Ärzte haben eine Menge medizinisches Spezialwissen. „Aber vieles rund um eine Krankheit wissen sie auch nicht“, sagt Barbara Keller aus Hausen. Machen zum Beispiel Nahrungsergänzungsmittel bei Krebs Sinn? Wie gehen andere Krebspatienten mit der schrecklichen Müdigkeit als Begleitphänomen der Erkrankung um?
Diese Fragen bespricht die an einem Lymphom erkrankte 59-Jährige Keller in der vor 20 Jahren gegründeten Selbsthilfegruppe Würzburg für Patienten mit Leukämie und Lymphomen.
40 Jahre nicht beim Arzt gewesen
Es war reiner Zufall, dass die Krebserkrankung vor 15 Jahren bei ihr entdeckt wurde, erzählt die Gruppenleiterin, die anlässlich des Weltkrebstags am Sonntag, 4. Februar, auf die Bedeutung der Selbsthilfe für Tumorpatienten aufmerksam machen möchte.
Keller erwähnte beim Frauenarzt Verdickungen in der Leistengegend. „Die führte ich auf meinen Beruf zurück“, so die Fleischereifachverkäuferin. Doch der Arzt wurde hellhörig und schickte seine Patientin zum Internisten.
Der Verdacht schockte sie nicht: „Ich habe mich ja völlig gesund gefühlt.“ Keller, die 40 Jahre lang kaum einmal einen Arzt gebraucht hatte, war zuversichtlich, dass sich alles als falscher Alarm herausstellen würde. Doch dem war nicht so.
Sechs Chemos, 60 Bestrahlungen
Im Februar 2002 erhielt sie die unumstößliche Diagnose: „Lymphom“. Sofort begannen die Behandlungen. Auf sechs Chemotherapie-Zyklen folgten 60 Bestrahlungen. Ein komplettes Jahr war Keller ausschließlich mit dem Kampf gegen den Krebs beschäftigt. Doch auch danach war die Krankheit nicht überstanden: „Ich hatte bisher fünf Rezidive.“
An Krebs zu leiden, bedeutet, nach der Therapie nie zu wissen, ob man wirklich für immer geheilt ist, bestätigt Birgit Meller, die sich ebenfalls in der Leitung der Selbsthilfegruppe engagiert. „Ich bin gerade in der Remission“, sagt die 58-Jährige aus Marktheidenfeld, bei der vor vier Jahren Leukämie festgestellt wurde.
„Remission“ bedeutet, dass bisher kein Rezidiv aufgetreten ist. Ob es, wie bei ihrer Leitungskollegin Barbara Keller, irgendwann einmal zum Rückfall kommen wird? Mit dieser Frage ist Meller ständig konfrontiert.
Birgit Meller war froh, endlich zu wissen, woran sie leidet
Ähnlich wie Barbara Keller war auch Birgit Meller im ersten Moment nicht geschockt, als sie hörte, was ihr fehlte. „Im Gegenteil, das war für mich eine Erlösung“, sagt sie. Denn Meller fühlte sich schon lange, bevor die Leukämie bei ihr diagnostiziert wurde, nicht gut. Doch das hätte Ärzte bis dahin nicht ernstgenommen.
Als Hans-Peter Grützner vor knapp 20 Jahren erfuhr, dass er Leukämie hat, war die Medizin noch nicht so weit, wie heute. Im Klinikum der Universität München wurde drei Monate lang versucht, Grützners Blutkrebserkrankung durch eine Übertragung eigener Stammzellen zu bekämpfen.
Diese Zeit der „Isolationshaft“, in der sein Immunsystem komplett heruntergefahren war, hat er als Alptraum in Erinnerung. Drei Monate kaum Kontakt zu Menschen. Die Schwestern kamen mit Mundschutz und Handschuhen ins Zimmer. Die Zeit ging quälend langsam vorbei. Doch es nutzte alles nichts. Grützners großes Glück war, dass just zu jener Zeit neue Medikamente auf den Markt kamen.
Selbsthilfegruppe seit 1995
Dass Hans-Peter Grützner, Barbara Keller und Birgit Meller heute Hilfe in der Selbsthilfe finden, haben sie Evelyn Flohr-Schmitt von der Psychosozialen Krebsberatungsstelle der Bayerischen Krebsgesellschaft in Würzburg zu verdanken. Die Psychoonkologin gründete bereits 1995 eine angeleitete Gruppe für Leukämie- und Lymphompatienten.
21 Menschen aus ganz Unterfranken sind aktuell in Kontakt mit der Selbsthilfegruppe. Die trifft sich im Abstand von etwa zwei Monaten im Dachcafé Karthago in der Sanderau. Wer sich für die Gruppe interessiert, kann sich unter Tel. 0931/280 650 oder per E-Mail an die Krebsberatungsstelle wenden.