Über ihre Erfahrungen mit Verschwörungsideologien und Antisemitismus haben Malte Reinke-Dieker und Marie Künne, freiberufliche Referenten der Amadeu-Antonio-Stiftung, mit Schülerinnen und Schülern der 11. und 12. Klasse der Montessori-Fachoberschule im Kloster Oberzell gesprochen. Sie waren bei der Veranstaltung mit dem Titel "Wake up?" online zugeschaltet und diskutierten mit den jungen Leuten über deren Erfahrungen mit Verschwörungsideologien, berichtet der Veranstalter "youngcaritas". Die Veranstaltung wurde gefördert im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben!". "youngcaritas" ist der Jugendbereich des Caritasverbandes für die Stadt und den Landkreis Würzburg und ermutigt junge Menschen, sich sozial zu engagieren und sich für eine solidarische Gesellschaft einzusetzen.
Ausgehend von der Definition von Professor Dr. Michael Butter (Universität Tübingen), wonach "Verschwörungstheorien behaupten, dass eine im Geheimen operierende Gruppe aus niederen Beweggründen versucht, eine Institution, ein Land oder gar die ganze Welt zu kontrollieren oder zu zerstören", ging es zunächst um den Unterschied zwischen kritischem Denken und dem Glauben an Verschwörungsideologien. Im Gegensatz zu wissenschaftlichen Hypothesen, die prinzipiell korrigierbar sind, lassen sich Verschwörungsideologien nicht durch gegenteilige Beweise widerlegen. "Wenn zum Beispiel der angekündigte Tag X nicht eintritt, wird nicht die Verschwörungsideologie in Frage gestellt, sondern es werden alle möglichen anderen Gründe dafür gefunden", erklärte Künne.
Verschwörungsideologien teilen die Welt in Gut und Böse ein, es werden Menschen oder Gruppen als Feinde identifiziert und abgewertet. "Gerade hier liegt die Gefahr", erläuterte Reinke-Dieker. "Wenn solch ein klares Feindbild gezeichnet wird, können sich Anhänger dazu ermutigt fühlen, ganz konkret etwas gegen diese sogenannten Feinde zu unternehmen." Das habe auch die Attentäter in Halle, Hanau oder Christchurch zu ihren Taten motiviert. Der Mythos der fiktiven jüdischen Weltverschwörung, der in der NS-Propaganda eine wichtige Rolle spielte und letztlich den Holocaust begünstigte, tauche auch in den aktuellen Verschwörungsideologien immer wieder auf. Wenn George Soros, Rothschild, Zionisten oder Israel für alles Böse in der Welt verantwortlich gemacht würden, heiße es, klar zu widersprechen. Selbst wenn Jüdinnen und Juden nicht konkret genannt werden, gebe es oft Hinweise auf antisemitische Strukturen.
Rege diskutiert wurde in der Abschlussrunde, wie man mit Verschwörungsgläubigen im eigenen Umfeld umgeht. Ein Schüler, der selbst zur Covid-19-Risikogruppe gehört, meinte: "Über Corona diskutiere ich gar nicht mehr. Das habe ich am Anfang immer gemacht, aber mittlerweile wurden alle Argumente ausgetauscht." Er betonte, dass man dennoch ohne Herablassung mit den Menschen reden müsse. Das bestätigten Künne und Reinke-Dieker: Gerade im nahen Umfeld könne man die Menschen noch erreichen, ein wertschätzender Umgang sei hier die Grundlage. Allerdings sei es auch wichtig, menschenfeindliche Inhalte klar zu benennen und zu kritisieren.
Von: Pressestelle der Diözese Würzburg