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Würzburg
Warum der „König der Sinti“ in Heidingsfeld beerdigt wird
Er hat den zweiten Weltkrieg und die Konzentrationslager der Nazis überlebt. Jetzt findet der Sinti-Musiker und -Streitschlichter Alfred Friedrich im Städle seine letzte Ruhe.
In der Band La Romanderie fand Alfred Friedrich tonangebende Kollegen. Nun ist er im Alter von 90 Jahren gestorben und findet in Heidingsfeld seine letzte Ruhe.
Foto: Familie Friedrich / Privat | In der Band La Romanderie fand Alfred Friedrich tonangebende Kollegen. Nun ist er im Alter von 90 Jahren gestorben und findet in Heidingsfeld seine letzte Ruhe.
Joachim Fildhaut
 |  aktualisiert: 22.11.2020 02:15 Uhr

An diesem Donnerstag um 13 Uhr wird auf dem Heidingsfelder Friedhof Alfred Friedrich, der "König der Sinti" bestattet. Er starb am vergangenen Samstag im Alter von 90 Jahren.

"Wir sind eine sehr große Familie, und er war der Älteste."
Mona Franz - Tochter

Viel Musik wird an diesem Donnerstagmittag bei der Feier erklingen, denn der Violinist und Saxofonist fand im Lauf seines Lebens viele Musikerfreunde. So spielte er unter anderem mit der prominenten Sinti-Swing-Formation La Romanderie zusammen, die neben dem Schnuckenack-Reinhardt- und dem Häns’che-Weiss-Quintett als wegweisend in deutschen Landen genannt wird.

Kurz vor dem Kriegsende konnte Alfred Friedrich bei einem KZ-Evakuierungsmarsch fliehen

Außer seinem Rang als Streitschlichter ("König") und als Musiker zeichnet Alfred Friedrich noch eine dritte, düstere Besonderheit aus: Geboren am 26. Juli 1930 in Berlin, war er von März 1943 an in den Konzentrationslagern Auschwitz-Birkenau, Ravensbrück und Sachsenhausen interniert, konnte aber kurz vor Kriegsende bei einem Evakuierungsmarsch fliehen. Drei weitere Geschwister überlebten den Holocaust. Weihnachten 1945 sahen sie ihren Vater Max Friedrich wieder, der 19 Jahre später im Frankfurter Auschwitz-Prozess als Zeuge aussagte. 

Niedergelassen hat sich die Familie in der Stuttgarter Straße in Heidingsfeld

Niedergelassen hat sich die Familie Friedrich in der Stuttgarter Straße in Heidingsfeld, und Sohn Alfred wurde Musiker wie sein Vater. Doch was hat es mit dem monarchischen Attribut auf sich? Es werden ja mehrere Männer "König der Sinti" genannt. Alfred Friedrichs Tochter Mona Franz umreißt die Funktion als "wie ein Richter. Er schlichtete Streitigkeiten, Uneinigkeiten" und habe das nötige Ansehen dazu "durch sein Alter" erworben: "Wir sind eine sehr große Familie, und er war der Älteste."

Dabei sei er keineswegs allein von den Familien Friedrich als "eine Art Anführer" anerkannt gewesen, sondern in ganz Deutschland – und Österreich, wie Mona Franz’ Bruder Ilko Friedrich hinzufügt. Der Wunsch ihres Vaters sei es gewesen, sowohl den Titel als auch die Funktion "mit ins Grab zu nehmen". Vielleicht werde aber auch ein Cousin diese gewissermaßen friedensrichterliche Rolle übernehmen.

Die musikalische Traditionslinie ist derweil gesichert

Die musikalische Traditionslinie ist derweil gesichert. Alfred Friedrichs Enkel Nico Franz spielt Geige nicht allein in Jazz-Ensembles. Der heute 24-Jährige studierte zunächst am Augsburger Leopold-Mozart-Zentrum und war Stipendiat der Yehudi-Menuhin- und der Albert-Eckstein-Stiftung. Und damit war er der ganze Stolz seines Großvaters Alfred Friedrich. "Das war für ihn sehr wichtig", sagt Mona Franz, "dass einer aus der Familie richtig Klassik studiert."

Geplant ist ab 11 Uhr eine Überführung vom Waldfriedhof aus mit einer Kutsche

In den letzten Jahren machte dem Senior besonders seine Parkinson-Krankheit zu schaffen – "und die Psyche", so Mona Franz, "das Konzentrationslager. Da kam manchmal alles wieder hoch."

Wichtigster Trauergast an diesem Donnerstag wäre Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma geworden, doch der steht unter Corona-Quarantäne. Dennoch wird es an einem ehrenvollen Geleit nicht fehlen. Geplant ist ab 11 Uhr eine Überführung vom Waldfriedhof aus mit einer Kutsche, die das Familienhaus in der Stuttgarter Straße passieren und dann zum Heidingsfelder Friedhof fahren soll. 

 
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