Es gibt Männer, es gibt Frauen und es gibt Menschen, die sich als nicht-binär identifizieren. Sie ordnen sich keinem der beiden Geschlechter eindeutig zu. Für außenstehende Personen ist das oft schwer nachzuvollziehen – sie können sich nicht vorstellen, wie es ist, wenn man sich mit dem biologischen Geschlecht nicht identifiziert.
Vier Menschen aus Würzburg haben mit dieser Redaktion über das Thema Identität gesprochen und einen kleinen Einblick in deren Lebenswelt gegeben.
Felicitas Jander (24) aus Würzburg: Nutzt als Pronomen they/them und Fee als neutralen Namen
"Ich benutze seit zwei Jahren neutrale Pronomen. Bei mir hat sich das schon in der Kindheit gezeigt. Einmal habe ich meine Mama gefragt, ob ich nicht ein Junge sein kann. Ich habe lange Zeit sehr mit dem Thema gekämpft, weil ich lange dachte, dass wenn man eine trans*Person ist, man sich auch wieder für das männliche oder weibliche Geschlecht entscheiden muss. Erst als ich mich mit anderen nicht-binären Menschen unterhalten habe, ist mir bewusst geworden, dass das für mich viel passender ist.
Für mich ist es ein stetiger Prozess, sich selbst kennenzulernen. Als ich 2022 das erste Mal meine Pronomen in der Öffentlichkeit genutzt habe, war das ein wahnsinnig schönes Gefühl. Ich war so euphorisch im Gegensatz zu vorher. Auch wenn ich nie aktiv darunter gelitten habe, als Frau zu leben, hatte ich immer das Gefühl, mich mit etwas abfinden zu müssen, obwohl es sich nicht richtig anfühlt.
Wenn ich heute mit dem falschen Geschlecht angesprochen werde, dann fühlt sich das für mich ganz schlimm an. Als würde alles kurz taub werden und meine Ohren rauschen. Man kann es vielleicht mit einer Art Schockstarre vergleichen. Das weibliche Geschlecht fühlt sich für mich inzwischen so fremd an, weil ich endlich etwas Passendes gefunden habe. Aktuell versuche ich mich noch stark maskulin zu kleiden, um nicht dem falschen Geschlecht zugeordnet zu werden. Ich hoffe, dass ich mich aber irgendwann wieder mehr traue, auch figurbetonte Kleidung zu tragen."
Denny Voltage (35) aus Würzburg: Nutzt als Pronomen sie/ihr
"Für mich bedeutet nicht-binär sein, dass ich zwischen den Geschlechtern wechseln kann, ohne mich eindeutig dem weiblichen oder männlichen zuzuordnen. In der Gesellschaft werden den Geschlechtern oft äußere Merkmale, Verhaltensweisen oder Charaktereigenschaften zugeordnet, aber dem möchte ich mich einfach nicht unterordnen.
Als Kind habe ich manchmal Phasen gehabt, in denen ich ganz viel Pink getragen und mit Barbies gespielt habe, mich am nächsten Tag nur in Holzfällerhemden wohlgefühlt habe und skaten gegangen bin. In der Schulzeit war das natürlich ein riesiges Problem. Ich wurde gemobbt, geschlagen und sogar beklaut. Komischerweise haben mich sowohl die Jungs als auch die Mädchen ausgeschlossen. Das wurde dann in meiner Jugend besser, als ich einen festen Freundeskreis gefunden habe.
Heute benutze ich zwar die Pronomen sie/ihr, aber nicht, weil ich sie mag, sondern weil es das für alle leichter macht. Damit versuche ich anderen auch die Angst zu nehmen, wenn sie sich mit der Thematik nicht auskennen. Es ist wichtig, Hürden abzubauen und deshalb hebe ich auch nicht den Zeigefinger und versuche die Leute zu belehren. Ich kann aber verstehen, dass viele junge Menschen rebellischer drauf sind. Ich glaube aber, dass uns allen etwas Entspannung guttun würde."
Lea Fröhlich (23) aus Würzburg: Nutzt die englischen Pronomen they/them
"Es gibt Männer, es gibt Frauen und dann gibt es Leute wie mich, die da einfach nicht reinpassen. Das heißt für mich dann auch nicht, dass nicht-binär sein eine Stufe zwischen den beiden Geschlechtern ist, sondern eine ganz eigene Kategorie. Als Außenstehende kann man das vielleicht nicht nachvollziehen, aber das muss man auch nicht. Ich verstehe ja auch nicht, wie man sich als Frau fühlt. Ich habe es 20 Jahre probiert und bin kläglich gescheitert.
Klar, habe ich das schon als Kind gemerkt, dass da irgendwas nicht passt. In der Schule haben die Lehrer oft gefragt, ob ich der oder die Lea bin und damit wusste ich lange Zeit nichts anzufangen. Erst 2019 als ich an die Uni gekommen bin, habe ich mich mit dem Thema nicht-binär-sein beschäftigt und dann auch die Pronomen they/them genutzt, weil sie sich für mich einfach gut angefühlt haben.
Heute freue ich mich jedes Mal sehr, wenn andere diese Pronomen für mich nutzen, oder mich nicht automatisch einem Geschlecht zuordnen. Das macht mich wirklich sehr glücklich. Im Gegensatz dazu gibt es mir ein wahnsinniges Unwohlsein, wenn Leute auf der Straße beispielsweise sagen: "Lass mal die Frau durch." Dann hab ich so ein wahnsinnig störendes, rauschendes Gefühl. Das ist sehr schwierig zu beschreiben."
Denise Mittnacht (31) aus Würzburg: Benutzt am liebsten keine Pronomen
"Für mich bedeutet nicht-binär sein, dass ich mich den ganzen Geschlechterrollen nicht unterordnen muss. Ich kann viel freier sein und muss mich nicht irgendwo reinzwängen, wo ich ohnehin nie ganz reinpassen würde. Deshalb benutze ich auch am liebsten gar keine Pronomen. Ich fühle mich eher geschlechtslos. Wenn ich mir Pronomen zuweisen muss, dann habe ich das Gefühl, dass ich mich wieder irgendwo einordnen muss und das will ich nicht.
Das hat schon in der Kindheit bei mir angefangen. Da wurde mir oft von Außenstehenden gesagt, dass ich ein Mädchen bin und deshalb auch Mädchensachen mögen und machen muss. Das hat mich damals schon genervt. Ich bin dann auf eine Mädchenschule gekommen und da wurde es erst richtig kompliziert. Ich war nicht so weiblich, wie die anderen um mich herum, habe mich nicht geschminkt und keine BH's getragen. Irgendwann wollten sich die anderen dann nicht mehr vor mir umziehen. Das war schon schlimm.
Ich hatte auch sehr lange Zeit Probleme mit meinem Körper, weil ich natürlich auch von der Gesellschaft anerkannt und nicht ausgegrenzt werden wollte. Früher hat mich das sehr belastet, aber heute liebe ich meinen Körper. Durch meine Kleidung versuche ich auszudrücken, dass ich keinem Rollenbild entsprechen möchte und jede Person kann erkennen, dass ich mich weder eindeutig weiblich, noch eindeutig männlich verstehe."
ich bin bei der Wasserwacht und habe Bademeisterdienst im Hallenbad, ich hab mich schon öfters gefragt, was mach ich wenn ein Mann sich als Frau fühlt und die Damenumkleide benutzt, welche würdet Ihr benutzen und wie soll ich mich Eurer Meinung nach verhalten.
Und es ist gut, das das in Deutschland möglich ist.
Ich finde es jedenfalls sehr mutig von den 4 Personen, offen darüber zu sprechen. Man sieht ja, wie sehr sie in der Vergangenheit darunter gelitten haben. Jeder, der sich darüber lustig macht oder sich aufregt, sollte jeden Tag Gott auf Knien danken, dass dieser Kelch an ihnen vorübergegangen ist.