Große Kunst auf der kleinen Bühne im Theater Sommerhaus. Das zeigt ein Stück, in dem es um Depressionen und Suizid(versuche) geht und wie ein Kind, später eine junge Erwachsene mit diesen prägenden Ereignissen in ihrer Familie umgeht. Dem Autor Duncan Macmillan ist es mit "All das Schöne" gelungen, ein ernstes Thema anrührend, unsentimental, ja sogar komisch zu bearbeiten. Zudem ist es ein Stück voller Hoffnung, denn es zeigt: Trotz aller Verluste und schlimmen Erfahrungen, die das Leben mit sich bringt, kann man es genießen.
Unvergleichlich wie Ana Dyulgerova, die sich unter der Regie von Iwona Jera spielt, das am Premierenabend vermittelt. Beeindruckend, wie die Schauspielerin zur Hochform aufläuft, fast anderthalb Stunden allein die Spannung hält, wie es ihr gelingt, die vielen unterschiedlichen Emotionen perfekt darzubieten.
Geschäftig läuft sie hin und her, tanzt, singt, erzählt und nutzt Requisiten, um sich an Menschen, Ereignisse, Reaktionen zu erinnern. So, dass sie als Siebenjährige nach dem Selbstmordversuch ihrer Mutter am Verhalten des überforderten Vaters spürte, "dass etwas Schlimmes passiert ist". Dass sie trotzdem wohl nicht unglücklich war, es normal fand, mit der Schulpsychologin zu sprechen. Dass sie begann für die Mutter eine Liste zu schreiben, mit allem, was auf der Welt schön ist: 1. Eiscreme. 2. Wasserschlachten. 3. Länger aufbleiben dürfen als sonst und fernsehen ... Selbst, dass die Empfängerin nicht darauf regierte, war keine große Sache. Als Kind geht man anders damit um als ein Teenager. Später, in der Pubertät und nach einem weiteren Suizidversuch der Mutter, "kam ich dann damit nicht mehr so gut klar", erklärt die zierliche Frau, erinnert sich an ihre Wut, ihr Geschrei und ihr hoffnungsvolles Erweitern der wiedergefundenen Liste.
Die ellenlange Aufzeichnung von all dem Schönen sollte sie auch ihr nach außen "normales" Leben begleiten. Studium, erste Liebe, nervöse Vorstellung des netten Mannes bei den Eltern, Hochzeit, bei der ihr Vater wieder einmal seinen Gefühlen keinen Ausdruck verleihen kann. Jede Geste sitzt, jeder Gesichtsausdruck spiegelt die Gefühle, auch die, die im Hintergrund lauern. Schuld, Angst, Unruhe, im Laufe ihrer Ehe und besonders nach dem Eheaus immer die Fragen: Werde ich auch wie meine Mutter? Depressiv? Begleitet mich die Angst vor der Freude?
Wohl nicht. Am Ende des Abends enthält ihre Liste 1.000.000 Gründe, die das Leben lebenswert machen. Ob sich darunter auch ein Theaterabend wie dieser befindet? Er gehört auf alle Fälle darauf.
Auf dem Spielplan steht das Stück bis 7. Juli. Karten unter Tel. (0 93 33) 9 04 98 67.