zurück
Würzburg
Warum eine Britin jetzt Deutsche werden möchte
Seit sechs Jahren lebt die Britin Amy Hutchings in Würzburg. Der Brexit könnte das Leben der Medizinstudentin auf den Kopf stellen - doch sie hat noch eine Hoffnung.
Die Würzburger Medizinstudentin Amy Hutchings stammt aus Großbritannien. Jetzt hat sie die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt.
Foto: ANGIE WOLF | Die Würzburger Medizinstudentin Amy Hutchings stammt aus Großbritannien. Jetzt hat sie die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt.
Bearbeitet von Vinzenz Gabriel
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:01 Uhr

Dass sie in Deutschland bleiben möchte und dafür früher oder später die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen würde, wusste sie schon länger. "Bisher hatte ich aber keine Eile, aber jetzt kann es nicht schnell genug gehen", erklärt die Würzburger Medizinstudentin Amy Hutchings. Denn bislang konnte sie mit ihrer britischen Staatsbürgerschaft im Rahmen der europäischen Freizügigkeit in Deutschland ohne Einschränkung studieren. Dieses Recht steht nun wegen des Brexits auf der Kippe.

Sollte es zu einem harten Brexit kommen, bei dem Großbritannien keine neuen Verträge mit der Europäischen Union schließt, laufen alle bestehenden Verträge ab. Für Amy Hutchings und alle im EU-Ausland lebenden Briten ein Fiasko. Ihre Aufenthaltsgenehmigung würde von heute auf morgen erlöschen.

Brexit führt immer wieder zu Diskussionen in der Familie

Vertrauen in den britischen Politikbetrieb hat die 26-jährige Studentin inzwischen keines mehr. "Es ist beschämend wie wenig die Politiker zustande bringen und dass sie vier Wochen vor dem Ausstieg noch immer nichts Handfestes präsentieren können", echauffiert sie sich. Sie hat gelernt mit ihrer Familie in Großbritannien nicht über das Thema Brexit zu sprechen. Zu unterschiedliche Meinungen haben sie dazu. "Meine Familie befürwortet den Brexit überwiegend. Sie sind Teil der Arbeiterklasse und erhoffen sich durch einen Ausstieg aus der europäischen Union mehr Autonomie, neue Chancen und ein stärkeres Land." Sie selbst sieht zwar die prekären Verhältnisse, in denen ihre Eltern leben, hält einen Rückzug zum Nationalismus aber für falsch. "Ein solcher Schritt führt das Land in die Isolation und in die politische Bedeutungslosigkeit", so ihre Ansicht.

Amy selbst steht kurz vor dem Abschluss ihres Medizinstudiums. Nach fünf Jahren Lebensmittelpunkt in Würzburg hat sie sich bestens eingelebt: Sie ist aktives Mitglied im Medi-Netz, einem studentischen Zusammenschluss, der Menschen ohne Krankenversicherung Zugang zu medizinischer Behandlung ermöglicht, sowie bei den Würzburger Grünen.

"Ein solcher Schritt führt das Land in die Isolation und in die politische Bedeutungslosigkeit"
Medizinstudentin Amy Hutchings zur Bedeutung des Brexits

Ihre Wut auf die britischen Politiker ist gut nachzuempfinden. Findet sich nicht noch kurzfristig eine Lösung, muss sie von heute auf morgen um ihren Studienplatz und ihre Aufenthaltsgenehmigung kämpfen. So wenig Vertrauen sie in ihr einstiges Heimatland hat, umso mehr glaubt sie an die Politik in Deutschland. "Dass der deutsche Staat Menschen wie mich nicht aufgibt", hofft sie. Denn in Deutschland werden in Zukunft Ärzte händeringend gebraucht. Ihre Ausbildung hat der deutsche Staat schon durch ihre Aufnahme in das Stipendienprogramm der Studienstiftung des deutschen Volkes unterstützt. Eine ihrer Professorinnen hatte sie nach einer mündlichen Prüfung dafür vorgeschlagen.

Umfrage
Ted wird geladen, bitte warten...

Hat der Brexit Konsequenzen für ihr Stipendium?

Sorgen macht sie sich mehr, dass die bürokratischen Mühlen nach dem Brexit ungeachtet ihres persönlichen Hintergrunds arbeiten. Für den schlechtesten Fall hat sie sich zumindest schon informiert. Sollten tatsächlich alle Vereinbarungen zur Freizügigkeit entfallen und sie bis dahin noch nicht die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten haben, müsste sie ein Visum beantragen. Es stellt sich ihr jedoch noch eine weitere, wesentliche Frage: Liefe ihr Stipendium noch weiter? Ein Teufelskreis: Denn dann könnte sie möglicherweise die für das Visum notwendige finanzielle Unabhängigkeit nicht mehr nachweisen.

Einbürgerungsantrag gestellt, Einbürgerungstest geschrieben

Ihre größte Hoffnung ist, dass ihr Einbürgerungsantrag angenommen wird. Nach acht Jahren Lebensmittelpunkt in Deutschland kann der Antrag im Allgemeinen gestellt werden. Nach sieben, wenn ein Integrationskurs abgelegt wurde. Nach sechs Jahren, wenn sich die betreffende Person in erheblichem Maße ehrenamtlichen engagiert.

"Deutschland hat mir so viel ermöglicht und davon möchte ich etwas zurückgeben."
Amy Hutchings, zu ihren Plänen in Deutschland zu bleiben

Seit sechs Jahren lebt Amy Hutchings inzwischen in Deutschland. Gestellt hat sie den Antrag daher vor einigen Wochen im Rathaus. Nun wird ihr Antrag von verschiedenen Behörden überprüft. Die Studentin ist vorsichtig optimistisch, denn den Kriterien müsste sie eigentlich genügen. Sie spricht fließend deutsch und erhält ein Empfehlungsschreiben vom Medi-Netz sowie den Grünen für ihr ehrenamtliches Engagement. Den Einbürgerungstest hat sie bereits geschrieben. "Es bedarf eines Basiswissens über das deutsche Politik- und Rechtssystem sowie Landeskenntnisse über Bayern und die Region Unterfranken", erklärt sie.

Ihre Zukunft sieht die Medizin-Studentin in der Bundesrepublik: "Deutschland hat mir so viel ermöglicht und davon möchte ich etwas zurückgeben."

 

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Amy
Brexit
Medizinstudenten
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Mitglied der Grünen, ok mehr muss man nicht wissen. Egal ob engagiert oder nicht, Fachkräfte können gerne durch Visum etc. in Deutschland leben und arbeiten, dass ist aber kein Grund gleich die Staatsbürgerschaft zu verschenken. Dies sollte erst nach einer langjährigen dauerhaften Sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung und fließenden Deutschkenntnissen erfolgen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Funkenstern
    Richtig lesen. Sie spricht fliessend deutsch und der Rest ist insoweit nicht entscheidend, da sie sich mit dieser Ausbildung selbst versorgen kann. Da ist hier schon ganz anderen Kapazitäten die Deutsche Staatsbürgerschaft hinterhergedummt worden. Warum die MP jedoch wieder so einen schönen Artikel für das eigene Weltbild bastelt, darüber kann man trefflich streiten.
    Ärzte mit guten Deutschkenntnissen wird es brauchen, ich musste neulich mal ne Seniorin in die Notaufnahme begleiten. Der angehende Arzt in Ausbildung im Nachtdienst hatte ein Deutsch, was keines war. Mein Englisch war besser als seins und sowas wird nachts allein auf Deutschland losgelassen. Da wär mir die Dame lieber gewesen. Ich wünsche ihr viel Glück, dass es mit D klappt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • sepele
    So hat der Brexit für uns auch etwas gutes, wenn junge, engagierte Fachkräfte sich bemühen, unsere Nationalität anzunehmen und hier bleiben möchten.
    Ich freue mich darüber. Auch schreckt Sie der ein oder andere fränkische Grantler, wie auch hier wieder aktiv, nicht davon ab.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R.Silber
    Mitglied bei den Würzburger Grünen, nun, spätestens ab dieser Erkenntnis weiß ich um die Wertigkeit dieses Artikels. Interessant ist die Tatsache, dass die Familienangehörigen offenbar den Ausstieg aus der europäischen Gemeinschaft befürworten. Aber mit demokratischen Entscheidungen haben die Grünen ohnehin ihre Probleme, wenn diese nicht die eigenen Vorstellungen bedienen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • sepele
    Zum Thema Demokratie: Wer den Wertigkeit von Artikeln an der Parteizugehörigkeit von portraitierten Personen fest macht, hat Demokratie nicht wirklich verstanden.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R.Silber
    @sepele, zunächst einmal heißt es "wer die Wertigkeit". Na ja, mich als fränkischen Grantler zu bezeichnen, sei`s drum. Wenn ich Ihre Kommentare so lese, weiß ich wo Sie zu Hause sind. Und zwar genau bei der deutschen Bevormundungspartei, bei der Demokratie in dem Moment endet, wo andere Meinungen auftreten. Das ist inner- als auch außerparteilich der Fall. Nur am Rande bemerkt, ich habe überhaupt kein Problem mit der jungen Dame, sie ist mir herzlich willkommen. Interessant für mich war die Tatsache, dass die Familie der Studentin ganz anders über den Brexit denkt. Dies ist auch mein Eindruck gewesen als ich vor kurzem in London war und ich mich mit Freunden über den Brexit unterhalten habe. Die Menschen wollen einen geordneten Brexit, halten aber sehr wohl an ihrer Entscheidung fest, obgleich uns die deutschen Hofberichterstatter etwas anderes erzählen wollen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • sepele
    Den Ausgang des Referendums zum Brexit kennen wir. Es gab eine leichte Mehrheit dafür. Inwiefern es nun eine Bestätigung für irgendwas sein soll, wenn man Briten findet, die dafür sind und solche, die dagegen sind, erschließt sich mir nicht.

    Einlassungen zu Parteizugehörigkeiten sind für dieses wichtige Thema, um das es hier geht, nicht relevant. Es sei denn, Sie möchten nur politische genehmen Menschen die Staatsbürgerschaft übertragen. Demokratie und so.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R.Silber
    @@sepele und Lebenhan1965, wenn hier einer ein Demokratieproblem hat, dann offenbar Sie Beide. 52 % der Menschen in Grossbritannien haben sich gegen Europa entschieden, können Sie das nicht akzeptieren? Bloß weil diese Mehrheit nicht Ihre Anschauungen vertritt? Der Grund für die meisten Briten ist, dass sie sich ihre Souveränität bewahren möchten. Damit können Sie Beide natürlich nichts anfangen. Sie hängen gerne am Tropf von Brüssel und lassen sich diesen kollektiven Einheitsbrei vorsetzen, übrigens eine typische deutsche Eigenart. Deutschland sollte endlich aufhören permanent andere Länder zu bevormunden und zu kritisieren. Unsere Kanzlerin sollte sich lieber mal mehr um ihr eigenes Land und Volk kümmern, Probleme gibt es da reichlich.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Lebenhan1965
    @ ThomasB

    Die 52% der Menschen in Großbritannien haben sich doch für den Brexit entschieden, weil Ihnen vorgegaukelt wurde, dass Sie alle Vorteile der EU beibehielten und keine Nachteile, wie Arbeitsplatzverluste usw. hinnehmen müssten.

    Dass Farage und Johnsson lauter Unwahrheiten erzählten wollten diese Menschen halt nicht wahr haben.

    Wenn es jetzt nicht so viele Nachteile für die Briten gäbe, dann wäre doch der geregelte Brexit längst besiegelt.

    Übrigens sind die beiden großen Lügenbeutel seit jener Entscheidung verhältnismäßig still und von Europa aus nicht oder kaum mehr wahrzunehmen.

    Von mir aus kann Großbritannien gerne die EU verlassen aber nicht zu den Bedingungen, die Briten wollen: Alle Vorteile genießen aber keinen Beitrag leisten und nicht einmal die alten Schulden bezahlen, die noch ausstehen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • FischersFritz
    Bei dem, was den Briten im Falle eines Brexit alles versprochen wurde ist es ein Wunder, dass nur 52% zugestimmt haben.

    Wenn ich wüsste, dass diese Versprechungen auch in Deutschland alle Realität werden, ich würde sofort für den Dexit stimmen.

    Aber leider waren das alles Luftnummern, die Verantwortlichen für diese Lügenkampagnen sind allesamt in der Versenkung verschwunden und die 52% der Briten haben diesen Mist nur deshalb glauben wollen, weil er bei Ihnen die Erinnerung an die große Zeit des Empire geweckt hat.

    Sehen Sie sich doch mal die Zahlen an: von den bis 24-Jähringen sind 36% zur Abstimmung gegangen, von den über 65-Jährigen 83%. Dummerweise korreliert das Abstimmungsverhalten mit diesem Verlauf: „Je älter, desto Brexit!“

    Die Jungen haben den Quatsch nicht gekauft: nur 24% haben für den Austritt gestimmt. Nur leider haben sie die Sache nicht ernst genug genommen.

    Der Brexit ist keine demokratische Entscheidung – es ist das Diktat der Alten!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Lebenhan1965
    @ ThomasB

    Die Menschen in Großbritannien wollen das was Ihnen von den Rattenfängern (Farage, Johnson usw. )versprochen wurde: Den Brexit aber alle Vorteile, die ihnen als Mitglied der EU jetzt auch zustehen.

    Dass das nicht geht haben sie bis heute nicht verstanden.

    Genauso wenig wie die AfDler es bis jetzt verstanden haben wie wichtig die EU für den Frieden und Wohlstand in Europa ist.

    Gegen Dummheit und mangelnde Einsicht ist halt bis jetzt kein Kraut gewachsen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • saf.wuerzburg@t-online.de
    Ich bin auch kein Freund von den Grünen, aber letztendlich ist es doch egal, welcher Partei sie sich zugehörig fühlt, solange es nicht die .f. ist.

    Und das sie sich hier in Würzburg engagiert und gerne in Deutschland bleiben möchte, finde ich es soweit in Ordnung.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten