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WÜRZBURG
Warum beißen Hunde Postboten?
Mit Respekt beobachten die Postboten bei einer Schulung in Würzburg das Verhalten des Labradors.
Foto: ivana biscan | Mit Respekt beobachten die Postboten bei einer Schulung in Würzburg das Verhalten des Labradors.
Nicolas Bettinger, Volontär, Mediengruppe Main-Post
Nicolas Bettinger
 |  aktualisiert: 11.12.2019 18:50 Uhr

„Der will nur spielen. Der beißt doch nicht.“ – Sätze, die fast jeder schon einmal von Hundehaltern gehört hat. Sicherer fühlt man sich dadurch meist nicht – vor allem dann nicht, wenn man ohnehin etwa Angst vor den Vierbeinern hat. Postboten haben besonders oft mit Hunden zu tun. Dabei kommt es regelmäßig zu unangenehmen Vorfällen und Bissverletzungen.

Aus diesem Grund bietet die Deutsche Post in Kooperation mit der Berufsgenossenschaft Verkehr regelmäßig Hundeschulungen für ihre Mitarbeiter an. Auf dem Betriebsgelände des Briefzentrums in Würzburg fand vor kurzem im Rahmen der Arbeitssicherheit ein solcher Kurs statt. Briefzusteller aus Würzburg und Umgebung nahmen unter Aufsicht eines Hunde-Coaches teil.

„Ich habe gerufen, um sicher zu gehen, dass der Hund nicht auf dem Grundstück ist“, erzählt Sophia Then, Briefzustellerin in Mellrichstadt (Lkr. Rhön-Grabfeld), von einem Vorfall. „Als ich dann reingegangen bin um zu klingeln, raste der Hund um die Ecke und biss mir schlagartig ins Bein.“ Diese oder ähnliche Erfahrungen teilen viele Postboten mit der 20-Jährigen.

„Bundesweit kam es im vergangenen Jahr zu 1700 Unfällen mit Hunden und Postzustellern“, sagt Alexander Böhm, Pressesprecher der Deutschen Post in Frankfurt. Häufig bliebe es zwar bei kleineren Verletzungen, aber auch ein kurzer Wadenzwicker ist schmerzhaft.

Postboten treffen berufsbedingt recht häufig auf Hunde. Aber warum werden sie so oft angegriffen? Gesine Mantel ist Verhaltenstherapeutin für Hunde und kennt eine Erklärung dafür: „Briefzusteller tragen Uniformen und haben damit per se einen schweren Stand“, sagt die Würzburgerin. Alles, was von der Norm abweicht und auffällig aussieht, könne Hunde schon provozieren. Manche Hunde reagierten sogar auf dunkelhäutige Menschen anders, weil sie in Deutschland viel seltener sind als Hellhäutige, erklärt Mantel.

Der Hauptgrund für Hunde-Attacken sei allerdings die Revierverletzung, die Briefzusteller täglich begehen. „Sie nähern sich dem Grundstück und machen Geräusche am Briefkasten“, so Mantel. Hunde würden daraufhin versuchen, ihr Territorium zu verteidigen.

Bernhard Stumpf hat als Briefzusteller mehrere schlechte Erfahrungen mit Vierbeinern gemacht. Verhindern konnte das auch der Hundehalter nicht: „Der Besitzer lief mit seinem Hund an mir vorbei, plötzlich drehte das Tier um und biss mir in die Kniekehle“, erinnert sich der 55-Jährige, der in Würzburg Post zustellt. Häufig ist der Halter aber nicht einmal in der Nähe.

„Es ist eine Zumutung, wenn der Postbote ein Grundstück betreten muss, auf dem der Hund frei herumläuft“, sagt Gesine Mantel. Die Verhaltenstherapeutin rät den Betroffenen, auf die Anwesenheit des Hundehalters zu bestehen. „Wenn er nicht ans Tor kommt, dann lege ich den Brief eben einfach hinters Tor“, sagt die Biologin. „Wir können nicht verlangen, dass alle das Verhalten eines Vierbeiners richtig einschätzen können.“

Kommt es tatsächlich zur aggressiven Auseinandersetzung zwischen Mensch und Tier, können vor allem Hundebisse durch die ruckartigen Bewegungen komplizierte Fleischverletzungen nach sich ziehen.

Neben körperlichen Schäden spielt oft die psychische Belastung eine große Rolle. Wer einmal gebissen wurde, wird immer nervöser beim Treffen mit dem Tier. „Deshalb bringt es auch nichts, Menschen zu raten, nicht ängstlich zu sein. Das kann man nicht einfach ablegen“, so die Therapeutin.

Wer verhindern will, dass er gebissen wird, muss lernen, deeskalierend auf Hunde einzuwirken. „Das Gefahrenpotenzial kann verringert werden, wenn man dem Tier richtig gegenübertritt“, erklärt Pressesprecher Böhm die Wichtigkeit der Schulung für Postboten.

Im Seminar ging es überwiegend um die Körpersprache der Hunde und wie Verängstigte auf diese richtig reagieren können. Dabei wurde klargestellt, dass Briefzusteller meist selbst in der Hand hätten, ob sie gebissen werden oder nicht.

Sobald fremde Menschen Hunden zu nahe kommen, sie mit den Augen fixieren oder sich hektisch bewegen, provozieren sie einen Angriff. Um eine Attacke zu verhindern, könnten Briefzusteller die Kläffer ignorieren, die Stimme gezielt und laut einsetzen oder eine Barriere mit einem Gegenstand aufbauen. Den Rücken zuwenden sollten sie dem Hund nicht. Dieser schnappe durchaus gerne zu, sobald er sich nicht mehr beobachtet fühle. Als letzte Maßnahme nannte der Coach, der seinen Namen nicht öffentlich nennen will, ein Abwehrspray. „Das Notwehrrecht steht Ihnen zu“, sagte er.

Um gar nicht erst in eine Konfliktsituation zu kommen, lernten die Teilnehmer Tricks, um die Vierbeiner zu verjagen. „Wer eine kleine Plastikflasche gefüllt mit Schrauben kräftig auf den Boden schmettert, kann eine ganze Armee von Hunden verscheuchen“, so der Trainer.

Mit einem Labrador und einem belgischen Schäferhund probten die Teilnehmer den Ernstfall. Verletzt wurde niemand. „Sollte es dennoch zu einem Biss kommen, muss man diesen ohne hektische Bewegung aussitzen“, so der Experte.

Am Ende des Seminars spielte der sichtlich erleichterte Seminar-Teilnehmer Erhos Tolga noch minutenlang mit dem Schäferhund. „Ich achte jetzt mehr auf die Stimmung des Hundes und fühle mich sicherer“, sagte der 41-Jährige und rief dem Vierbeiner gelassen-fränkisch zu: „Na du Depperle.“

 
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