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Würzburg
Warum der Gartenbau-Präsident Steingärten gelassen nimmt
Bayerns Obst- und Gartenbauvereine feiern 125-jähriges Bestehen. Der Präsident des Landesverbands im Gespräch über Gartenzwerge, "gschlamperte" Gärten - und Irrtümer.
Schneidet am liebsten Rosen und bleibt bei Steingärten gelassen: Wolfram Vaitl, Präsident des Bayerischen Landesverbandes für Gartenbau und Landespflege e. V.
Foto: Landesverband | Schneidet am liebsten Rosen und bleibt bei Steingärten gelassen: Wolfram Vaitl, Präsident des Bayerischen Landesverbandes für Gartenbau und Landespflege e. V.
Alice Natter
 |  aktualisiert: 27.04.2023 08:13 Uhr

Sein Motto: Gartenbauvereine helfen Mensch und Natur. Seine Philosophie: "Hilfe zur Selbsthilfe" bieten, soziale Gemeinschaften gründen und stärken und nachahmenswerte Beispiele schaffen. Sein Ziel und Zweck: den Obst- und Gartenbau zu fördern, das Land zu pflegen und zu verschönern,  die Umwelt zu schützen und intakte Kulturlandschaften zu erhalten- und den Menschen die vielfältigen Wohlfahrtswirkungen der Gärten aufzuzeigen. Seit 1894 gibt es den Bayerischen Landesverband für Gartenbau und Landespflege e.V.- und an diesem Wochenende feiert der größte Verband der Obst- und Gartenbauvereine in Deutschland sein 125-jähriges Jubiläum in der Würzburger Residenz.

Präsident Wolfram Vaitl begrüßt beim Festakt Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und  Umweltminister Thorsten Glauber (beide FW). Vorab sagt er im Interview, ob das Klischee von der gartelnden Hausfrau und dem Rentner im Obst- und Gartenbauverein noch stimmt. Und welche Erfolge er vom runden Tisch zum Volksbegehren Artenvielfalt mitbringt.

Herr Vaitl, wie sieht das typische Gartenbauvereins-Mitglied aus?

Wolfram Vaitl: Das gibt es heute nicht mehr. Das hat es früher vielleicht mal gegeben, als die Menschen große Gärten hatten, um die sie sich selbst gekümmert haben. Wir sind da im Wandel. Allein schon dadurch, dass die Gärten heute kleiner werden und im städtischen Bereich ganz verschwinden. Im ländlichen Bereich fehlen die großen Gärten auch schon teilweise. Das heißt, die Aufgaben eines privaten Gärtners sind heute andere als früher. Früher hatten wir reine Nutzgärten mit einem ganz kleinen Anteil an Erholung. In den 60er Jahren kamen dann die Erholungsgärten dazu. Mein Stichwort ist da immer der berühmte Gartenzwerg.

Gartenzwerg! Gibt’s den noch?

Vaitl: Mit dem Gartenzwerg fing damals, in den 60er Jahren, das Gestalten an. Dann kam der Blumenschmuck dazu und der Balkonschmuck wurde wichtiger. Man kümmerte sich ums Haus herum mehr um das schöne Ambiente und nicht mehr nur um das rein Nützliche. Heute sind’s nicht mehr die Gartenzwerge, da sind es „Kunstgegenstände“: die Stelen, die Girlanden oder Lampen, der Buddha oder der zerbrochene Gartenkrug, der bepflanzt wird.

Obst- und Gartenbauverein – das klingt irgendwie nach gartelnder Hausfrau und Rentner . . . Korrigieren Sie das Klischee.

Vaitl: Natürlich sind unsere Mitglieder in der Mehrzahl Gartenbesitzer. Manche haben auch nur ihr kleines Reich auf dem Balkon. Wir streben Familienmitgliedschaften an, da sind Kinder und Eltern persönliche Mitglieder im Gartenbauverein. Wenn man sich die Aktivitäten und Veranstaltungen unserer Vereine anschaut, sieht man: da ist für alle Generationen viel geboten, nicht nur für Hausfrauen und Rentner.

Der neueste Trend?

Vaitl: Heute erleben wir, dass man sich wieder mehr um Biodiversität und Artenvielfalt besinnen muss. Der Garten soll nicht nur Nutzgarten sein, sondern auch eine Oase für allerlei Kleingetier. Das Volksbegehren spricht hier ja für sich.

Das ja großen Erfolg hatte und jetzt Gesetz wird. Sie saßen in München mit am runden Tisch, den der Ministerpräsident einberufen hat und den Alois Glück moderierte.

Vaitl: Genau, eine spannende Angelegenheit. Wir konnten da sehr klar ansprechen und durchbringen, was unsere Belange sind.

Was war Ihnen das wichtigste?

Vaitl: Punkt eins: Biodiversität! Artenvielfalt von Pflanzen im Hausgarten selber. Im „gschlamperten Garten“ darf man mit gutem Gewissen die Brennnesseln stehen lassen für die Schmetterlinge. Und Punkte zwei: das kommunale Miteinander. Es geht darum, auch als Gartenbauverein die Kommunen zu unterstützen und ihnen dabei zu helfen, das öffentliche Grün zu gestalten. Wir haben es ja in unserem Namen drin: Gartenbau und Landespflege. Und der landespflegerische Anteil meint die Gartenkultur im großen Bereich und im öffentlichen Raum.

 Wie modern sind Gartenbauvereine?

Ganz unterschiedlich. Es hängt davon ab, in welcher Region sie sind und wie das Umfeld ist. Bin ich einem Neubaugebiet, in einem rein ländlich geprägten Gebiet oder in der Stadt, wo der Gartenbauverein ganz andere Aufgaben hat? Die Gartenbauvereine sind so unterschiedlich wie die Gärten heute. Es hängt immer auch davon ab, wie aktiv der Vorsitzende ist. Schaut er weit über den Gartenzaun hinaus und beschäftigt er sich zum Beispiel mit gesunder Ernährung, mit der Kultur seines Ortes, mit Angeboten für junge Leute?

Sie sind Diplommeteorologe und dazu Chef einer großen Zimmerei. Wie sind Sie eigentlich auf den Garten gekommen?

Vaitl: Ich habe selber einen vor dem Haus. Einen sehr großen Garten, wie man ihn heute in der Form gar nicht mehr bekommt. Schon eher einen Park, der früher ein unbebautes landwirtschaftliches Anwesen war.

Was gehört für Sie unbedingt zu einem Garten dazu?

Vaitl: Das Nebeneinander! Dass Struktur und das Wilde gemeinsam einen Platz finden. Sprich: Steingärten sind also keine Gärten. Steingärten sind nicht unser Thema. Anders gesagt: Sie sind leider ein Thema! Ich kann nur sagen: eine Modeerscheinung, die gerade in modernen Neubaugebieten überhand nimmt. Wobei man sich einer irrigen Meinung hingibt, die Steingärten seien pflegeleicht. Stimmt überhaupt nicht. In dem Moment, wo man die nötigen chemischen Mittel nicht mehr einsetzt, hat sich das schnell erübrigt. Wir sind da schwer dahinter her, dass gerade im modernen Garten kein chemischer Dünger, kein chemischer Pflanzenschutz, kein Torf eingesetzt wird.

Vor-'garten' mit grauen und schwarzen Kieselsteinen: Nichts für Insekten und nichts fürs Auge. Aber solche Schottergärten machen den Präsidenten der Obst- und Gartenbauvereine in Bayern trotzdem nicht zornig.
Foto: Carmen Jaspersen | Vor-"garten" mit grauen und schwarzen Kieselsteinen: Nichts für Insekten und nichts fürs Auge. Aber solche Schottergärten machen den Präsidenten der Obst- und Gartenbauvereine in Bayern trotzdem nicht zornig.

Machen Sie solche Steingärten zornig? Traurig?

Vaitl: Ich persönlich nehme die sehr gelassen hin. Das sind Modeerscheinungen. Die kommen, die gehen, die hat es immer schon gegeben. Und die verschwinden auch wieder. In unserem Sinne sind die Steingärten nicht, aber man sollte sie auch nicht überbewerten. Wer so einen Steingarten hat, hat eine bestimmte Einstellung – da ist es schwierig, ihn vom Gegenteil zu überzeugen.

Immerhin sind sie richtig teuer . . .

Vaitl: Immer! Der Unterhalt kostet richtig viel Geld. Und man darf nicht vergessen. Die wenigsten pflegen ihren Steingarten selber. Die Mehrheit sind die Delegierer, wie man so schön sagt. Die überlassen die Aufgabe den professionellen Gärtnern.

Aber Gärten gehen nicht immer ins Geld, oder?

Vaitl: Man kann im Garten ein Vermögen ausgeben, es kommt darauf an, was man alles anstellt. Wenn man mutig und clever ist, vermehrt man selber, überwintert seine Pflanzen, begnügt sich mit Samen und züchtet die Dinge selber heran. Ein bisschen kommt es auch auf die Größe des Gartens an. Wobei, in den heutigen kleineren Gärten kann ich auch viel Geld für teure Pflanzen ausgeben. Qualität kostet halt manchmal, vor allem bei Bäumen.

Wie viel Zeit verbringen Sie im Garten und was machen Sie am liebsten?

Vaitl: Meine Lieblingsaufgabe ist das Rosenschneiden! Ich schneide leidenschaftlich gerne Rosen. Und im Frühjahr die Obstbäume. Rasenmähen ist noch mein Job. Den Rest des Gartens, das gesamte Gemüsebeet, die Zierpflanzen – das macht meine Frau.

Liebste Gartenarbeit von Wolfram Vaitl: Rosen schneiden. Und einigermaßen resistent gegen Trockenheit sind Rosen auch.
Foto: Patty Varasano | Liebste Gartenarbeit von Wolfram Vaitl: Rosen schneiden. Und einigermaßen resistent gegen Trockenheit sind Rosen auch.

Haben Sie einen Liegestuhl im Garten?

Vaitl: Ja, doch! Wenn es das Ehrenamt erlaubt und ich nicht unterwegs bin, liege ich gerne im Liegestuhl.

Großes Thema bei Gartenbesitzer inzwischen: die Trockenheit. Was tun?

Vaitl: Ja, das ist bei uns in Südbayern noch nicht so gravierend. Vor allem nicht dort, wo wir schwere Lehmböden haben wie am Hochufer der Isar. Diese sind ein Riesenvorteil, weil sie das Wasser halten. Kein Vergleich zu den fränkischen Böden, die so wahnsinnig durchlässig sind. Da ist es entscheidend, dass man möglichst resistente Pflanzen hat, die wenig Wasser brauchen. Rosen  kommen verhältnismäßig damit gut zurecht, weil sie Tiefwurzler sind. Aber Rhododendren zum Beispiel, wie es sie bei uns gibt, haben es schwer.

Was hat man davon bei Ihnen Mitglied sein?

Vaitl: Sie bekommen unkompliziert und ganz schnell Hilfestellungen für Ihre Probleme. Sie bekommen Beratung und aktive Unterstützung im Garten. Und in unserer Zeitschrift finden Sie Informationen. Anders als in den berühmten Hochglanzzeitschriften gibt es bei uns wirklich Information und ganz praktischen Rat.

Der größte Fehler, den man im Garten machen kann?

Vaitl: Zu viel zu tun! Ganz einfach, weil die Natur sich in vielen Fällen selber hilft.

Wolfram Vaitl, Präsident des Bayerischen Landesverbandes für Gartenbau und Landespflege e. V.
Foto: Verband | Wolfram Vaitl, Präsident des Bayerischen Landesverbandes für Gartenbau und Landespflege e. V.

Wolfram Vaitl ist Diplom-Meteorologe von Beruf, leitet mit seinem Sohn ein Zimmerei-Unternehmen und lebt in Unterföhring im Landkreis München. Der 65-Jährige ist seit 2014 ehrenamtlicher Präsident des Bayerischen Landesverbandes für Gartenbau und Landespflege e.V.. Zum Landesverband gehören derzeit 3251 Vereine mit 537 881 Mitgliedern in ganz Bayern. In Unterfranken gibt es derzeit 419 Obst- und Gartenbauvereine mit 49 791 Mitgliedern. Infos: www.gartenbauvereine.org 

 
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