
„Lachen erleichtert die schwierigsten Situationen“, meint Klinik-Clown Silvia Kirchhof aus Gerolzhofen (Lkr. Schweinfurt). Sie engagiert sich seit vielen Jahren als Klinik-Clown und besucht als „Machnix“ unter anderem Senioren im Pflegeheim. Im Interview erklärt sie, weshalb in Pflegeheimen gelacht werden sollte, wie Spitzentaschentücher helfen, den Alltag zu vergessen, und wann Humor unangebracht ist.
Silvia Kirchhof: Die Stadtmaus besucht die Landmaus. Die beiden trinken Kaffee und die Landmaus erzählt von ihrem neuen Freund. Die Stadtmaus will ihn natürlich sofort kennenlernen. Die beiden hüpfen zu einer Scheune. „Da ist er“, sagt die Landmaus stolz. Die Stadtmaus schaut ein bisschen irritiert und sagt: „Aber das ist eine Fledermaus!“ „Was“, ruft die Landmaus empört, „mir hat er gesagt, er sei Pilot!“
Kirchhof: Ich habe ihn zwar schon einmal in der Klinik erzählt, aber als Klinik-Clowns erzählen wir nicht unbedingt Witze. Wir spielen Szenen aus dem Alltag der Menschen oder entwickeln Szenen aus der Situation heraus. Es muss nicht immer der große Lacher sein, das geht in vielen Bereichen ja gar nicht. Gerade in Seniorenheimen setzen wir beispielsweise viel Musik ein. Bei diesen Menschen geht es häufig um Berührungen. Da hält man ihre Hand bei der Begrüßung etwas länger oder tanzt mit ihnen.
Kirchhof: Es darf und sollte immer gelacht werden. Lachen erleichtert die schwierigsten Situationen. Zugleich muss man aber auch zulassen, dass die Stimmung im Pflegeheim eben nicht ausgelassen ist. Dort darf eine depressive Stimmung herrschen, doch warum sollte man nicht genau darüber lachen. Wir Clowns thematisieren auch, dass es den Menschen schlecht geht. Wir zeigen beispielsweise, was wir tun, wenn es uns schlechtgeht. Wenn wir dann unsere Arme und Beine kräftig ausschütteln, lachen schon viele. Wir wollen die Menschen aus ihrem Leid und ihrer Tristesse entführen und sie ihren Alltag vergessen lassen.
Kirchhof: Ja, das sollten sie sogar. Der Trend geht in diese Richtung. Wir geben beispielsweise Workshops zum Thema Humor in der Pflege. Die Schnittmenge zwischen dem Clown-Spiel und dem Pfleger ist größer als gedacht: Auf beiden Seiten muss man präsent sein, muss einen lebendigen Kontakt zum Gegenüber entwickeln und die jeweilige Stimmung aufnehmen.
Kirchhof: Auch wir bemerken, dass die Situation in den Heimen zunehmend schwieriger wird und damit unterschiedlich umgegangen wird. Doch den Pflegern kann Humor ebenfalls helfen, schwierige Situationen zu lösen und einen anstrengenden Arbeitstag positiver zu gestalten. Es ist wichtig, dass sie nicht in ihrem Pflegealltag verschwinden, sondern sich auf ihr Gegenüber einlassen. Zugleich gibt es Einrichtungen, in denen unser Besuch wichtig ist. Wir setzen mit unserer Arbeit Zeichen und bekommen dafür häufig ein positives Feedback. Es geht dem ganzen Umfeld besser – vom Patienten über die Pfleger bis zu den Angehörigen.
Kirchhof: Ja. Unsere Erfahrung ist aber, dass das sehr schnell verschwindet. Ich hatte anfangs Bedenken, ob sich die Menschen im Seniorenheim nicht veräppelt vorkommen, wenn ich als Clown vor ihnen stehe. Und ja, manchmal gibt es kritische Reaktionen in Form von „Wir sind doch nicht im Kindergarten!“. Unsere Aufgabe ist es zu spüren, was der Mensch in einer bestimmten Situation braucht. Wenn ein Mensch uns ablehnt, lassen wir ihn in Ruhe. Wir sind keine Quatschclowns, wir wollen die Menschen nicht veräppeln, wir wollen sie erheitern und ablenken. Wenn wir etwa im Seniorenheim alte Spitzentaschentücher mitbringen, wollen die alten Damen sie sofort anfassen und plötzlich erzählen sie Geschichten von früher. Kürzlich besuchte ich eine bettlägerige Dame, die sich bereits sehr von den anderen Bewohnern im Pflegeheim zurückgezogen hatte. In jungen Jahren war diese Frau eine Opernsängerin. Ich habe ihr etwas vorgesungen. Und dann sagte diese Frau, die schon sehr in ihrer eigenen Welt lebte, wohlwollend zu mir: „Joah, das war schon ganz gut.“ Das war sehr ergreifend. Als Clown hat man einen anderen Zugang als die Ärzte und Psychologen. Man macht unkonventionelle Dinge.
Sie überschreiten immer absichtlich Grenzen. Welche Grenzen dürfen nicht überschritten werden?
Kirchhof: Wichtig ist eine große Empathie. Man muss merken, was dem Anderen gut tut. Ich muss spüren, wie weit ich das Gegenüber einbeziehen kann und wann es zu viel wird. Das ist unsere Aufgabe. Eine Aufgabe, die nicht jeder übernehmen kann. Aber Klinikclowns sind alle speziell geschult. Grundsätzlich denke ich: Wenn es echt ist, kann man nichts falsch machen. Wenn man Selbst- und die Fremdwahrnehmung im Blick behält, sich auf das Gegenüber einlässt und das eigene Bauchgefühl stimmt, ist Humor nie unangebracht. Und was gibt es Schöneres als zum Abschied ein auf Wiedersehen und passt auf euch auf , damit ihr nächste Woche gesund wieder kommt.