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Margetshöchheim
Warum dieser Mann den Chefsessel gegen ein Weingut tauschte
Der Münchner Wolfgang Flieger hat seinen hochbezahlten Chefposten an den Nagel gehängt und arbeitet nun in einem Margetshöchheimer Weingut.
Der Münchner Wolfgang Flieger ist froh, dass er seinen beruflichen Neuanfang im Margetshöchheimer Weingut Scheuring gewagt hat. Dafür gab er seinen gutbezahlten Chefposten in der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) auf.
Foto: Tina Göpfert | Der Münchner Wolfgang Flieger ist froh, dass er seinen beruflichen Neuanfang im Margetshöchheimer Weingut Scheuring gewagt hat.
Tina Göpfert
 |  aktualisiert: 09.02.2024 12:08 Uhr

Es ist ein sonniger Vormittag, die Sonne brennt und im Weinberg staut sich die Hitze. Jede Bewegung treibt Schweißperlen auf die Stirn. Schon seit fünf Uhr morgens stapft Wolfgang Flieger durch die Zeilen, gut gelaunt bindet er Meter für Meter die frischen Triebe am Draht fest. In diesem Weinberg zu stehen, ist für ihn die Erfüllung eines lang gehegten Lebenstraums: Mit 65 Jahren hat der Münchner seinen Chefposten in der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) an den Nagel gehängt und ein neues Leben als Weinbauhelfer begonnen – und ist überglücklich damit.

Dabei hatte Flieger nie etwas mit Landwirtschaft zu tun, seine ganze Laufbahn war von geistiger Arbeit geprägt. "Beruflich hatte ich Glück, war immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort", sagt Flieger über seine Karriere. Doch der Top-Job hatte auch eine Schattenseite: Stress pur. "Die Arbeit hat mich aufgefressen. Ich war zu fertig für Theater, Konzerte und andere Dinge, die wir gerne gemacht haben", resümiert er.

"Ich mag diese permanente Forderung nicht mehr. Ich höre auf zu arbeiten, ich will ins Weingut."
Wolfgang Flieger

Der Wendepunkt kam für Wolfgang Flieger, als sein Bruder 2019 überraschend verstarb. Dessen Lebensmotto, dass Arbeit und Geld nicht alles sei, bekam plötzlich ein anderes Gewicht. Als kurz darauf auch Fliegers geliebte Tante verstarb, wurde alles zu viel. Flieger bekam einen Hörsturz, hatte einen Unfall – und zog schließlich die Reißleine. Ende 2019 ließ er sich in einer Psychosomatischen Klinik behandeln und entschied dort mit seiner Ärztin: "Ich mag diese permanente Forderung nicht mehr. Ich höre auf zu arbeiten, ich will ins Weingut."

Wurzeln in Zell am Main

Seit er als Student in einer Brauerei gearbeitet hat, mag er kein Bier mehr, scherzt der 65-Jährige. Sein Interesse am Wein sei im Lauf der Jahre immer größer geworden, er habe Weinführer gekauft und auf Reisen oft lokale Weingüter besucht. Der Wein als Hobby führt von München natürlich auch ins Frankenland. Und auch dass seine Frau aus Zell am Main stammt und deren Vater dort lebt, verband ihn mit Franken. Bei einem Besuch 2006 suchte Flieger nach dem nächstgelegenen Weingut und landete so in Margetshöchheim beim Weingut Scheuring, das Ilonka Scheuring damals gerade von ihrem Vater übernahm. Von da an schaute Flieger bei jeder Frankenreise im Weingut vorbei.

Erschöpfung und Zufriedenheit am Abend

Ende 2019, kurz nach seinem Klinik-Aufenthalt, kam ein weiterer Wendepunkt: dem Schwiegervater, der allein in Zell lebt, ging es gesundheitlich schlecht. So entschied Flieger endgültig, seinen gut bezahlten Chefposten in München aufzugeben, um fortan vier Tage pro Woche in Franken beim Schwiegervater zu sein und im Weingut zu arbeiten. Anfang Januar kündigte er im BLM, die Arbeit im Weinberg startete coronabedingt erst im Mai. "Ich bin offen und kann helfende Hände immer gebrauchen", sagt Ilonka Scheuring. Flieger ist sportlich, trotzdem hatte er Sorge, ob er die anstrengende Arbeit packt. "Die befürchtete völlige Erschöpfung blieb aus", lacht er. Man sei abends schon erledigt, aber die Arbeit an der frischen Luft bewirke eine besondere Ausgeglichenheit.

Freunde finden die Entscheidung gut

Was seine Münchner Freunde über sein neues Leben denken? "Alle finden toll, was ich jetzt mache. Viele Leute haben die Sehnsucht, an Dingen viel näher dran zu sein. Diese Arbeit ist etwas sehr Schönes und Befriedigendes", sagt Wolfgang Flieger. Dann beginnt sein Feierabend.

 
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Kommentare
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  • G. F.
    Mit 65 einen gut dotierten Posten gegen einen Hilfsjob im Weinberg tauschen... Das zieht hier in der MP schon fast einen Ritterschlag nach sich.
    Der gute Mann hat sicher eine Altersversorgung die ihn einen schönen Lebensabend ermöglichen kann, er aber geht in den Wengert und nimmt u. U. einen andren Ruheständler der auf das Zubrot angewiesen ist den Nebenjob weg.
    Sowas finde ich einfach nur beschämend.
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  • T. M.
    Beschämend ist einzig und allein Ihr Kommentar! Noch beschämender ist dass sowas durch die Netiquette kommt!!!
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  • G. F.
    Das sollten Sie mal begründen... Mein Beitrag ist weder beleidigend noch verstößt er auf andere Art und Weise gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung.
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  • J. R.
    "Chefposten" ??? Ihr solltet besser recherchieren ! Pressesprecher ist nicht der Chefposten !

    https://www.blm.de/ueber_uns/organigramm.cfm

    BLM - 2018
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    https://www.blm.de/infothek/pressemitteilungen/2018.cfm
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  • L. W.
    Hallo Lemmy,

    Dr. Wolfgang Flieger war bis März 2020 Leiter des Bereichs Kommunikation und Medienwirtschaft in der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und bis 2016 Pressesprecher der Landeszentrale.

    Freundliche Grüße aus der Redaktion
    Lukas Will
    Digitales Management
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