Der Internationale Museumstag wurde in ganz Deutschland unter dem Motto "Museen mit Freude entdecken" begangen. Der Landkreis Würzburg beteiligte sich zum sechsten Mal am Aktionstag. Unter den 17 offenen Museen im Landkreis war auch das kleine Museum im früheren Rathaus des Estenfelder Gemeindeteils Mühlhausen. Hier stand ein großer Webstuhl mit seinen Ausmaßen von zwei auf zwei Metern im Mittelpunkt.
"Wir haben diesen Webstuhl schon seit zehn Jahren und wollten das Ungetüm eigentlich wieder entsorgen", gesteht Reinhilde Prinz vom "Verein zur bäuerlichen und handwerklichen Kulturerhaltung Mühlhausen" (VKM). Alfred Meier, der frühere und erste Vereinsvorsitzende, habe den Flachwebstuhl "aus der Ecke von Marktbreit" aus einem früheren Weberhaus geholt, das inzwischen abgerissen wurde. Aber keiner wusste, wie man damit umgeht.
Weil der VKM für solch ein großes Ausstellungsstück eigentlich gar keinen Platz hat, fassten die Mitglieder den Beschluss: "Entweder er wird wieder zum Leben erweckt, oder er fliegt raus". Weil er so alt war und die Kettfäden nicht vollständig aufgefädelt, gerissen oder durchgehängt waren, schien eine Reparatur unwahrscheinlich.
Anita Heinrich konnte den Webstuhl bedienen
Umso größer war vor einem Jahr beim letzten Museumfest vor einem Jahr die Freude, als eine Besucherin meinte: "Meine Tochter kann das". Natürlich nahmen die Mühlhäuser Kontakt mit Anita Heinrich aus Versbach auf. Sie hatte im Blindeninstitut gearbeitet und kann einen Webstuhl noch bedienten. Mit viel Geduld uns Sachverstand kam sie drei Nachmittage lang vorbei und fädelte die unvollständigen Kettfäden wieder auf.
Das war eine Geduldssache, weil das Material leicht reißt und die kleinen Ringe zum Durchfädeln (Litzen oder Helfen als Hubelement) verrostet sind und damit ihre Fadenaugen leicht aufbrechen können. Außerdem ist das vorhandene Kettengarn wohl schon 50 Jahre alt und somit porös. Mit ihrem alten Webstuhl müssen die VKM-Mitglieder vorsichtig umgehen. Auch nagt der Holzwurm an den Holzteilen.
Mit Fachkenntnis an den Stellschrauben gedreht
Anita Heinrich fädelte und drehte mit Fachkenntnis die nötigen Stellschrauben. Die Spannung prüfte sie regelmäßig mit der Handfläche. "Das ist so, wie wenn eine Hausfrau ihren Hefeteig mit der Hand prüft und dann weiß, dass es so passt", beschrieb Museumsführerin Reinhilde Prinz diesen Arbeitsschritt. Das habe man fachmännisch "in der Hand".
Die Webstuhlkennerin begann auch damit, auf dem Webstuhl des VKM einen Fleckerlteppich anzulegen. Außerdem weihte sie Günther Prinz in die Bedienung ein, so dass er die Funktion des Flachwebstuhls am Museumtag vorführen konnte. Das hat auch Bürgermeisterin Rosi Schraud interessiert, die sich Zeit für die detaillierte Erklärung nahm.
Reinhilde Prinz führte am Museumfest mehrerer Gruppen durch die Ausstellung. Dabei erzählte sie vom Weberhandwerk, vom schlesischen Weberaufstand im Jahr 1844, vom Niedergang der verarmten und verhungernden Weberfamilien und des Zunfthandwerks aufgrund der Industrialisierung und davon, dass der Webstuhl mitten in den kleinen Weberhäusern stand und Tag und Nacht von einem Familienmitglied daran gewebt wurde.
Heute ist Weben ein Kunsthandwerk
Die Gäste hörten auch Begriffe wie Kettbaum, Brustbaum, Fächer, Lade, Schaft, Tritt oder Handschütze. Aus St. Ludwig haben Vereinsmitglieder fertige Webprodukte zum Erklären des Endprodukts geholt. Heute sei das Weben auf einem Webstuhl in der Regel ein Kunsthandwerk. Stoffe und Teppiche werden meist maschinell angefertigt.
Am Museumstag stand im alten Rathaus in Mühlhausen auch eine besondere Nähmaschine im Mittelpunkt. Eine Originalrechnung beweist, dass sie am 28. Juli 1925 bei Huth & Rüger in der Würzburger Eichhornstraße 5 für 270 Goldmark gekauft wurde und eine Garantie von fünf Jahren hatte. Die Nähmaschine stammte vom einstigen Unternehmen Baer & Rempel in Bielefeld. Um das Nähhandwerk von früher und heute ging es somit bei den Führungen am Museumstag auch.
Im Erdgeschoss des 1785 erbauten Rathaues
Das Museum des VKM ist seit 2005 im Erdgeschoss des 1785 erbauten alten Rathauses beheimatet. Schon 1807 hat es die Gemeinde wieder verkauft, und zwar an einen Schmiedemeister namens Joannes Schunder. Er und seine Nachkommen führten die Schmiede bis 1960 fort, bis sie nach 150 Jahren geschlossen wurde. 1985 kaufte die Gemeinde Estenfeld das Haus. Es wurde teilweise an die Raiffeisenbank vermietet und ist seit 1990 ein Bürgerhaus. Im "großen Saal" können Feste gefeiert und sogar Trauungen durchgeführt werden.
Der Verein zur bäuerlichen und handwerklichen Kulturerhaltung Mühlhausen wurde am 26. November 1993 gegründet. Heute hat er rund 40 Mitglieder. Vorsitzender ist Otto Füller. Er bot Kindern am Museumstag auch Rundfahrten mit dem vereinseigenen luftgekühlten Diesel-Eicher-Traktor (Baujahr 1956) an. Außerdem gab es Kaffee und Kuchen und im Museum konnten Trachten, Geschirr, Stoffe, Büroutensilien oder Gegenstände einer Schule von früher besichtigt werden.