
"Authentizität" ist ein Schlüsselwort, in Richard Betz‘ Ein-Mann-Theaterstück und soll bei der Berufswahl helfen. Vor 140 Schülerinnen und Schülern der Mittelschule Ochsenfurt stand er diesmal. Seine Solo-Performance "Hand und Werk" hatte die mit "Vertiefter Berufsorientierung" betraute Sozialpädagogin Brigit Grund für die 8., 9. und 10. Klassen gebucht. Es geht um Berufs- und Lebensorientierung und damit genau um den Gegenentwurf zur völligen Ratlosigkeit bei der drängenden Frage "Was soll ich werden, wer will ich sein?"
Betz kann da authentisch aus dem Vollen schöpfen, denn der gebürtige Rodheimer wollte nur eines sicher: kein Bauer werden. Dass er jetzt in traditioneller Zimmermannskluft vor Jugendlichen steht und seinen Werdegang in einer Art Dialog mit sich und den Jugendlichen erzählt, ist vor allem so spannend, dass diese Stunde kurzweilig wie selten ist. Ganz nebenbei baut er aus mitgebrachten Hölzern Stück um Stück eine Leonardo-Brücke zusammen, die die Faszination und Dauerhaftigkeit des Holzbaus symbolisiert, wie sich das Zimmererhandwerk in seiner modernen Vielseitigkeit nennt.

Leonardo da Vinci hatte diese Bogenkonstruktion vor gut 500 Jahren erfunden als stabil sich selbst tragende Verbindung, ohne jegliche Verschraubung. Betz, der jeweils die Zeiten des Blockunterrichts seiner eigenen Auszubildenden nutzt, um mit seinem Lehrstück durch die Lande zu ziehen, baut ein paar Maschinen-Effekte ein, damit Späne fallen. Tatsächlich ist er nämlich mit spürbar tiefer Befriedigung seit 37 Jahren Zimmermeister mit eigenem kleinem Betrieb.
Vor zwei Jahren die Innungsbeste ausgebildet
Es ist sein viertes Stück, mit dem er vor Publikum steht und er hat viel zu erzählen, vom Zivildienst, von sozialer Arbeit, als Reiseleiter, dass er auch mit Pferden kann, als unzufriedener Architekt und letztlich als glücklicher Zimmerer, weil er es liebt, etwas anpacken zu können, Teil eines kleinen Teams zu sein und, dass er Leuten Lebensträume erfüllen kann. "Vom Plakat hochheben wird die Welt nicht besser", argumentiert er, ohne verurteilen zu wollen. Es ist der Tag, an dem die Medien berichten, dass alle politischen Ambitionen in Sachen Energiewende und Wohnungsbau nicht funktionieren werden ohne entsprechend viele Handwerkerinnen und Handwerker.
Es ist auch Weltfrauentag. Betz, der vor zwei Jahren eine Innungsbeste ausgebildet hatte, "besser als alle Jungs", soll mit Vorurteilen aufräumen, beantwortet konkrete Fragen zu Verdienst, Ausbildung und gar nicht so viel Arbeit im Freien, weil das Meiste in Hallen vorgearbeitet wird. Er kann auf den Ochsenfurter Innungsobermeister Hermann Lang als Ansprechpartner verweisen, Vize-Präsident des Landesinnungsverbands des Bayerischen Zimmererhandwerks, der gerne bei Praktikum oder Ausbildung behilflich ist.

Riesig ist der Bedarf an Handwerkerinnen und Handwerkern. Er selbst könne das Gros der Auftrags-Anfragen nur noch schlichtweg ablehnen. Nachhaltig kompensieren könnte dies, dass er mit den Jahren inzwischen mehr als 35.000 Jugendliche mit seinen Theaterstücken erreicht hat, denen er etwas vom Holzbau, dem Handwerk, seiner Zukunftssicherheit und der extrem großen Befriedigung in den inzwischen sehr anspruchsvollen Handwerksberufen vermittelt hat, damit sie ihren Weg finden.
Wie cool oder uncool ist das Handwerk?
Anastasia und Shanice, die mit Niklas, Lennox und ein bisschen Tüftelei die Da-Vinci-Brücke erstaunlich gut nachbauten, meinen zwar, dass sie sich eher nicht fürs Handwerk interessieren. Sei’s drum, was Betz vortrug, war komplex und Lebenserfahrung pur. Es wird Wirkung haben, ist sich Birgit Grund sicher. Tatsächlich taucht ganz zuletzt nochmals ein Jugendlicher auf, der entschieden klingt, Maurer werden zu wollen. Das bestimmte "Niemals!" von Betz erleichtert ihn. Die Frage war, ob er es jemals bereut habe, Zimmerer geworden zu sein.
Auf die Frage, wer Handwerk "cool" findet, meldeten sich geschätzt ein Drittel der Schüler, was Betz sichtlich freute. "Uncool" schien hier es jedenfalls nicht zu sein. Die Frage stellte er allerdings auch nach seiner Performance und die hatte den begründeten Stolz auf das Zimmermanns-Dasein wiederum authentisch dargelegt.
Natürlich geht Richard Betz speziell für die Zimmerer in die Schulen, deren Bayerischer Landesinnungsverband seine Theater-Touren durch die Schulen bezahlt. Letztlich geht es jedoch darum, Vertrauen in sich selbst und den Mut zu haben, Dinge auszuprobieren, um dabei das Richtige für sich zu finden. Dass es passt und authentisch ist, merke man daran, dass man mit all seinen Stärken und Schwächen in der Arbeit aufgeht und Sinn findet. Sein Fazit für die Schülerinnen und Schüler: "Vielleicht gibt es gar keine falschen Entscheidungen, sondern nur die, keine Entscheidung zu treffen!"
