung, dass die Frankenhalle als Ausweichspielstätte zur Verfügung steht, also nicht alle Raumanforderungen durch das Mutterhaus abgedeckt werden müssen. Mit den Beschlüssen von diesem Juni – dem Stoppen des Projekts Frankenhalle ohne Benennung einer brauchbaren Alternative – seien die erarbeiteten Pläne für das Theater nicht mehr eins zu eins umsetzbar gewesen. Damit seien die ersten Kostenschätzungen des Architekten, die erst wenige Wochen zuvor – im April – vorgelegt worden waren, nicht mehr viel wert gewesen, sagt Muchtar Al Ghusain.

Damals seien der Verwaltung vom Architekten erste grobe Kostenschätzungen von 40 bis 48 Millionen Euro mitgeteilt worden – „exorbitant höher“ als die Kostenvorgabe von 22 Millionen. Die Steigerungen seien für den OB und die Referenten zunächst nicht nachvollziehbar gewesen: Neue Wünsche des Theaters oder unabweisbare Anforderungen von Technik und Planern? Deswegen sei die Kostenschätzung an den Architekten zurückgegeben worden mit der Maßgabe, sie zu überarbeiten und die Kosten deutlich zu reduzieren. „Ist es nun Geheimhaltung, Vertuschung, wenn die Verwaltung mit Referenten und Oberbürgermeister sagt, dass die vorgelegte Planung nicht vermittelbar ist und daher überarbeitet werden muss“, fragt Al Ghusain.

Schon bald nach Bekanntwerden der Zahlen – die nie Planungsgrundlage gewesen seien, sondern zur Überarbeitung zurückgewiesen wurden – seien erste Informationen auch an den Stadtrat gelangt. Nicht zuletzt deswegen sei der Antrag auf einen Stopp der Frankenhalle gekommen.

Jetzt, im Dezember, würden „Verschwörungstheorien“ dazu erfunden, beklagt Al Ghusain. Niemand sei „bewusst abgekoppelt worden“. Alle betroffenen Referenten – Bauen, Finanzen, Kultur – seien zeitgleich informiert worden und hätten mit dem OB gemeinsam die Kosten abgelehnt und eine Überarbeitung verlangt.

Der Kulturreferent, der für die SPD und die Grünen im kommenden Jahr – wie Stadtkämmerer Christian Schuchardt für die CSU – für das Amt des Oberbürgermeisters kandidiert, ist der Auffassung, dass manches anders gelaufen wäre, wenn das Konzept schärfer, die Verantwortung klarer definiert gewesen wären. Ein entscheidender Fehler sei gewesen, dass es zwar einen Projektleiter gab, aber keinen mit ausgewiesenem Theaterprofil. Ein Projektleiter müsse zu Verwaltung und Theater gleichermaßen Abstand halten. Er müsse Experte für komplizierte Theaterbauten sein, um Politik und Verwaltung auf der einen Seite die Notwendigkeiten einer Sanierung vermitteln zu können, auf der anderen Seite müsse er dem Theater vermitteln, dass nicht alles Wünschenswerte finanzierbar sei.

Statt der Beschuldigung Einzelner sei nun eine nüchterne Analyse der aktuellen Situation nötig, um gegensteuern zu können. Danach müsse man einen Projektleiter benennen, der die Interessen aller Beteiligter abstimmen und Wege aus der Sackgasse aufzeigen könne. Durch die emotional geführte Debatte sei kaum noch jemand so unbelastet, dass sein Vortrag nicht wieder eine neue Gegendarstellung auslösen würde. Al Ghusain wörtlich: „Die sehr persönlich geführten Anschuldigungen meines Kollegen empfinde ich als höchst bedauerlich. Das nutzt niemanden, schadet aber vielen, vor allem dem Theater.“

Wichtig sei nun die Klärung der Frage welches Theater man für Würzburg in Zukunft wolle. Die Idee der Frankenhalle sei für ihn deshalb so faszinierend, weil er sich davon verspreche, dass auch andere Nutzer – freie Gruppen, Mainfränkische Werkstätten, Kabarett-, Konzertveranstalter, kommerzielle Kunden – den Raum nutzen könnten. Seine Vision vom Theater sei die eines Kulturzentrums, in dem sich die Bürgerschaft in ihren vielen unterschiedlichen Facetten begegnen könne, in dem die Menschen auch tagsüber ein- und ausgehen könnten und in dem viel Raum für Neues sei. Keineswegs vertrete er die Auffassung, möglichst viel Geld ins Theater zu stecken, sagt Al Ghusain. Ihm wäre eine „bescheidene, sparsame Lösung“ lieber: „Aber auch eine bescheidene Lösung muss funktionieren.“

„Die sehr persönlich geführten Anschuldigungen meines Kollegen empfinde ich als höchst bedauerlich.“
Kulturreferent Muchtar Al Ghusain zu Äußerungen von Kämmerer Christian Schuchardt
 
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  • matthiasr
    es im Interesse aller Beteiligten sein auch dieses Potentioal auszuschöpfen um genug für wichtigeres, größere frei zu haben.
    Auch stellt sich die Frage wie so es immer das neuste und beste und damit das teuerste sein muss, wie es in der Stadtratssitzung hieß.
    Die Lehren aus BER oder der Oper in Hamburg sollte sein, dass oft das bewährte, erprobte aus der zweiten oder dritten Reihe (gegenüber dem aus der 20ten oder 30ten Reihe mit dem aktuell gearbeitet wird) alle mal die intelligentere und problemlosere Wahl seien wird, als der letzte technische Schrei, der allzugern in einen Schrei des Entsetzen mündet, wenn man merkt das NICHTS von dem gehalten wurde, was eben noch vollmundig besprochen wurde!
    Auch dies läge wohl kaum im Interesse der späteren Nutzer!
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  • Diese Ausführungen sind nett aber irrelevant. Al Ghusain kann reden aber kein Theater bauen bzw. renovieren. Dafür hatte er knapp 6 Jahre Zeit und siehe da: außer 2 Millionen Planungskosten, einem offenen Streit und einigen teuren Kosten ist nichts geblieben. Es ärgert mich, dass sich Al Ghusain nicht an diesen Fakten messen lässt...denn dann müßte er zugeben bereits heute gescheitert zu sein und es wäre evident, dass kein Würzburger ihm weitere sechs Jahre geben würde, um seine "Visionen" auf Kosten der Bürger irgendwann mal in die Tat umzusetzen. Gleiches, wenn auch im Zusammenhang mit dem Theater etwas weniger, gilt im übrigen auch für Herrn Schuchardt. Die vergangenen Ereignisse rund um das Theater haben das Vertrauen schmelzen lassen wie ein Stück Butter in der Sonne. Das hat Würzburg nicht verdient.
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  • Mainheini
    nutzen alle Einwände der Bürger nichts. Keiner will eine zweite Ersatzspielstätte, keiner will eine nach oben offene Finanzplanung, viele bezweifeln, ob wir überhaupt noch ein Theater dieser Art brauchen (ein Gastspieltheater würde es auch tun). Würzburg braucht keine Bauwerke und Finanzierung nach dem Muster Elbphilharmonie, Stuttgart21, Berliner Flughafen. Dem Kulturreferenten sind die Kosten egal.
    Aber was tut unser Stadtrat? Er wird wider besseren Wissens ein Mammutprojekt absegnen, von dem keiner weiß, was es heute kostet, was es nach Fertigstellung (2020?) kostet und welche Folgekosten uns aufgebürdet werden. Motto: Der Bürger hats ja, er zahlt, denn er muss.
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  • matthiasr
    Von jedem Bürger!
    Einfach bei der Kommunalwahl die Partei wählen die am stärksten auf die Kosten schaut!
    Das Theater ist sicher 95% aller Würzburger, wie auch aller Stadtratsmitglieder lieb!
    Aber nicht um jeden Preis!
    Würzburg hat nun mal nicht die Gewerbeeinnahmen die Wünsche in jeder Preisklasse zulassen, leider!
    Hier sollte auch gezielt an der Einnahmenseite gearbeitet werden und Betriebe wieder in die Stadt geholt werden und die Atraktivität städtischer Gewerbegebiete verbessert werden!
    Ähnliches gilt für die gesamte Kulturszene, auch diese ist identitätsstiftend für die Stadt, solange jedoch die Würzburger mehr Kunst schauen als kaufen wird es wohl kaum sinnvoll sein große leere Räume zu schaffen die leider! leider! ein Zuschussgrab bleiben!
    Zuguter Letzt sollte im einem neutralen, Aufarbeitungsprozess, ALLE Bereiche auf ihre Sinnhaftigkeit abgeklopft werden! Wenn man etwa mehrer 1.000€ bei der laufenden Ausstattung und Requisite sparen könnte, zB durch Mehrfachnutzung dann muss
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