Weihnachtskrippen haben eine lange Tradition und gehen bis ins frühe Christentum zurück. Heute stehen sie unter vielen Christbäumen. Es heißt, dass das heutige Weihnachtskrippenspiel auf Franz von Assisi zurückgeht, der 1223 in der Nähe von Greccio eine Krippe mit lebenden Figuren gestaltete, um den Gläubigen anschaulich das Weihnachtsevangelium näherzubringen. Für die Oberzeller Franziskanerinnen hat die Krippe eine ganz besondere Bedeutung: Sie sehen in der Menschwerdung Gottes in Jesus ihren Auftrag. Gründerin Antonia Werr wählte daher für ihre Gemeinschaft den Namen „Dienerinnen der heiligen Kindheit Jesu“.
Im Kloster Oberzell werden Krippen nicht nur zu Weihnachten aufgestellt, so eine Pressemitteilung der Dienerinnen der hl. Kindheit Jesu. Jeden Monat feiern die Schwestern jeweils am 25. in einem Gottesdienst diese Menschwerdung Gottes. Dazu stellen sie eine vom Künstler Ludwig Sonnleitner 1938 nachgebildete Krippe mit dem kleinen Jesuskind auf.
Nun zur Weihnachtszeit stellen Sr. Petra Körner und Sr. Vianney Schneider kurz vor dem ersten Advent mit Bedacht die Figur der Maria und den Engel Gabriel auf, es ist die Szene der Verkündigung. Die beiden Frauen lassen sich hierfür Zeit – ein Tannenzweig aus dem Garten wird hübsch drapiert, der Stoff des Engels glatt gestrichen. Das Besondere dieser Krippe: Sie wird bis zum 2. Februar mehrmals die Szene wechseln.
Szenen aus der Überlieferung bis Mariä Lichtmess
Dargestellt wird nicht nur die Weihnachtsgeschichte mit Jesuskind in der Futterkrippe, daneben Maria und Josef, Ochs und Esel, Hirten und Schafe im Stall, sondern auch weitere Szenen aus der Überlieferung bis Mariä Lichtmess. Nach der Verkündigung an Maria folgen die Szenen der vergeblichen Herbergssuche, die eigentliche Krippendarstellung, der Besuch der Heiligen Drei Könige und schließlich die Begegnung im Tempel, wenn Simeon und Hanna im Kind Jesu den Messias erkennen.
Die fünf Szenen hat Sr. Ellensindis Mannel geschaffen. Sie war Schneiderin und künstlerisch sehr interessiert. In der Berufsfachschule, wo sie jahrzehntelang wirkte, war sie sehr beliebt, eine sanfte gütige Frau, die die Natur liebte. Sie formte jede einzelne Figur liebevoll aus Wachs und nähte die Kleider aus Stoffresten. Seit ungefähr 2007 werden ihre Figuren ausgestellt. 2010 verstarb sie und Sr. Siegfrieda Nöth und Sr. Petra übernahmen die Verantwortung für die Krippenausstellung. Sr. Siegfrieda ist mittlerweile auch verstorben. Mit ihren 91 Jahren fällt es Sr. Petra zunehmend schwerer, die Figuren aus dem oberen Stock in die Kirche zu tragen. Daher lernt sie nun ihre Mitschwester Sr. Vianney ein. Die Krippe ist im Seitenschiff der Klosterkirche St. Michael zu besichtigen, so die Mitteilung der Oberzeller Schwestern.
Krippenvielfalt vom Dachboden
Auch Sr. Eusigna Schultes ist von Krippen begeistert. Sie hat sich die letzten Jahre die Mühe gemacht, die vielen weiteren Krippen, die im Dachboden und in anderen Schränken gelagert waren, zu sichten. „Wir hatten früher viele Niederlassungen und als diese aufgelöst wurden, kamen einige Krippen unbeachtet zurück ins Mutterhaus“, erzählt Sr. Eusigna. Bei der Auflösung der Filiale in Ebersfeld wurde beispielsweise eine Krippe aus Gips entdeckt. Die Vielzahl an traditionellen sowie modernen Krippen, große bis winzig kleine aus Ton, Stein, Metall, Holz oder Stoff, viele unvollständig, hat sie nun erstmals für ihre Mitschwestern ausgestellt.
In einigen Schachteln wurden alte große Figuren gefunden, die in einem erbärmlichen Zustand waren. Sr. Eusigna versuchte diese zu säubern und zu restaurieren. Einer Maria zum Beispiel mit fein gearbeitetem Gesicht und Händen aus Holz hat sie ein Drahtgestell als Stehhilfe um den Körper gebaut.
Eine Krippe aus Ton stammt von der früheren Mitschwester Sr. Elfriede Scheuer. „Sie war Kunst- und Zeichenlehrerin in Haus St. Hildegard und hatte eine ganz besondere Ausstrahlung. Ihr war Kunst und Ästhetik sehr wichtig und sie hat die Figuren liebevoll geformt. Sie war eine Frohnatur, die in der Freude ihres Herzens Gott und den Menschen dienen wollte“, erinnern sich ihre Mitschwestern gerne. Aus der Hand von Sr. Elfriede stammt auch das Landschaftsgemälde, das als Hintergrund der großen Weihnachtskrippe dient, die Bruder Wunibald aus Münsterschwarzach 1943 zum Zeichen des Dankes für die Einquartierung in den Kriegsjahren dem Mutterhaus schenkte. Sr. Elfriede starb bereits im Alter von 69 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit.
Ein Jesuskind aus Wachs modelliert
In der Krippensammlung des Klosters findet sich auch ein sogenanntes Fatschenkind – eine alte beliebte Darstellung des Jesuskindes aus Süddeutschland. Die mit Bändern umwickelten („gefatschten“) Figuren bestehen meist aus Wachs, heute würde man dazu Pucken sagen.
Auch eine Krippe mit sogenannten Egli-Figuren darf nicht fehlen. Diese ursprünglich aus der Schweiz stammenden großen, schweren und sehr beweglichen Figuren werden zur Darstellung von biblischen Geschichten beispielsweise im Unterricht oder in der Seelsorge genutzt. Die Erzählfiguren haben kein Gesicht, um sie von ihrem Ausdruck nicht festzulegen und nur durch die Körpersprache wirken zu lassen. Eine Krippe hat Sr. Eusigna sogar selbst gefertigt. Anlass war ein Krippenweg in Ebersfeld, an dem sich auch die Schwestern beteiligen wollten, so die Mitteilung des Klosters. Aus Resten wie großen Holzklötzen, Draht, Gips sowie Woll- und Stoffresten gestaltete sie eine große Krippe in einer Garage.
Darstellung der Menschwerdung Jesu
Auch wenn Sr. Eusigna von vielen Krippen nicht weiß, woher sie kommen, wer sie gestaltet hat oder ob sie wertvoll sind, so hat jede einzelne eine Bedeutung für sie – stellen sie doch alle die Menschwerdung Jesu dar. Die Oberzeller Franziskanerinnen betrachten alle Menschen als Kinder Gottes: einzigartig und gewollt, mit einer unveräußerlichen Würde. „In jedem sei der göttliche Funke, den wir uns bewusst machen sollten“, betont Sr. Eusigna. „All unser Tun in unseren Einrichtungen ist es, Menschen, deren Würde durch schreckliche Erlebnisse verschüttet wurde, zu helfen, diese wiederzufinden.“