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Weiße Reform in Stein und Beton
Redaktion
 |  aktualisiert: 03.12.2006 22:29 Uhr
Frauenland (nat) Wenn sich die Architekturstudenten, die zu den internationalen Workshops nach Würzburg kommen, für Baugeschichte interessieren - dann sollte sie ein Spaziergang ins obere Frauenland, in die Keesburgstraße führen. Die Siedlung am Lerchenhain, die der Würzburger Architekt Peter Feile Ende der Zwanziger Jahre dort entwarf, hält in Stil und Formensprache Vergleichen mit Avantgarde-Projekten wie der Stuttgarter Weissenhof-Siedlung allemal stand.

Dr. Suse Schmuck, Lehrbeauftragte an der hiesigen Fachhochschule, ist seit vielen Jahren auf Spurensuche nach dem fast vergessenen Werk des Architekten der Lerchenhain-Siedlung. Für die Heiner-Reitberger-Stiftung hat sie eine Broschüre über die weiße Villenkolonie verfasst. Als zweites "Heft für Würzburg" gibt sie Zeugnis ab von Geschichte und Bedeutung der frühen Moderne in der Domstadt.

Der junge Architekt Feile, 1899 als Sohn eines Würzburger Bildhauers geboren, plante ein ehrgeiziges Projekt: eine Siedlung mit 31 Einfamilienhäusern, alle mit Flachdach, großzügigen Terrassen und dem Verzicht auf jeglichen Schmuck. 1928 hatte Feile in der Keesburgstraße 29, weit genug vom historischen Stadtkern entfernt, ein erstes Flachdach-Doppelhaus im Stil der "Neuen Sachlichkeit" errichtet.

Kein farbiger Putz, kein geneigtes Dach, keine Werksteine! Unerhört neu. Das Doppelhaus regte auf - und an. Feile, Mitstreiter und Handwerksbetriebe gründeten die "Baugesellschaft Lerchenhain mbhH", kauften der Stadt das Gelände ab und bauten drei Muster-Typenhäuser. 10 000 Interessierte pilgerten 1930 neugierig zu den "weißen Häusern am Berg": Zwei Wochen lang konnten sie die Stein und Beton gewordene Reform-Ideen von oben bis unten besichtigen.

Trotz Resonanz und Neugierde - haben wollte die geplanten Häuser keiner. Bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten kam kein einziges neues Gebäude zur Villenanlage dazu. 1935 reihten sich schließlich erdfarben-fränkische Giebelhäuser, jedermann vertraut, hinter die sachlich-weißen Flachdachhäuser.

Die Bauten von Peter Feile sind authentische Zeugen einer wichtigen Entwicklungsphase der Architektur. Typische Leitideen des "Weißen Funktionalismus" hat Feile am Lerchenhain beispielhaft umgesetzt. Eckehard Janofske, Professor für Entwerfen und Denkmalpflege an der FH, leitet daraus die Forderung ab, "dass die im Moment verschütteten Qualitäten der Bauten wieder erlebbar gemacht werden". Unter wissenschaftlicher Anleitung müssten die Gebäude - wo notwendig - wieder auf den Original-Zustand zurückgebaut oder renoviert werden.

In die Denkmalschutzliste eingetragen ist bislang nur eines der drei Musterhäuser. "Es ist durchaus möglich, den sich verändernden Wohn- und Komfortbedürfnissen der heutigen Zeit Rechnung zu tragen, ohne en ursprünglichen Charakter der Häuser zu zerstören", meint der Würzburger Architekt Frank Zumkeller. Ein erster Schritt wäre die Aufnahme der Feile-Häuser in die bayerische Denkmalliste. Die Broschüre über die Siedlung, die die Heiner-Reitberger-Stiftung aufgelegt hat, könnte ein Anstoß dazu geben.

Oder der nächste Tag des offenen Denkmals am 14. September, dann sind Peter Feiles Musterhäuser wieder zu besichtigen: Dr. Suse Schmuck bietet auf Wunsch dann Führungen an. Infos gibt es bei Otfried Gross vom Baureferat, Tel. 37 35 92.

Die Broschüre "Hefte für Würz-
burg" ist erhältlich in der Buch-
handlung Schöningh oder bei der
Heiner-Reitberger-Stiftung, Hans-
Löffler-Straße 26, Tel. 71 983.

 
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