Das bisherige Mainfränkische Museum auf der Würzburger Festung heißt seit 1. Janaur 2017 „Museum für Franken“ in der Trägerschaft des Freistaats Bayern. Bis 2027, so lautet die neueste Prognose von Gründungsdirektor Erich Schneider, soll die Transformation vollendet sein. Dies sagte er kürzlich in einem Interview in der Februar-Ausgabe des Rathaus-Magazins „Eckart“. Seine wichtigste Aufgabe: die Entwicklung einer Museumskonzeption und deren Umsetzung.
Das bedeutet, dass er in Kooperation mit den fränkischen Regierungsbezirken Exponate auswählen muss, die von diesen zur Verfügung gestellt werden, um sie in dem neuen Museum zu zeigen. Gleichzeitig müssen die Ausstellungsstücke aber auch repräsentative Zeugen der Geschichte Ober-, Mittel- und Unterfrankens sein. Und es darf niemand bevorteilt oder benachteiligt werden.
Franken ist nichts Geschlossenes
Aber was ist überhaupt dieses Franken – geografisch, kulturell und historisch und wie lässt es sich museal darstellen? Und schließlich steht auch die Frage im Raum, ob und warum ein solches Landesmuseum überhaupt nötig ist. Über diese und andere Fragen im Zusammenhang mit dem künftigen Landesmuseum hat sich der Lehrstuhlinhaber für Fränkische Landesgeschichte an der Uni Würzburg Helmut Flachenecker, Gedanken gemacht.
In einem Vortrag, in dem Flachenecker „Erste konzeptionelle Überlegungen aus landesgeschichtlicher Perspektive“ vorstellte, zitierte er eine Julius-Echter-Biografie von 1959, in der es heißt, dass Franken „nach keiner Weise etwas in sich Geschlossenes darstellt“. Auch Flachenecker kommt zunächst zu der Erkenntnis, dass ein Museum für Franken „nie alle gewünschten Belange wird befriedigen können“.
Königslandschaft ohne Grenzen
Zur Frage der Notwendigkeit des Museums erklärt Flachenecker, dass es einen Beitrag zur Heimatverbundenheit leisten, Informationen über die regionale Geschichte liefern und Fragen nach der Identität Frankens beantworten könne. Dazu gehöre, dass die drei fränkischen Regierungsbezirke nicht alle Gebiete mit fränkischer Regionalgeschichte sind. Auch der fränkische Reichskreis umschreibe den Raum nur ungefähr.
Der fränkische Herzogstitel des Würzburger Bischofs von 1168 werde erst seit dem 15. Jahrhundert dauernder Bestandteil des bischöflichen Titels und sei praktisch auf den weltlichen Herrschaftsbereich des Würzburger Bischofs beschränkt. Bayreuth oder Nürnberg, Weißenburg oder Bamberg wären demnach nicht Franken! Franken sei im Mittelalter stattdessen eine Königslandschaft ohne fest definierte Grenzen gewesen.
Viel zu viele Daten und Fakten
Hinzukomme, dass fränkische Regionalgeschichte einen Zeitraum vom 7. Jahrhundert bis zur Gegenwart abdeckt. Ein solcher Umfang an Daten und Fakten könne in einer Ausstellung gar nicht in allen Details aufgearbeitet werden. Die Vielfalt und Kleinräumigkeit dieser Regionalgeschichte könne nur exemplarisch dargestellt werden. Was die Sache nicht einfacher mache, ist laut Flachenecker die Tatsache, dass ein Raum in seiner historischen Entwicklung dargestellt werden solle, der bis ins beginnende 19. Jahrhundert keine festen Grenzen nach außen gekannt habe.
Daher müsste ein fränkisches Landesmuseum Schwerpunkte auf die Multikulturalität der Bewohner besonders am frühmittelalterlichen Beginn legen und auf die unterschiedliche Ausprägung einer lange Zeit königsnahen Kulturlandschaft eingehen. Schließlich müssten auch die unterschiedlichen geistlichen und weltlichen Herrschaftsformen sowie die Kommunikationsfähigkeit des territorial niemals einheitlich agierenden Raumes und seiner Bewohner zu den Nachbarregionen berücksichtigt werden.
Die Festung als Mittelpunkt
Das derzeitige fränkische Gemeinschaftsbewusstsein kenne, so der Historiker, viele Brechungen und müsse in seinen Wurzeln hinterfragt werden. Die Grundfrage für das Museumskonzept laute daher: „Von welcher Idee von Franken gehen wir eigentlich aus?“ Franken als geografischer Raum sowie als Zusammengehörigkeitsbewusstsein der dort lebenden Menschen habe bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts keine eindeutigen Grenzen.
Als Arbeitsgrundlage schlägt Flachenecker für das Mittelalter und der Frühen Neuzeit vor, die drei fränkischen Bistümer Eichstätt, Bamberg und Würzburg sowie den Süden von Fulda heranzuziehen und hier die Veränderungsprozesse über die Jahrhunderte zu beobachten. Damit es nicht bei einer bloßen Darstellung der Territorialgeschichte bleibt, sollten die Interaktionen zwischen Institutionen und Menschen, beispielsweise zwischen Klöstern und Städten, im Mittelpunkt stehen, schlägt Flachenecker vor.
Der Ausstellungsort als Fixpunkt
Als eine der wichtigsten Konstanten der künftigen Ausstellung sieht Flachenecker den Ausstellungsort selbst, die Festung, an. Diesen sollte man als Beispiel für die für die (gesamt)fränkische Geschichte darstellen, die sich hier in vielerlei Hinsicht widerspiegelt. Als weitere Konstanten sieht der Historiker den Bischofssitz und die Stadt Würzburg selbst an. Eine Geschichte von Franken kann nach seiner Auffassung nicht ohne die Stadt Würzburg gezeigt werden, gleichzeitig dürfe aber die fränkische Geschichte auch nicht auf Würzburg reduziert werden.
Auch müssten spezifische Ereignisse aus der Würzburger Geschichte wie beispielsweise der Wiederaufbau der total zerstörten Stadt im 20. Jahrhundert in einen gesamtfränkischen Zusammenhang gestellt und interpretiert werden.
Flacheneckers Themenliste
Helmut Flachenecker hat in einer umfassenden Themenliste markante Entwicklungsschritte in der fränkischen Landesgeschichte herausgearbeitet, die als Themenbereiche in die Ausstellung einfließen könnten.
Das reicht von einer naturräumlichen Definition des Raumes, der später Franken genannt wurde, über die Zuwanderung ethnischer Gruppen (um 700), das Entstehen einer königsnahen Kulturlandschaft (um 1000), Franken als Kommunikationszentrum im Reich (um 1300), Frömmigkeit und Reformation (um 1500), die Handelsmetropole Nürnberg, das Verhältnis zwischen Franken und Bayern bis hin zu Franken in den Kriegen des 20. Jahrhunderts und den Veränderungen im Verhältnis zwischen Stadt und Land.
Aber: Was immer in der Dauerausstellung seinen Platz finden wird, es wird nach Flacheneckers Einschätzung nicht möglich sein, die ganze Vielfältigkeit fränkischer Geschichte in all ihren Wendungen zu zeigen. Das gelte besonders für die Exponate. Abhilfe könnte durch ergänzende Sonderausstellungen geschaffen werden. In diesem Kontext ließen sich auch hochrangige Werke vorübergehend ins Museum holen, die auf Dauer niemals ihren Weg hierher finden würden. So könnte man auch Besucher dazu animieren, mehrmals ins Museum zu kommen.
Kien eindimensionales Franken-Bild
Eine Ausstellung müsse heutzutage thematische Akzente setzen, sich vielleicht auch im Widerspruch zum Zeitgeist setzen. Ein eindimensioniertes Frankenbild, durch das Museum kanonisch verewigt und sakrosankt, sei sicher nicht der richtige Weg, aber auch nicht die scheinbare Beliebigkeit, verpackt in modernste Museumstechniken. Zu allererst müssten die Themen ihren Höhepunkt in den Originalen finden, denn erst deren Aura mache den Museumsbesuch reizvoll.
Chance für vorurteilsloses Miteinander
Die Chance eines „Museums für Franken“ liegt laut Flachenecker in einer thematischen, weniger in einer chronologischen Zusammenschau der Geschichte dieses Raumes. Dieser Ansatz würde Beschränkungen gestatten, Zuspitzungen erlauben und Auslassungen entschuldbar machen. Zugleich ergäbe sich daraus die Möglichkeit für die anderen Museen in den drei Regierungsbezirken, ihre regionale Sicht der Dinge darzustellen, Themen ausführlicher und auf die jeweilige Teilregion zugespitzter darzustellen. So könnte eine vorurteilslose Interaktion zwischen dem zentralen und den übrigen Museen gelingen.
Das neue Museum könnte die Chance eröffnen, die bisher bekannten und sehr disparaten, bisweilen nur wenige Jahrhunderte umfassenden und regional eingeschränkten Meistererzählungen in einem gemeinsamen Kern zusammen zu bringen, ohne die lokalen Ausdifferenzierungen verabschieden zu wollen.