Roland Günter ist erschüttert. Nichts ist zu hören. Nichts brummt. Nichts summt. Nichts saugt. Dabei müsste es jetzt nur so von Insekten am Blühstreifen der Familie Sachse in Burggrumbach wimmeln.
Tut es aber nicht. Um das zu verstehen, steigt der studierte Forstingenieur und Naturfotograf aus Estenfeld erst einmal ganz tief in die Grundlagen-Biologie ein. Rund 40 Interessierte hören ihm an diesem Morgen gebannt zu. So erklärt er, dass zu Biodiversität viel mehr gehört als nur Artenvielfalt, unter anderem auch Lebensraumvielfalt und Vielfalt des Genpools.
Inzucht wird zum Problem
Wenn eine Gruppe von Lebewesen eine geringe Vielfalt an genetischem Material hat, bricht sie irgendwann durch Inzucht zusammen, erläutert er: "Da kann man um die Gruppe herum so viel Naturschutz machen, wie man will, sie verschwindet trotzdem." Dieses Problem gebe es heute in viel höherem Ausmaße in der Landschaft, als man denkt.
Gegenmaßnahme der Politik seien Blühstreifen bis zum Horizont, in Bayern auch Blühpakt Bayern genannt. Doch was sind die Chancen dieser Maßnahme und wo sind die Grenzen? Anhand eines Beispiels beantwortet er diese Frage. Mithilfe von eigenen, eindrucksvollen Makrofotos erzählt er die Geschichte der Mohnbiene, einer inzwischen sehr seltenen, hochspezialisierten Wildbienenart.
Eine von rund 600 Wildbienenarten
Osmia papaveris, so heißt sie wissenschaftlich, ist eine von rund 600 Wildbienenarten, die es in Deutschland noch gibt. Für den Nachwuchs gräbt das Weibchen ein Loch in den "leicht verfestigten, vegetationsfreien, sandigen Boden". Dabei lockert es die Erde mit den Kiefernzangen, greift sie damit auf, fliegt etwa einen Meter weit weg und wirft sie dann ab.
Das wiederholt "Elvira", wie Günter die Biene liebevoll nennt, bis eine etwa 5 bis 7 Zentimeter große Röhre mit anliegender Brutkammer entstanden ist. Dann geht es an den Innenausbau des Nestes. Dafür braucht die Biene den Klatschmohn. Aus dem Blütenblatt schneidet sie mit ihrem Mund kleine Stücke aus und "tapeziert" damit die künftige Kinderstube.
Erstes Foto von "Elvira"
Das habe vor ihm noch niemand fotografiert, sagt Günter stolz. Dafür hat er in ein Teleskop, mit dem man normalerweise minimalinvasiv den menschlichen Miniskus ausleuchtet, eine Linse eingebaut. Ein paar Tage habe er mit "Elvira" verbracht, bis er diese Fotos im Kasten hatte.
Nach der Ausstattung der "roten Hütte" muss die Brutkammer mit Nahrung versorgt werden. Hierfür braucht die Mohnbiene ausschließlich den Pollen der Kornblume. 20 bis 30 Mal fliegt sie diese an, klebt den Pollen an ihre Bauchbürsten und bringt ihn gemischt mit etwas Nektar ins Nest. Anschließend legt sie ein Ei auf das Pollen-Nektar-Gemisch, den sogenannten "Bienenkuchen", und verschließt das Nest.
Mohnbiene, die Spezialistin
Eine absolute Spezialistin ist die Mohnbiene, angewiesen auf Klatschmohn, Kornblume, sehr viel Sonne und grabbaren Boden. Alles müsse sehr eng beieinander sein. "Es nützt nix, wenn hier ein Mohn wächst und drei Dörfer weiter eine Kornblume", erklärt er. Auch die meisten anderen Wildbienen seien Spezialisten, die im Boden brüten. Doch der Boden muss in Ruhe gelassen werden, sagt der Fachmann.
"Der Blühstreifen hier ist eine Vorratskammer, Nahrung für Insekten, die nicht spezialisiert sind, sogenannte Generalisten. Die meisten Insekten sind aber Spezialisten", erläutert er. Aber auch die Ansprüche der Generalisten würden nur zum Teil befriedigt. "Das führt zu einer ganz bösen Falle. Die Insekten werden durch Nahrung angelockt, finden aber keinen Lebensraum, um sich zu vermehren", meint er. Das sei nicht im Sinne der Biodiversität.
Was aber muss getan werden, angesichts der Tatsache, dass in den vergangenen 30 Jahren bis zu 80 Prozent der Biomasse an fliegenden Insekten verloren ging? Isolierter Naturschutz in Naturschutzgebieten sei jedenfalls nicht das Mittel der Wahl. "Damit schaffen wir es nicht, Oasen zu schaffen, die unsere Sünden draußen ausbaden", sagt Günter.
Kritik an Monokulturen
Stattdessen müssten andere Ansätze her. "Hört auf mit Gift! Hört auf mit der Industrialisierung der Landwirtschaft! Hört auf mit Monokulturen!", fordert er. "Wir müssen auf der ganzen Fläche mal den Mist lassen. Das Gute bleibt übrig, wenn man das Schlechte lässt", meint er. Das gelte in der Biologie ebenso.
Solange man aber das Schlechte nicht lasse, nütze es gar nichts, "langförmige Blumensträuße an Felder zu pflanzen mit Blumen, die hier nicht heimisch sind". Zudem seien diese Streifen auch psychologische Fallen für den Menschen. "Wir denken, dass wir damit etwas Gutes tun und lehnen uns zurück. Das einzige, was dann passiert, ist, dass die Zeit verstreicht", meint er. "Zeit aber haben wir nicht mehr, die Systeme brechen momentan zusammen."
Und deshalb müsse auch jeder einzelne etwas tun: Voten, Stopp sagen, sich einmischen, konstruktiv streiten. Und vor allem deutlich sagen: Wir machen da nicht mehr mit!
und musst gelegentlich auch noch lesen, dass so manche/r "Biodiversität" so versteht, des lieben Profites halber willkürlich irgendwelche Bäume aus anderen Ökosystemen hier flächendeckend in den Wald zu knallen, ohne Rücksicht darauf, wie der schäbige Rest des hiesigen Ökosystems damit klar kommt... das soll sich dann zukunftsfähiger Umbau nennen... statt mehr Natur wagen auch noch den letzten Rest durch Verschlimmbesserung kaputtmachen... au Mann...