Die Welt der Gehörlosen ist für die meisten verschlossen. Walter Henke gibt seit 28 Jahren Einblicke in diesen stillen Kosmos. Er unterrichtet an der Fachhochschule Gebärdensprache und hat Lehrbücher verfasst. Das Außergewöhnliche an Henkes Unterricht: 90 Minuten lang redet niemand, denn der 67-Jährige ist von Geburt an taub. Für seinen Einsatz für Gehörlose hat er die goldene Ehrennadel des Luise Kiesselbach Preises verliehen bekommen. Henke hilft seit fast drei Jahrzehnten Barrieren zwischen gehörlosen und hörenden Menschen zu abzubauen.
„Alles hat damit begonnen, dass ich von der FH Würzburg-Schweinfurt den Auftrag bekommen habe, dort Sprachkurse anzubieten“, erinnert sich Henke. „Jedoch waren die nur für Studenten konzipiert.“ Zudem stand er damals noch vor dem Problem, dass kein Unterrichtsmaterial für einen effektiven Lehrunterricht für Einsteiger vorhanden war. Auch das hat Walter Henke in Form von Lernbüchern selbst entworfen, in denen die Gebärdensprache in anschaulichen Bildern vermittelt wird. Mittlerweile ist die bundesweit anerkannte Lernhilfe weit verbreitet und es gibt sogar Bücher für Aufbaukurse.
„Bei meinen Sprachkursen ist mir vor allem wichtig, dass ich so Brücken zwischen der Welt der Gehörlosen und der Hörenden bauen kann“, meint Henke. „Ich wünsche mir, dass auch Hörende ein Grundwissen an Gebärdensprache aufbauen. So könnten sich nicht nur Gehörlose besser verständigen. Auch Hörende ziehen daraus nur Vorteile.“ So könne eine einfache und barrierefreie Verständigung aufgebaut werden, findet Henke.
Mittlerweile platzen die Sprachkurse aus allen Nähten. „Wir haben viele Anfängerkurse in denen die Teilnehmer ganz unterschiedliche Motivationen für ihre Kursanmeldung haben. So brauchen manche die Gebärdensprache für ihren Beruf, andere möchten einfach eine Sprache neu kennen lernen“, berichtet Uta Schmitgen vom Sozialdienst für Hörgeschädigte des Bezirksverbands Unterfranken des Paritätischen Wohlfahrtsverbands.
„Anfangs ist es für die meisten Teilnehmer schwer und das Lernen wird noch mit Lautsprache begleitet. Außerdem haben viele Hemmungen und wenig Wissen im Umgang mit der Gebärdensprache. Doch ganz langsam wird es dann besser“, berichtet Henke über die Lernerfolge seiner Schützlinge. „Begabung spielt natürlich eine Rolle. Um jedoch die komplette Grammatik zu erlernen sollte man geduldig sein.“ Man könne das durchaus mit dem Erlernen einer neuen Sprache vergleichen, findet Henke. Auch hier brauche es seine Zeit, bis ein Gespräch zustanden kommen könne.
Wenn Henke die letzten 25 Jahre betrachtet fällt ihm auf: „Am Anfang gab es nur besagten Grundkurs an der der FH. Mittlerweile finden viele Sprachkurse sowie Aufbaukurse und Konversationskurse statt und man kann sich staatlich prüfen lassen.“ Die steigenden Anmeldezahlen zeigen zudem, dass heute viele Menschen die Gebärdensprache lernen möchten. Walter Henke veranstaltet ebenfalls jeden Monat Gebärdenstammtische für Hörende wie auch Gehörlose, bei denen Inklusion gelebt wird.
Davon abgesehen ist sich Walter Henke sicher: „Für mich ist die Gebärdensprache die schönste Sprache der Welt!“
Luise Kiesselbach Preis
Mit dem Preis zeichnet der Paritätische Wohlfahrtsverband in Bayern jedes Jahr individuelle Lebensleistungen, aber auch besonders erfolgreiche oder innovative Engagements und Organisationen aus. Der Preis ist nach einer der Mitbegründerinnen des Paritätischen in Bayern, Luise Kiesselbach, benannt.