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WÜRZBURG
Was in deutschen Gärten erlaubt ist
sparrow standing on a wire fence       -  _
Foto: berilguvenc (iStockphoto)
Melanie Jäger
Melanie Jäger
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:40 Uhr

Alles könnte so schön sein. Die Vögel zwitschern, die Blumen blühen in vollster Pracht und die Hecke des Nachbarn hat sich gut entwickelt, bietet einen perfekten Sichtschutz. Doch was für den einen perfekt ist, ist für den anderen ein Graus.

Der eine liebt die Natur im Garten, für den anderen ist es kaum zu ertragender Wildwuchs. Über den Zaun hängende Zweige oder gefällte Bäume werden plötzlich zur Bewährungsprobe für eine gute Nachbarschaft. So albern es auch klingen mag, aber ganze Freundschaften sind schon an vermoderten Äpfeln im Gras oder einer falschen Bepflanzung zerbrochen.

„Maschendrahtzaun“ begeisterte

Wie skurril so ein Nachbarschaftsstreit sein kann, hat Moderator Stefan Raab schon vor zwanzig Jahren gezeigt: Er hat den erbitterten Kampf um einen Knallerbsenstrauch an einem Gartenzaun in der Stadt Auerbach in Sachsen in einen aberwitzigen Countrysong verpackt – und mit „Maschendrahtzaun“ einen Nummer-Eins-Hit in Deutschland gelandet. Die ganze Nation lachte sich damals einen Ast über den sächsischen Originalton von Gartenbesitzerin Regina Zindler, die Raab in den Refrain eingebaut hatte. Die Maxi-Single wurde weit über eine Million mal verkauft, das öffentliche Interesse am Original-Knallerbsenstrauch im Vogtland nahm groteske Züge an – und Regina Zindler sah sich gezwungen, das Grundstück zu verkaufen und umzuziehen.

Genau das ist für die meisten Gartenbesitzer aber aus den verschiedensten Gründen undenkbar: Umzuziehen. Und so schwelen Streitigkeiten häufig jahrelang, manchmal schaukeln sie sich so hoch, dass Gefahr in Verzug ist. Lautstarke Beschimpfungen, Handgreiflichkeiten bis hin zu Morddrohungen sind keine Seltenheit an Deutschlands Grundstücksgrenzen.

In der Region Mainfranken ist das nicht anders. Im Weinort Randersacker (Lkr. Würzburg) endete ein Nachbarschaftsstreit im Oktober 2014 gar tödlich. Ein 46-jähriger als Eigenbrötler im Ort bekannter Mann hatte sich permanent gestört gefühlt und nach jahrelangen Streitigkeiten seinen 76-jährigen Nachbarn mit einem Messer erstochen, als dieser gerade eine Hecke an seinem Grundstück schnitt.

Verschwiegenheitspflicht

Damit anfangs harmlose Streitigkeiten mit den Nachbarn nicht eskalieren, empfiehlt Rainer Beckmann, Richter am Amtsgericht Würzburg, sich beizeiten um eine Streitschlichtung mittels ausgebildeter Mediatoren zu kümmern. Das können Rechtsanwälte sein, aber auch Amtsrichter. Diese außergerichtlichen Gütestellen sind bei den Amtsgerichten angesiedelt und im Vergleich zum Anwalt meist die deutlich kostengünstigere Alternative.

Der Güterichter entscheidet den Rechtsstreit nicht, sondern hilft den Parteien dabei, den Konflikt eingenverantwortlich zu lösen. Er unterliegt dabei der Verschwiegenheitspflicht, auch dem Prozessrichter gegenüber.

Schlichtungsverfahren vernünftig

Wer ein Schlichtungsverfahren von einer anerkannten Gütestelle durchführen möchte, muss dort einen Antrag mit Name und Anschrift beider Parteien und einer kurzen Darstellung der Streitsache stellen. Ein Musterformular gibt es bei der Landesnotarkammer Bayern unter der Servicenummer 0800-6682748. Die Gebühr für ein Schlichtungsverfahren beträgt 100 Euro, wenn ein Schlichtungsgespräch durchgeführt wurde und 50 Euro, wenn kein Schlichtungsgespräch stattgefunden hat.

„Auch Richter können bei solchen Nachbarschaftsstreitigkeiten den Fall an einen Güterichter verweisen“, so Beckmann. Drei Richter am Amtsgericht Würzburg kümmern sich um Schlichtungsverfahren, zwei sind für Allgemeines und damit auch Nachbarschaftsstreitigkeiten zuständig. „Wir haben hier im Jahr etwa 50 Schlichtungsverfahren, 15 bis 20 davon sind Nachbarschaftsstreitigkeiten“, so Beckmann. Die Erfolgaussichten seien sehr hoch, die meisten Parteien einigten sich.“

Gemeinsam nach Lösungen suchen

Die Güterichter moderieren den Termin, schlagen Lösungen vor und wirken deeskalierend auf die Streitparteien ein. „Wenn eine einvernehmliche Lösung gefunden ist, unterschreiben die Parteien, die festgelegten Vorgaben sind für beide Seiten verbindlich.“ Kommt es zu keiner Einigung, wird das erfolglose Schlichtungsverfahren durch ein Zeugnis dokumentiert, das dem Gericht bei Klageerhebung vorgelegt werden muss.

Wer im Vorfeld reinen Tisch mache, so Beckmann, könne sich viel Ärger, zerrüttete Nerven und auch hohe Gerichtskosten sparen. „Oft kommen bei diesen Schlichtungsterminen Sachen hoch, die im Hintergrund eine Rolle spielen.“ In der Region werde das Schlichtungsverfahren gut angenommen. Angesichts der hohen Emotionalität in diesen Streitfällen, sei das auch ein vernünftiger Weg, so Beckmann.

8100 Nachbarschaftkonflikte vor Gericht

Über 8100 Nachbarschaftskonflikte, zu denen auch die Gartenstreitereien gehören, sind laut Deutschen Richterbund allein 2013 in deutschen Amtsgerichten verhandelt worden. Und laut einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung stört jeden zweiten Bundesbürger etwas an seinen Nachbarn. Lärm (laute Musikanlagen, dröhnende Fernseher), Abfall und Dreck führen die Liste an.

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Wer also friedlich im Garten leben will, braucht vor allem eines: ein dickes Fell und den Willen zur Einigung. Der Streit am Gartenzaun darf laut Psychologen nicht zum Lebensinhalt werden. Nicht selten sind die psychischen Belastungen so groß, dass die Menschen auch körperlich krank werden. Grundsätzlich sollte sich jeder eines zu Herzen nehmen: Niemanden persönlich und verletzend angreifen, aktiv und möglichst gemeinsam am Gartenzaun nach Lösungen suchen.

Eigenmächtiges Handeln ohne Rücksprache, etwa störende Zweige einfach abschneiden, eine Hecke selbst stutzen oder in der mittäglichen Ruhezeit den Rasen mähen, kann immer der Anfang vom Ende eines guten nachbarschaftlichen Verhältnisses sein. Bevor man seinem Ärger Luft macht, immer erst mal überlegen, wieviel einem ein entspanntes Leben Zaun an Zaun wert ist.

Die wichtigsten gesetzlichen Regelungen für das Leben im Garten

Höhe und Abstand von Hecken und Zäunen zur Grundstücksgrenze sind genau festgelegt. Hält sich der Nachbar nicht daran, können Sie Ihr Recht auf Einhaltung der Vorgaben einfordern.

Nicht erlaubt ist, den Rückschnitt der überhängenden Äste selbst vorzunehmen oder gar das Nachbargrundstück zu betreten. Ausnahme sind Wurzeln, die über die Grundstücksgrenze wachsen. Früchte, die in das Nachbargrundstück fallen, gehören dem Nachbarn. Das gilt auch für herüberwehendes Laub.

Der Einsatz von Rasenmähern und anderen lauten Maschinen ist an Sonn- und Feiertagen bundesweit verboten. An Werktagen ist Lärm zwischen zwischen 7 Uhr und 20 Uhr in verträglichem Maße zumutbar. Zuwiderhandlungen werden als Ordnungswidrigkeit mit Strafen bis 5000 Euro geahndet. Rasenmähen am Sonntag kann mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro bestraft werden. Auch der Rasentrimmer darf an Sonn- und Feiertagen in Deutschland nicht betrieben werden.

Wer sich nackt im Garten sonnt, sollte darauf achten, dass die Nachbarn nicht direkt auf den nackten Körper schauen können. Ansonsten kann das als Ordnungswidrigkeit gelten und mit 150 Euro Bußgeld belegt werden.

Sex im Garten ist absolut tabu. Fühlen sich Nachbarn davon gestört und rückt die Polizei an, ist man wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses dran. Das gilt als Straftat und kann eine Haftstrafe zur Folge haben. TEXT: MEL

 
 
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