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Würzburg
Warum feiern wir Ostern eigentlich?
Was macht Ostern zum höchsten christlichen Fest? Liturgiereferent Stephan Steger über die Auferstehung und das Wiedersehen im Himmel.
Grablegung Jesu: Die russische Ikone ist um 1880 bis 1900 entstanden und gehört einem Kirchenmaler aus Karlstadt (Lkr. Main-Spessart). In der Mitte Maria mit Heiligenschein, links oben Johannes.   Foto: Karlheinz Haase
Foto: Karlheinz Haase | Grablegung Jesu: Die russische Ikone ist um 1880 bis 1900 entstanden und gehört einem Kirchenmaler aus Karlstadt (Lkr. Main-Spessart). In der Mitte Maria mit Heiligenschein, links oben Johannes. Foto: Karlheinz Haase
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 16.04.2020 02:10 Uhr

Ostern ist das älteste und höchste Fest im christlichen Kirchenjahr. Doch wissen wir eigentlich noch, um was es an Ostern wirklich geht? Stephan Steger, Leiter des Liturgiereferats der Diözese Würzburg, erklärt die Bedeutung des Feiertages.

Frage: Herr Steger, was ist Ihr Eindruck: Weiß die Mehrheit, warum wir Ostern feiern?

Stephan Steger: Grundsätzlich halte ich es für wichtig, um die Bedeutung dessen zu wissen, was ich tue, auch wenn ich nicht zwingend dahinterstehe. Das Wissen um Ostern scheint mir genauso zu schwinden wie die Kenntnis um den Gehalt des Weihnachtsfestes. Dabei liegt sicher das Motiv der Geburt den Menschen näher als das Thema von Leiden, Tod und Auferstehung, obwohl ich dies spannender finde. Es ist bezeichnend und übrigens gut, dass mittlerweile Discounter mit ihrer Werbung zusammen Festerklärungen liefern, die den christlichen Gehalt der Feste transportieren.

Was macht Ostern zum höchsten christlichen Fest?

Steger: Beim Osterfest geht es um den Tod und die Auferstehung Jesu. Dies ist für die Christen Urgrund ihres Glaubens. Nach der Überlieferung des Neuen Testaments wurde Jesus Christus, Sohn Gottes, am dritten Tag nach seiner Kreuzigung von den Toten erweckt und erschien seinen Jüngern – Frauen und Männern – in leiblicher Gestalt. Auf diesem Zeugnis beruht der Glaube des Christentums an die Messianität Jesu Christi und an die Zusage Gottes an die Menschen zum ewigen Leben.

Seit wann wird Ostern eigentlich gefeiert?

Steger: Das Osterfest lässt sich bis in die Anfänge des Christentums hinein zurückführen. Es ist damit auch viel älter als das Weihnachtsfest, das erst im Wechsel vom 4. zum 5. Jahrhundert entstanden ist. Das Osterfest dagegen knüpft an das jüdische Pessachfest an. Es ist ein ursprünglich Frühlings- und Fruchtbarkeitsfest. Im Judentum vergegenwärtigt es den Auszug aus Ägypten, also die Befreiung der Israeliten aus ägyptischer Sklaverei und auch in unserer Feier der Osternacht wird diese biblische Überlieferung bis heute gelesen.

Was ist für den Glauben wichtiger: Ostern, also die Auferstehung, oder Karfreitag, also das Sterben Jesu?

Steger: Eigentlich wird an Ostern beides zusammen gefeiert. Man kann die Auferstehung nur verstehen, wenn man den Abschied vom irdischen Leben als Realität akzeptiert. Das Tröstliche am Osterglauben ist ja, dass es den Tod nicht einfach überspringt. Dass wir heute Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag und Ostersonntag feiern, ist auch wieder eine spätere Entwicklung und eine Form der Festentfaltung. Tod und Auferstehung werden in diesen Tagen zusammen gefeiert und gehören zusammen.

Das Johannes-Evangelium berichtet von Thomas, der nicht glauben konnte, dass Jesus auferstanden war. Wie kann man begreifen, wenn man Jesus nicht selbst sah, hörte, berührte?

Steger: Es gibt eine Vielzahl an Menschen, denen der auferstandene Jesus erschienen ist. Davon erzählt die Bibel und sie berichtet auch von den Erfahrungen Einzelner, die sagen, dass er ihnen begegnet ist. Auch Paulus ist Jesus begegnet. Ein Mann, der dadurch vom vehementen Verfolger der Christen zum glühenden Bekenner des christlichen Glaubens wird.

Immer wieder gibt es Menschen in den Jahrhunderten der Kirchengeschichte, die Jesus-Erfahrungen machen, auch wenn diese Jesus-Erfahrung wohl ganz anders war als das Treffen zweier leiblicher Personen, muss es für die Betroffenen sehr real gewesen sein.

Wenn die Christen an die Auferstehung glauben, dann glauben Sie demnach auch daran, dass es ein Leben nach dem Tod gibt?

Steger: Jesus zeigt uns, dass der Tod nicht das Ende ist. Das Leben nach dem Tod wird ein anderes sein als das Leben, das wir hier haben. Davon gehe ich aus. Auferstehung wird nicht die Fortsetzung des irdischen Lebens sein, aber es steht in Verbindung damit. Wir Christen glauben an eine Auferstehung von Leib und Seele. Davon handeln auch alle unsere Gebete und liturgischen Texte. Damit ist gemeint, dass es um mehr geht als nur um den Geist des Menschen. Es geht um den ganzen Menschen, mit all seinen Gefühlen und Empfindungen, mit seiner Leiblichkeit, also mit allem, was ihn ausgemacht hat.

Der Physiker Stephen Hawking dagegen sagt: „Es gibt kein Leben nach dem Tod, das ist ein Märchen.“ Was entgegnen Sie ihm?

Steger: Mein Auferstehungsglaube gründet auf dem Zeugnis der ersten Christinnen und Christen, auf dem Glauben des Christentums seit 2000 Jahren und auf den unzähligen Erfahrungen des Alltags – von vielen Menschen und von mir selbst –, dass es da noch etwas anderes, etwas Höheres, vom Sinn Tieferes und meine Vorstellungen Übersteigendes geben muss.

Für viele in unserer rationalen Welt ist genau das nicht einfach: Dass man sich das Wiedersehen im Himmel nicht wirklich „vorstellen“ kann.

Steger: Ja, es geht um Vorstellungen jenseits unseres zeitlichen und räumlichen Vorstellungsvermögens. Wir können uns ja schon die Größe des Universums kaum vorstellen, obwohl wir sie vielleicht annähernd berechnen können. Aber auf den Gedanken des Wiedersehens kann der Glaube nicht verzichten. Beim Glauben an die Auferstehung geht es ja um das menschliche Leben, das immer ein Leben in Beziehungen ist. Wenn die Auferstehung die Verwandlung dieses irdischen Lebens in die Dimension der Ewigkeit meint, dann gehören dazu auch die Beziehungen, in denen sich menschliches Leben vollzieht und ohne die ich nicht leben will.

Menschen mit Nahtoderfahrung berichten, Sie hätten als Geistwesen den Körper verlassen, und können hinterher genau berichten, was geschah, während sie als klinisch tot galten. Kann man sich so das Leben nach dem Tod vorstellen?

Steger: Die Kirche hat erst im 20. Jahrhundert gelernt, die Vorstellungen, die sie über ein Leben nach dem Tod hatte, als Bildsprache zu verstehen, sie also immer wieder zu prüfen und neu in Sprache zu fassen. Himmel, Hölle, Fegefeuer oder Paradies – heute ist man mit diesen Bildern und in der Wortwahl viel differenzierter und vielleicht auch vorsichtiger.

Die farbigen Bilder von Hölle oder Fegefeuer, von einem richtenden Gott, der zu einem strafenden Gott wurde, sind Ausdruck einer bestimmten Sprach- und Verstehenswelt, die nicht mehr die unsere ist. Das hat oft auch Druck und Ängste erzeugt. Aber die Bilder haben ihren Wahrheitsgehalt.

So steckt zum Beispiel im Bild vom Gericht die Überzeugung, dass ich am Ende mit der Wahrheit meines Lebens konfrontiert werde, dass Lebenslügen, in die ich mich verstrickt habe, auffliegen und dass dies etwas ist, was schmerzt. So lassen sich auch die anderen biblischen Bilder, wie die Wiederkunft Christi am Ende der Zeit oder die Hölle, auf ihre heutige Verständlichkeit hin und ihren wahren Kern hin befragen.

Menschen mit Nahtod-Erlebnissen berichten auch davon, dass ihnen hinter einem dunklen Tunnel ein überaus helles Licht erschienen sei. Sieht so das jüngste Gericht aus?

Steger: Wer von Nahtoderfahrungen berichten kann, ist wieder in dieses Leben zurückgekehrt, wohingegen der Tod unumkehrbar ist. Insofern ist hier Vorsicht bei der Übertragung in den Bereich des Glaubens geboten. Die Bibel spricht von einem jüngsten Gericht, vor dem man noch einmal Rechenschaft über sein Tun und Handeln ablegen darf, nämlich über alles, was einen selbst ausmacht. Theologische Überlegungen gehen davon aus, dass man sogar noch im Tod die Möglichkeit hat, sein Leben zu ändern. Eine Umkehr ist im Tod noch möglich.

Also keine Hölle, kein Fegefeuer mehr – ist Kirche „harmloser“ geworden?

Steger: Die Kirche ist ehrlicher geworden. Sie kann auf die Fragen, wie es im Jenseits aussieht, keine Antworten geben.

Sie kann nur mit Gewissheit sagen, dass Menschen seit 2000 Jahren fest an die Auferstehung und an ein Leben nach dem Tod glauben und davon überzeugt sind, weil sie im hier und heute bereits von dieser anderen Wirklichkeit erfahren und berührt werden und weil über allem die Wirklichkeit der Auferstehung Jesu vor 2000 Jahren steht.

Stephan Steger ist Liturgiereferent im Bistum Würzburg. Der 52-Jährige bereitet in den Ostertagen die Gottesdienste vor, besonders die Osternachtsfeier, die heuer live im BR übertragen wird.
Foto: Theresa Müller | Stephan Steger ist Liturgiereferent im Bistum Würzburg. Der 52-Jährige bereitet in den Ostertagen die Gottesdienste vor, besonders die Osternachtsfeier, die heuer live im BR übertragen wird.
 
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